Nach einer Umfrage aus dem Jahr 2018 glauben 33 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher, dass Sternzeichen und Horoskope Einfluss auf das eigene Leben haben. Die Astrologie findet man in Politik, Wirtschaft und Medizin. Die Astrologie boomt, gerade in unsicheren Zeiten wie heute.
Mit diesen Aussagen hat am 12. Januar 2022 eine Dokumentation im österreichischen Fernsehen begonnen. In “Dok 1: Horoskope – Wer glaubt denn sowas?” (Sendungsinfos auch hier) beschäftigt sich die Journalistin Lisa Gadenstätter mit der Astrologie. Kann man machen; sollte man auch machen – denn das, was in der Einleitung gesagt wurde, ist ja nicht falsch. Eine durchaus relevante Anzahl an Menschen geht davon aus, dass sich aus einer Betrachtung der Sterne Aussagen über das eigene Leben und die Zukunft treffen lassen. Das ist ein relevantes gesellschaftliches Phänomen und fällt zweifellos in den Aufgabenbereich des Journalismus. Nur: So wie der ORF in dieser Sendung damit umgegangen ist und wie er in anderen Sendungen damit umgeht: So sollte man es nicht machen.
Wer die Dokumentation gesehen hat (jetzt ist sie vermulich schon nicht mehr in der Mediathek abrufbar) wird sich vielleicht wundern. Hat Lisa Gadenstätter nicht gleich zu Beginn gesagt: “Astrologie ist eindeutig unwissenschaftlich”? Hat sie nicht am Ende gesagt: “Astrologie ist ganz klar eine Glaubensfrage und hat mit Wissenschaft nichts zu tun”? Hat sie! Aber dazwischen ist einiges passiert, dass das Problem des öffentlich-rechtlichen Fernsehens in Österreich mit der Astrologie recht gut demonstriert.
Ich werde mich jetzt nicht damit aufhalten zu erklären, dass Astrologie nicht funktioniert und die Sterne nichts über unsere persönliche Zukunft aussagen können. Ich werde nicht ausarbeiten, warum die Astrologie nicht funktionieren kann und mir die Mühe sparen, diverse Aussagen der Astrologinnen und Astrologen zu widerlegen. Das ist nämlich nicht nötig. Dass Astrologie nicht einmal annähernd irgendwas mit moderner Naturwissenschaft zu tun hat; dass sie mit Astronomie nichts zu tun hat und dass die Astrologinnen und Astrologen nicht in der Lage sind zu leisten, was sie behaupten zu können: Das ist mehr als ausreichend deutlich belegt. Und nicht erst seit gestern; dass die Astrologie esoterischer Glaube ist und keine Wissenschaft weiß man schon sehr, sehr lange. Und genau deswegen finde ich es ein klein wenig bedenklich, wenn Lisa Gadenstätter den Zweck der Dokumentation folgendermaßen begründet:
“Heute möchte ich mit ihnen in die Sterne blicken, auch in meine eigenen und die Frage stellen: Was ist eigentlich dran an diesem ganzen Zeugs beziehungsweise ist eigentlich irgendetwas dran? Warum ziehen uns Horoskope & Co magisch an und gibt es sie tatsächlich, diese kosmische Verbindung zwischen uns und dem Weltall.”
Die Frage, ob etwas an der Astrologie dran ist; ob eine “kosmische Verbindung” zwischen den Sternen und uns existiert, lässt sich sehr einfach beantworten. Die Antwort lautet: Nein! So zu tun, als ob noch offen wäre, wie die Antworten lauten, ist einem öffentlich-rechtlichen Medium mit journalistischen Anspruch eigentlich unwürdig. Im Wetterbericht nach den Nachrichten heißt es ja auch nicht: “Eine Gewitterfront wird morgen Blitz und Donner bringen, vielleicht ist es aber auch Zeus, der wütend ist und Blitze auf uns Sterbliche schleudert.” Es ist auch kein großer Aufwand zu wissen, wie der Status Quo bei der Beurteilung der Astrologie aussieht. Da muss man nicht erst lange recherchieren. Wenn die Dokumentation also auf diese Weise aufgebaut wird, dann weil sie genau so aufgebaut werden soll.
Ich hätte es durchaus sehr interessant gefunden wenn man sich auf die ganz zu Beginn geäußerten Aussagen konzentriert hätte. Ein Drittel (!) der Menschen in Österreich glaubt an Astrologie. Astrologie wird auch tatsächlich in Wirtschaft und Politik als Ratgeber benutzt. Die Menschen erhoffen sich etwas vom Glauben an die Sterne und dass, obwohl unser Schicksal nichts mit der Position der Himmelskörper im Universum zu tun hat. Warum ist das so? Kann man etwas dagegen tun? Soll man etwas dagegen tun? Welche Auswirkungen hat der weit verbreitete Glaube an die Astrologie auf unsere Gesellschaft? Das alles sind Fragen über deren Antworten man tatsächlich diskutieren kann; Fragen, deren Antworten man vermutlich gemeinsam mit jeder Menge Expertinnen und Experten aus den verschiedensten Disziplinen suchen muss. Vor allem aber sind es Fragen, bei deren Beantwortung man nicht so tun muss, als wäre es noch unklar, wie man die Astrologie einzuordnen hat.
In der Dokumentation wird dann aber leider das getan, was im Fernsehen sehr oft getan wird. Es gibt einen Haufen Expertinnen und Experten, die der einen Meinung sind und dann einen Schwung Leute, die die andere Meinung vertreten. Und diese Menschen gibt es natürlich. Aber nur weil man zu einem Phänomen zwei unterschiedliche Meinungen haben kann, folgt daraus nicht, dass die Angelegenheit “offen” ist. Manchmal ist es auch schlicht und einfach so, dass die eine Seite komplett falsch liegt und die andere nicht. So zu tun als wäre das nicht so; als würde die Wahrheit irgendwo in der Mitte liegen nur weil es unterschiedliche Meinungen gibt, ist etwas, das sich Falsche Ausgewogenheit (false balance)” nennt und seriöserweise vermieden werden soll.
Ich werfe dem ORF hier allerdings nicht vor, eine falsche Ausgewogenheit hergestellt zu haben. Immerhin kommt man in der Sendung zu expliziten Urteilen. Aber man macht das so dezent, dass man das alles sehr gut überhören kann, wenn man denn möchte. Das fängt schon bei der Auswahl der Menschen an, die in der Dokumentation vorkommen. Da wären:
- Ein Wirtschaftsastrologe, der behauptet, schon im Jahr 2015 vorhergesehen zu haben, dass 2020 eine Pandemie kommen wird (im Beitrag, der wohl im Sommer 2021 gedreht wurde aber auch erzählt, es wäre jetzt alles überstanden – Omikron hat sich offensichtlich vor den Sternen versteckt…).
- Die Chefin einer Druckerei, die Horoskope des Personals erstellt und bei Vertragsabschlüssen zuerst die Sterne befragt.
- Eine “Astrofluencerin”, die Tarot-Karten legt und Horoskope stellt.
- Die Assistentin von Ronald Reagan, der sich von Astrologen beraten ließ.
- Ein “Astrokartograf”, der meint, er hätte Niki Lauda vor seinem Autounfall warnen können.
- Gerda Rogers, die berühmteste Astrologin Österreichs (zu der kommen wir später noch).
- Ein Arzt, der nebenbei auch Hobby-Astronom ist und gerne als “Vermittler” zwischen Astronomie und Astrologie dienen möchte.
- Ein Psychologe, der die Astrologie sehr kritisch sieht.
- Und tatsächlich auch noch ein waschechter Astronom!
Wir können also schon mal festhalten, dass mehr als drei Viertel der Gesprächspartner:innen in dieser Dokumentation auf die eine oder andere Weise der Meinung sind, dass Astrologie durchaus in der Lage ist, vernünftige Aussagen über das Schicksal der Menschen zu treffen. Diese Meinung können sie dann auch sehr ausführlich kund tun. Was prinzipiell ja kein Problem ist, wenn das ganze in einem vernünftigen Kontext getan wird. Aber man hört eben in dieser Sendung sehr viel darüber, wie toll angeblich die Astrologie sei und sehr wenig Widerspruch oder kritische Nachfrage. Wenn da etwa der Astrologe sagt, dass er Corona schon 2015 im Horoskop gesehen hätte und erklärt, es wäre “phänomenal, wie exakt man mit Astrologie Diagnostik machen kann”, dann würde ich dieser doch sehr erstaunlichen Behauptung ein wenig Raum für eine kritische Betrachtung einräumen. Oder wenn quasi im Vorübergehen erklärt wird: “Die Wissenschaft von heute ist immer zwangsläufig der Aberglaube von morgen”. Tatsächlich? Ist alles, was die Wissenschaft früher mal rausgefunden hat, heute widerlegt? “Immer” und “zwangsläufig”? Oder könnte es vielleicht doch auch anders sein? Und so weiter: Die Sendung im ORF gibt sich keine dramatisch große Mühe, die Astrologie so kritisch zu betrachten, wie es die deutlichen Aussagen zu Beginn und am Ende nahelegen würden.
Die Gespräche mit dem Psychologen und dem Astronom helfen da nur bedingt. Der Psychologe äußerst sich erfreulicherweise so deutlich, wie es der Wissensstand über die Seriosität der Astrologie nahelegt; er wiederholt auch das klassische Experiment, das 1949 von Bertram Forer erstmals durchgeführt wurde: “The Fallacy of Personal Validation: A Classroom Demonstration of Gullibility” heißt es und es demonstriert immer wieder sehr eindrücklich, warum Horoskope zwar immer so wirken, als würden sie uns treffend beschreiben, es aber trotzdem nicht tun. Zusätzlich findet er klare Worte, was die Gefahr des Astrologie-Glaubens angeht und die negativen Folgen, die eine Auslagerung der eigenen Verantwortung an die Sterne mit sich bringen können.
Der Astronom wurde zwar in der Sendung auch sehr ausführlich interviewt. Und sagt dort selbstverständlich auch, dass an der Astrologie nichts dran ist. Zumindest so irgendwie und das ist das Problem. Nehmen wir zum Beispiel diesen Dialog:
Frage: “Gibt’s zur Astrologie keine wissenschaftlichen Untersuchungen?”
Antwort: “Es gibt viele Untersuchungen, was jetzt hinter der Astrologie steckt. Und es gibt auch tatsächlich wissenschaftliche Studien die gezeigt haben, dass astrologische Zusammenhänge bestehen. Zum Beispiel wenn Wechselwirkungen zwischen Planetenkonstellationen und Irdischem bestehen. Hier gibt’s aber eine sehr, sehr große Gefahr und die Gefahr die lauert auf wenn man sich die Studien dann genauer anschaut, wenn man nämlich sieht, dass die Studien meistens sehr wenige Daten verwenden oder sehr ausgewählte Daten verwenden. Und wenn man dann größer angelegte Studien betrachtet, dann kommt man eigentlich tatsächlich drauf, die Zusammenhänge die finden wir bis heute nicht.”
Die Antwort ist nicht falsch. Aber sie ist sehr unglücklich formuliert. Zuerst hört man “es gibt wissenschaftliche Studien, die astrologische Zusammenhänge gezeigt haben”. Und dann wird relativiert, dass diese Studien aber schlecht sind. Wenn das so ist – und das ist so! – dann kann man doch aber auch gleich den wissenschaftlichen Befund entsprechend vermitteln und die Frage mit “Nein, es gibt keine seriösen Untersuchungen die die Aussagen der Astrologie belegen” beantworten. Kommunikatorisch ist es nicht unbedingt optimal, zuerst genau die Aussage zu machen, die man eigentlich nicht machen will. Vor allem im Kontext so einer Sendung, wo rundherum alles voll mit Astrolog:innen ist, die fröhlich ihr Zeug erzählen. In der Wissenschaft ist es ja durchaus normal, Aussagen immer vorbehaltlich zu treffen und die entsprechenden Grenzen ihrer Gültigkeit explizit zu nennen; das muss man dort sogar. Aber in der Kommunikation von Wissenschaft ist das hinderlich und wenn es um eine Sendung wie diese geht, sollte man extra deutlich sein. So wie man es auch hier sein hätte sollen:
Frage: “Man kann sehr vieles wissenschaftlich nicht beweisen. Kann man trotzdem sagen: Die Astrologie, das stimmt einfach nicht?”
Antwort: “Es ist allgemein immer als Wissenschaftler schwierig zu sagen “Ja” oder “Nein”, außer es ist auch tatsächlich bewiesen ob “Ja” oder “Nein”. Und natürlich ist es eben so, wir haben keine wissenschaftlichen Zusammenhänge gefunden; heißt im Endeffekt natürlich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht, dass es zu 100 Prozent nicht stimmt.”
Ja, die Wissenschaft tut sich schwer mit absoluten Aussagen, weil in der Wissenschaft selten absolute Aussagen getroffen werden können – weil eben alles nur innerhalb der angenommen Bedingungen gültig ist. Aber es GIBT Aussagen, die man mit Sicherheit treffen kann und “Die Astrologie, das stimmt einfach nicht” gehört da eigentlich dazu. So wie die Frage hier beantwortet wurde, kann man auch die Botschaft mitnehmen: Na ja, die Wissenschaft ist sich da also auch nicht sicher, wenn nicht zum jetzigen Zeitpunkt, dann wird man die Astrologie halt später irgendwann bestätigen.
Da darf man sich auch nicht wundern, wenn die Moderatorin mit “Astrologie kann man, so wie die Existenz eines Gottes, weder wiederlegen, noch beweisen.” in das nächste Segment überleitet. Da haben wir wieder das “Die einen sagen so, die anderen sagen so und was am Ende stimmt kann man nicht wissen”. Dabei wäre die Sache eigentlich klar: Die Wissenschaft kann sehr gut wiederlegen, was die Astrologie behauptet und die Astrologie kann nicht beweisen, dass sie das kann, was sie behauptet zu können.
Die Sendung stellt eine sehr eindeutige Informationslage zwar nicht explizit falsch, aber doch sehr viel zweifelhafter dar, als es nötig wäre. Das ist schade. Man hätte da durchaus eine spannende Geschichte erzählen können. Denn die Astrologie IST ja spannend. Sie ist auch relevant; sie ist es jetzt und sie war es in der Geschichte der Menschheit immer wieder. Die Astronomie und die Astrologie haben gemeinsame Wurzeln und lange Zeit gab es die Trennung der Disziplinen nicht. Die astrologische Deutung des Himmels war in der Vergangenheit auf ihre Weise ein genau so valider Versuch die Welt zu verstehen, wie es die astronomischen Beobachtungen waren. Nur ist eben einer dieser Versuche gescheitert und der andere nicht! Die Astrologie hat eine lange Geschichte und dabei die Welt durchaus beeinflusst. Die Menschen können und sollen über Astrologie Bescheid wissen, aber sie sollen es idealerweise auf dem Stand des aktuellen Wissens tun.
Wenn man diese Dokumentation nur für sich allein betrachtet, dann hätte ich mich vermutlich auch gar nicht bemüßigt gefühlt, diesen Text zu schreiben. Man kann diesem Thema sehr viel schlimmer begegnen als es hier geschehen ist. Aber es gibt zwei Aspekte, die die Sache dann doch besonders machen. Zum ersten die Tatsache, dass der ORF ein öffentlich-rechtlicher Fernsehsender ist. Hier erwartet man sich eine seriöse Auseinandersetzung mit dem Thema. Das gelingt dem ORF in vielen anderen Fällen auch sehr gut. Am gleichen Abend gab es eine Dokumentation über Verschwörungstheorien in Pandemie-Zeiten und die war absolut in Ordnung. Die Meinung derjenigen, die nicht an Corona glauben; die Impfung und Maßnahmen für einen fiesen Anschlag auf die freie Gesellschaft halten; die Bill Gates hinter allem vermuten, wurde nicht versteckt. Sie wurde sehr ausführlich dargestellt – aber eben auch durch Expertinnen und Experten entsprechend und dem Stand der Wissenschaft korrekt eingeordnet. Während der ganzen Dokumentation hatte man nie Zweifel daran, wie die Informationslage bei diesem Thema wirklich aussieht. Der ORF sendet hervorragende Formate, die sich mit den Fragen der Menschen zur Pandemie beschäftigen und sie seriös und verständlich beantworten. Selbst wenn es um Astrologie geht, findet man hier und da gute Beiträge (zum Beispiel am 3.1.2022 im “Magazin 1”).
Aber, und das ist der zweite Punkt: Dann kapituliert der Sender immer wieder komplett vor dem Sternenglauben. Beispiele fand man rund um den Jahreswechsel genug. Meistens in Zusammenhang mit Gerda Rogers. Sie ist DIE Astrologin in Österreich; alle kennen sie, egal ob man an die Astrologie glaubt oder nicht. Seit 30 Jahren (!) moderiert sie jeden Sonntag eine zweistündige Sendung auf Ö3 (einem Radiosender des ORF) und erklärt dort Anrufer:innen ihr Horoskop. Sie ist ebenso regelmäßigen in den Medien des Landes zu sehen und natürlich auch im Fernsehen. Irgendeine Art von kritischer Auseinandersetzung mit ihrer astrologischen Arbeit findet dort aber nicht statt. Ein Beispiel findet man in der Sendung “Burgenland heute”, in der ein immerhin 8minütiger Beitrag so beginnt:
“Wir schauen jetzt nach vorne, zum Jahr 2022 und versuchen herauszufinden, was das neue Jahr bringen wird, indem wir die Sterne befragen bzw. jene Frau, die die Sprache der Sterne beherrscht wie keine andere: Gerda Rogers. (…) Frau Rogers, das neue Jahr ist ein Jupiterjahr (…) was bedeutet denn das aus Sicht der Astrologie, ist das eine gute Voraussetzung?”
Und dann folgt ein langes Gespräch über das, was den einzelnen Sternzeichen angeblich für dieses Jahr bevorstehen wird. Zur Klarstellung: Das ist nicht irgendein Klatschmagazin oder eine Unterhaltungsshow. Das ist die offizielle Nachrichtensendung eines Bundeslandes! Dort, wo eigentlich das berichtet werden soll, was aus nachrichtenjournalistischer Sicht relevant ist. Entsprechende Auftritte von Gerda Rogers (und anderen Astrolog:innen) findet man immer wieder. Das wochentägliche Morgenmagazin des ORF (“Guten Morgen Österreich”) sendet jeden Mittwoch ein Wochenhoroskop, wo man das hört, was man sonst nur auf den Horoskopseiten der Boulevardblätter liest. Zum Beispiel (letzten Mittwoch):
“Steinbock: Liebesträume könnten wahr werden.”
Wenn die Horoskopseiten der Boulevardblätter so etwas machen: Ok. Das ist der Job von Boulevard. Wenn die Privatsender sowas senden: Ok, die sollen machen, was sie wollen und was erlaubt ist. Und Astrologie ist ja nicht verboten. Zum Glück; ich fordere nicht und würde nie fordern, dass die Astrologie verboten werden sollte! Abgesehen davon dass das nicht geht, wäre ein “Dummheitsverbot” vermutlich auch der schnellste Weg zur Abschaffung der freien Gesellschaft. Aber es geht hier nicht um Boulevardzeitungen und Privatsender. Sondern um einen gebührenfinanzierten öffentlich-rechtlichen Sender mit einem Bildungsauftrag. Es steht dem ORF nicht gut zu Gesicht, die Astrologie immer wieder so unkritisch zu präsentieren.
Und ja, die Menschen sollen natürlich glauben, was sie wollen. Wer gerne das Horoskop lesen möchte, soll das tun. Wer Geld für eine astrologische Analyse ausgeben will, soll das tun. Es gibt schlimmere Arten der Irrationalität als die Astrologie. Viele davon sehen wir gerade, wenn zum Beispiel irgendwelche “Querdenker” die Polizei angreifen, Gesundheitspersonal bedrohen oder die pandemischen Maßnahmen sabotieren. Aber Astrologie ist eben auch irrational und die Grenzen sind fließend. Wer zu weit in die Irrationalität der Astrologie abrutscht, kann durchaus irgendwo anders wieder rauskommen und sich im schlimmsten Fall unter Reichsbürgern, Verschwörungsgläubigen und Rechtsesoterikern wiederfinden.
Der ORF ist in so vielen anderen Bereichen in der Lage, wirklich gute journalistische Arbeit zu leisten. Ich würde mir wünschen, dass man das irgendwann auch auf dieses Thema ausweitet.
P.S. Ich sag es sicherheitshalber dazu: Ich bin KEIN Mitarbeiter des ORF. Mit den “Science Busters” trete ich zwar auch immer wieder in einer Fernsehsendung auf, die im ORF gezeigt wird. Ich arbeite deswegen aber nicht für den ORF. Die Sendung wird von einer Produktionsfirma produziert und der ORF sendet sie. Und selbst wenn ich ein Mitarbeiter des ORF wäre, dann würde meine Kritik vermutlich noch heftiger ausfallen.
P.P.S. Während ich diesen Text geschrieben habe, habe ich eine Anfrage eines öffentlich-rechtlichen Radiosenders – diesmal aus Deutschland – bekommen. Dort soll morgen eine Beitrag gesendet werden, in dem zuerst ein Astrologe 20 Minuten lang seine Sicht der Dinge darlegt und Fragen von Anrufer:innen beantwortet. Und ich sollte dann 20 Minuten lang die Sicht der Wissenschaft präsentieren und Anrufe beantworten. Das ist genau die Art von “false balance” die mir so auf die Nerven geht. Weswegen ich auch dankend abgesagt habe..
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