In den Medien wurde in den letzten Tage über eine Studie berichtet, die den CO2-Fußabdruck der astronomischen Forschung und Infrastruktur untersucht hat (“Estimate of the carbon footprint of astronomical research infrastructures”). Das interessiert mich natürlich; ich bin Astronom und ich beschäftige mich seit längerer Zeit auch intensiv mit der Klimakrise. Die Studie ist interessant; ein paar Dinge habe ich dann aber doch daran auszusetzen.
Die entsprechende Arbeit ist zwar erst am 21. März 2022 offiziell publiziert worden, war aber schon Anfang des Jahres als preprint frei verfügbar. Deswegen habe ich auch schon in einer Folge des Podcasts “Das Klima” ausführlich darüber gesprochen und verweise daher zuerst gerne mal darauf:
Ich will jetzt auch gar nicht noch einmal im Detail über die Ergebnisse der Studie schreiben; das kann man sich im Podcast anhören oder in Medienberichten lesen. Die Resultate können einen nachdenklich stimmen: Die Autor_innen kommen zu dem Schluss, dass sämtliche astronomische Forschungseinrichtungen pro Jahr knapp 20 Millionen Tonnen CO2 produzieren. In etwa so viel wie der gesamte Verkehr in Österreich. Pro Astronom und Astronomin macht das 36 Tonnen CO2 pro Jahr aus. Im Durchschnitt liegt die CO2-Emission pro Kopf in Österreich bei knapp 6,7 Tonnen pro Jahr (für 2020), in Deutschland bei 7,7. Weltweit beträgt die Pro-Kopf-Emission im Schnitt 4,5 Tonnen CO2 pro Jahr und es gibt tatsächlich nur ein einziges Land – Qatar – in dem die Pro-Kopf-Emission mit 37 Tonnen CO2/Jahr über dem der Astronom_innen liegt.
Die Astronomie ist also nicht sonderlich klimafreundlich. Aber das ist erstens keine Überraschung. Und zweitens fehlt hier für meinen Geschmack sehr viel Kontext. Dass die hohen CO2-Emissionen der Astronomie nicht überraschen, liegt daran, dass so gut wie alles was wir Menschen tun, jede Menge Treibhausgase erzeugt. Ansonsten hätten wir ja gar keine Klimakrise! Und den Kontext braucht es, um mit diesem Ergebnis vernünftig umgehen zu können.
Fangen wir damit mal beim Titel der Forschungsarbeit an: “Estimate of the carbon footprint of astronomical research infrastructures”. Das Konzept des “Carbon Footprint” oder des “CO2-Fußabdrucks” ist prinzipiell durchaus sinnvoll. Es ist gut zu wissen, wie viel CO2 man selbst, ein Haushalt, eine Firma etc produziert. Wenn man das nicht weiß, kann man auch keine Strategie zum Klimaschutz entwickeln. Das Konzept kann aber auch missbraucht werden, was auch passiert. Ursprünglich hat es sich aus der Idee des ökologischen Fußabdrucks entwickelt der sagt, wie viel Fläche notwendig ist, um einem Menschen dauerhaft einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen. Anfang der 2000er Jahre wurde nun der “CO2-Fußabdruck” von diversen eher klimaschädlichen Firmen wie BP zwar nicht erfunden, aber in Werbekampagnen massiv popularisiert. Die Menschen wurden aufgefordert, ihren CO2-Fußabdruck zu berechnen und eine “CO2-Diät” zu machen. Dahinter steckt natürlich das Ziel, die Verantwortung für die Klimakrise auf Einzelpersonen abzuwälzen. Das ist auch heute noch eine beliebte Strategie; da werden wir dann aufgefordert, den Fernseher nicht zu lange anzulassen, Energiesparlampen zu verwenden und so weiter um das Klima zu retten. Was eh alles gute Vorschläge sind. Aber so wie die Welt mittlerweile aussieht wird sich die Krise nur dann noch bewältigen lassen, wenn Politik und Wirtschaft endlich aufhören zu bremsen und nachhaltige, deutliche und tatsächlich auch effektive Maßnahmen und Gesetze umsetzen und zwar global koordiniert, gerecht und vor allem schnell.
Aber das führt uns jetzt vom Thema weg; es geht ja um die Astronomie. Und auch wenn man natürlich die konkrete Berechnung der CO2-Emissionen in der Astronomie kritisieren kann, bleibt als Resultat auf jeden Fall die Tatsache, dass die Forschung deutlich überdurchschnittlich viele Emissionen verursacht. Und hier braucht es jetzt den Kontext. 20 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr. Die globalen CO2-Emissionen für das Jahr 2021 lagen bei grob 36 Milliarden Tonnen CO2. Der Anteil der Astronomie beträgt also knapp ein halbes Promille. Entsprechende Vergleiche können natürlich immer nur grob sein (zumindest dann, wenn ich sie hier in meinem Blog und nicht im Rahmen einer umfassenden Forschungsarbeit mache); es gibt nicht für alles gute Zahlen. Aber wenn man sich die CO2-Emissionen verteilt nach Sektoren ansieht, dann macht da die Astronomie (die natürlich nicht explizit aufgeführt ist!) einen doch eher kleinen Teil aus. Was ist mit den CO2-Emission die zum Beispiel vom Militär verursacht werden? Die sind definitiv größer als die der Forschung.
Und es mag natürlich ein wenig populistisch sein, die Forschung gegen das Militär auszuspielen. Aber genau darum geht es am Ende: ALLES was wir Menschen tun, setzt Treibhausgase frei. Das werden wir auch in absehbarer Zukunft nicht komplett abschalten können. Wenn wir die CO2-Emissionen verringern wollen, dann müssen wir uns überlegen, wo wir das tun, wie wir das tun und warum wir das tun oder nicht tun sollten. Zu sagen: Die Astronomie ist so klimaschädlich, das reduzieren wir jetzt lieber mal – das wäre Unsinn. Und das sage ich nicht nur, weil ich Astronom bin. Ein Großteil der CO2-Emissionen in der Astronomie geht auf die Energie zurück – so wie gut drei Viertel der weltweiten Emissionen aus dem Energieverbrauch kommen. Dem Klima ist nicht geholfen, wenn die Astronomie jetzt aufhört, ihren vergleichsweise kleinen Anteil an Energie zu verbrauchen. Dem Klima wäre aber sehr wohl geholfen, wenn wir möglichst viel unserer Energieproduktion nachhaltig und klimafreundlich gestalten! Dann wird nicht nur die Astronomie klimafreundlicher sondern alles andere auch! Bei der Forschung zu sparen ist auch nicht sonderlich hilfreich, denn genau die liefert uns ja die Informationen über das Klima und die Klimakrise.
Fairerweise muss man natürlich sagen, dass die Autor_innen der Studie auch nicht gefordert haben, die Astronomie einzustellen. Sondern einfach nur den Status Quo evaluiert haben. Was absolut sinnvoll ist, nicht nur für die Astronomie. Jede Disziplin könnte sowas eigentlich machen; je mehr Daten desto besser. Man wird vermutlich zwar nur auf das kommen, was man schon weiß: Die Wissenschaft produziert viel CO2 weil die Leute ständig mit Flugzeugen zu Konferenzen fahren und dort wo man viel Infrastruktur (Teleskope, Laboren, etc) bauen muss, werden auch viele Treibhausgase frei. Aber dieses Wissen kann vielleicht Bewusstsein schaffen, ein paar Prozesse zu ändern, die es so nicht mehr braucht. Zum Beispiel: Konferenzen und Treffen sind wichtig, aber es sind vielleicht nicht alle wichtig und viel kann auch übers Internet erledigt werden. Solche Änderungen im System braucht es überall, von allen und nicht nur in der Wissenschaft. Aber es ist gut, wenn sich die Forschung bei diesem Thema auch selbst unter die Lupe nimmt. Insofern ist die Studie (und ähnliche frühere Arbeiten) eine sehr gute Sache. Aber die Wissenschaft kann das Klima nicht retten, wenn sie in Zukunft nur noch doppelseitig ausdruckt und alle mit dem Fahrrad zur Uni fahren. Ja, man kann durchaus darüber nachdenken, die Geschwindigkeit zu verringern, mit der wir neue Infrastruktur in der Wissenschaft bauen, wie die Autor_innen vorschlagen. Aber es ist ja nun auch nicht gerade so, als würden wir alle paar Monate irgendwo eine neue Sternwarte in die Gegend stellen!
Wenn die Wissenschaft zum Klimaschutz beiträgt, dann vor allem, wenn sie einfach ihre Arbeit macht und weiterhin unser Verständis der Welt verbessert.
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