So. Jetzt ist dieses Jahr auch so gut wie vorbei und ich muss berichten, dass es büchermäßig im Dezember leider nicht viel zu berichten gibt. Ich habe zwar einiges gelesen; aber ein Teil davon war Zeug von früher, das ich noch zu Ende lesen musste und das, was ich neu angefangen habe, waren meistens sehr umfangreiche Werke die ich noch nicht ausreichend gelesen habe um davon zu berichten. Übrig bleibt nur ein Buch, das ich heute vorstellen kann. Aber es lohnt sich!
Wie man eine Pipeline in die Luft jagt
Das Buch “How to Blow Up a Pipeline: Learning to Fight in a World on Fire” (auf deutsch: “Wie man eine Pipeline in die Luft jagt: Kämpfen lernen in einer Welt in Flammen”) von Andreas Malm hat auf jeden Fall schon mal einen sehr eindrucksvollen Titel (und ich bin mir nicht sicher, auf welchen Listen ich gelandet bin, nachdem ich es im Internet gekauft habe…). Malm ist ein Humanökologe und Journalist aus Schweden, der sich in seinem Buch mit der Klimakrise beschäftigt. Allerdings nicht auf die übliche naturwissenschaftliche Weise; es geht auch nicht um die Widerlegung der “Argumente” von Klimawandelleugner.
Malms Buch beschäftigt sich mit einem Thema, das man sonst eher ignoriert. Es geht um folgendes, eigentlich recht simples Paradoxon:
- Die Klimakrise ist die größte Krise der sich die Menschheit stellen muss. Die Auswirkungen sind katastrophal und betreffen uns alle. Die Ausgangslage ist aus wissenschaftlicher Sicht mehr als eindeutig. Wir wissen, was passieren wird, wir wissen warum es passiert und wir wissen, was wir dagegen tun können.
- Es gibt eine immer größer werdenen Bewegung an Menschen, die sich aktiv dafür einsetzen, dass das, was passieren muss um die Krise zu bewältigen, auch tatsächlich passiert.
- Diejenigen, die tatsächlich handeln müssten, behaupten zwar, etwas tun zu wollen, tun aber nichts. Es wird immer noch Öl, Kohle und Gas gefördert; es werden sogar neue Pipelines, Kraftwerke, Ölbohrungen, und so weiter angelegt. Es werden weiter Autos gebaut, verkauft, gefördert; die noch mehr fossile Brennstoffe verbrauchen; es werden neue Straßen gebaut und Bahnlinien eingestellt. Die Menge an Treibhausgasen steigt immer weiter an, trotz aller Beteuerungen, Versprechungen und Verträgen.
- Warum bleiben die Aktivistinnen und Aktivisten weiterhin friedlich?
Malm stellt sich die Frage, wieso gerade der Klimaaktivismus sich so standhaft dem gewaltfreien Widerstand verschrieben hat? Wieso werden keine Pipelines oder Kraftwerke sabotiert? Wieso keine Autos? Und so weiter. Die fossile Infrastruktur wäre leicht sabotierbar und trotzdem tut es niemand. Warum?
Malm gibt sich große Mühe, die grundlegenden Begriffe klar zu definieren und die historische Ausgangslage darzulegen. Er berichtet von erfolgreichen Protestbewegungen der Vergangenheit und Gegenwart (Ghandi und die Unabhängigkeit Indiens; Martin Luther King und die Bürgerrechtsbewegung in den USA, die Sufragetten in England, usw) und zeigt deutlich, dass sie erst dann erfolgreich waren, als die Forderungen auch gewaltsam unterstützt wurden. Und mit “Gewalt” ist hier keine Gewalt gegen Menschen gemeint, sondern die Zerstörung oder Sabotage von Infrastruktur oä. Die Pipelines aus dem Titel des Buches bringt Malm immer wieder als Beispiel. Sie waren in der Vergangenheit regelmäßig Ziel von Anschlägen: Das geht vergleichsweise einfach; eine Pipeline lässt sich schwer überwachen und der Effekt ist groß. Aber wenn Pipelines bisher sabotiert wurden, dann um dadurch diejenigen zu treffen, die davon profitieren; ausbeuterische Firmen, diktatorische Regimes, und so weiter. Es gibt aber keinen Fall, wo Pipelines und andere Infrastruktur aufgrund ihrer klimafeindlichen Wirkung direkt ein Anschlagsziel waren.
Malm ist natürlich nicht dumm; er weiß um Argumente wie “Wer Gewalt anwendet, mit dem diskutiert man nicht mehr” oder “Gewalt schreckt die Massen ab, die nötig sind für eine große Bewegung”, und so weiter. All das und mehr wird von ihm behandelt; und anhand der Beispiele aus der Vergangenheit zeigt er recht gut, dass friedlicher Aktivismus immer auch von aktiver Sabotage begleitet worden und am Ende auch oder dadurch erfolgreich war.
“How to blow up a pipeline” ist ein Buch, das man auf jeden Fall gelesen haben sollte; egal ob man der Meinung ist, dass Klimaaktivismus auf jeden Fall gewaltfrei bleiben muss oder nicht. Es enthält sehr viel Stoff zum Nachdenken und die Fragen, die Malm aufwirft sind definitiv berechtigt. Am Ende ist die Klimakrise bisher beispiellos in der Geschichte der Menschheit und Protestbewegungen aus der Vergangenheit können nur bedingt als Maßstab dienen. Klar ist aber auch: Wir wissen seit Jahrzehnten, dass es eine Krise gibt. Seit Jahrzehnten wird von denen, die etwas tun müssten, nichts getan oder wenn, dann viel zu spät und viel zu wenig. Die bisherigen Strategien der Klimaaktivisten waren zwar nicht wirkungslos aber auch nicht so erfolgreich, wie sie sein hätten müssen. Auf die eine oder andere Art wird sich etwas ändern müssen!
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