So. Der Juni ist so heiß zu Ende gegangen wie der Juli weitergehen wird. Die Hitze hat mich aber nicht vom Lesen abgehalten. Deswegen kommt jetzt wie üblich der Überblick über alle Bücher, die ich im Juni gelesen habe.
Mobilität ist komplex
Tom Standage ist ein sehr guter Sachbuchautor. Solltet ihr irgendwo noch auf sein Buch “The Neptune File: A Story of Astronomical Rivalry and the Pioneers of Planet Hunting” (auf deutsch: “Die Akte Neptun: Die abenteuerliche Geschichte der Entdeckung des 8. Planeten”), dann greift unbedingt zu. Aber auch die anderen Bücher von ihm sind allesamt lesenswert. Sein aktuelles Werk heißt: “A Brief History of Motion: From the Wheel to the Car to What Comes Next” und auch das kann ich vorbehaltlos empfehlen.
Die Geschichte der Fortbewegung auf knapp 200 Seiten zu beschreiben ist eine Herausforderung, die Standage aber definitiv gemeistert hat. Man hat nicht das Gefühl, dass irgendwas fehlt; auch wenn natürlich zwangsläufig sehr viel fehlen muss. Wie der Untertitel nahelegt, konzentriert sich Standage auf die Arten der Fortbewegung, die mit Rädern o.ä. funktionieren. Also Karren, Kutschen, Fahrrädern, Autos, und so weiter. Flugzeuge, Schiffe, und der ganze Rest werden ausgelassen; bei der radbasierten Mobilität kriegt man aber einen Überblick, der auch viele sehr interessante Umwege nimmt. Es geht los mit der Erfindung des Rades mit jeder Menge archäologischer Fakten. Ein langer Teil des Buches widmet sich den Anfangen des Automobils und vor allem den vielen sozialen und politischen Umwälzungen, die dazu geführt haben, dass es sich so schnell so massiv durchgesetzt hat beziehungsweise den sozialen und politischen Folgen, die das Auto nach sich gezogen hat. Dass die Welt heute so aussieht wie sie es tut, haben wir durchaus auch dem Auto zu verdanken. Damit ist nicht nur die Umweltverschmutzung gemeint, sondern tatsächlich das Aussehen selbst. Städte wurden für Autos (um)gebaut, nicht für die Menschen; soziale Strukturen haben sich durch Autos verändert. Ich habe in dem Buch sehr viel Neues gelernt; zum Beispiel dass der Erfinder des Einkaufszentrums aus Österreich kam: Victor Gruen. Ohne Automobilität wären solche Gebäude komplett sinnlos gewesen und ihr Einfluss auf die Stadtplanung des letzten Jahrhunderts war dramatisch. Gruen selbst war alles andere als begeistert von dem, wozu sich seine Idee entwickelt hat und wurde später zu einem großen Gegner von Einkaufszentren und Gewerbegebieten. Ich habe auch gelernt, dass Autos eine sehr wichtige Rolle bei der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung gespielt haben; ohne sie hätten Martin Luther King und seine Mitstreiter:innen den durch Rosa Parks ausgelösten Busboykott von Montgomery, der entscheidend bei der Abschaffung der rassistischen Gesetz war, nicht durchhalten können.
Standage beschäftigt sich natürlich auch mit dem, was jetzt passiert und was kommen könnte: Mit all den Problemen, die Autos in den letzten Jahrzehnten geschaffen haben; mit neuen Formen der Mobilität – Car-Sharing, E-Scooter, autonome Autos, usw – und spekuliert, wie die Welt der Zukunft aussehen könnte, in der zwangsläufig sehr viel weniger Autos existieren müssen. Es ist ein wirklich hervorragendes Buch, das ich nur empfehlen kann.
Astronomie in Quarantäne
Ein Buch das “Quarantäne” (im Original: “Blind Lake”) heißt, assoziert natürlich in Zeiten der Pandemie ganz bestimmte Themen. In diesem Fall ist dieses Buch von Robert Charles Wilson aber schon fast 20 Jahre alt und hat mit Viren gar nichts zu tun. Es geht um Astronomie, zumindest zum Teil. Wilson erzählt die Geschichte der Mitarbeiter:innen eines geheimen Forschungszentrums in den USA die sich plötzlich und ohne weitere Erklärung von der Außenwelt abgeschnitten sehen.
In der Anlage von Blind Lake wird (intelligentes) außerirdisches Leben erforscht. Und zwar durch die direkte Beobachtung eines extrasolaren Planeten. Das geht in der echten Welt natürlich nicht; in der Welt des Buches wird dafür ein sehr fortschrittliches Teleskop verwendet, von dem niemand so genau weiß wie es funktioniert. Der bildgebende Algorithmus ist das Resultat von selbstlernenden Maschinen und zeigt den Forscher:innen im Detail, wie das Leben auf einem anderem Planeten abläuft. Man forscht also so vor sich hin; bis auf einmal alles unter Quarantäne steht. Keine Menschen und keine Informationen gelangen nach außen; nichts von draußen kommt herein. Und niemand weiß, was los ist. Aber man richtet sich in der Quarantäne ein, forscht weiter und im Laufe der Zeit wird alles ein wenig seltsam. Natürlich gibt es jede Menge persönliche Spannungen zwischen den Leuten. Aber auch bei den Aliens und den komischen Quanten-AI-Teleskopen läuft alles in eine immer mysteriösere Richtung. Ich will nicht Spoilern wohin das am Ende alles führt. Nicht dorthin, wohin ich beim Lesen dachte, das es führen würde. Aber das Ende war dann doch halbwegs befriedigend, selbst wenn man berücksichtigt, dass die Sache mit dem Teleskop bis zum Schluss nie wirklich erklärt wird.
“Quarantäne” ist kein Meisterwerk der Science Fiction, aber so für zwischendurch durchaus spannende Lektüre. Kann man durchaus lesen; gerade im Urlaub.
Comedy-Thriller funktionieren nicht
Das Buch “Schreib oder Stirb” von Sebastian Fitzek und Micky Beisenherz habe ich nicht gelesen, sondern gehört. Ich habe auf die Schnelle etwas zu hören gebraucht und dieses Hörbuch gab es in meiner App kostenlos zu einem anderen Kauf dazu. Ich habe von Fitzek bis jetzt noch nichts gelesen; von Beisenherz auch nicht, aber das Setting des Buchs – es geht um einen Literaturagenten und die Buchszene – fand ich zumindest tendenziell interessant genug um mir die Sache mal anzuhören. Große Literatur habe ich mir sowieso nicht erwartet, aber diese Mischung aus klassischem Thriller und Gags hat mich nicht überzeugt. Der Literaturagent wird vom Insassen einer psychiatrischen Anstalt aufgefordert, ein Buch über dessen Leben zu schreiben und es zu einem Beststeller zu machen (inklusive Millionenvorschuss). Nur dann würde er verraten, wo er ein kleines Mädchen gefangen hält. Und würde er sich weigern, würde er sein Leben zur Hölle machen. Nun ja – es passiert, was halt so passiert: Jede Menge Mord, Krimi, Gefahr und Thrill. Wendungen, Schock-Momente, und so weiter. Und dazwischen irgendwie wahllos eingestreute “Witze” die das alles nicht sonderlich besser machen. Die Geschichte ist spannend genug, dass man sie zu Ende lesen/hören will – aber auch nur dann, wenn man gerade nichts besseres zu tun hat. Wer Unterhaltung sucht, bei der man sich definitiv nicht anstrengen muss und keine sonderlich hohen Ansprüche hat, wird mit dem Buch zufrieden sein.
Immer noch Asimov
Langsam habe ich das Gefühl, es war ein Fehler, Anfang des Jahres mit der Lektüre von Isaac Asimov anzufangen. Ich wollte ja einfach nur wissen, wie werkgetreu die Verfilmung von “Foundation” ist (Antwort: Gar nicht). Aber diese Romanzyklen auf denen das alles basiert, nehmen irgendwie kein Ende!
Im Januar und Februar habe ich die ersten drei Bände des Foundation-Zyklus gelesen, Teil 4 im März und den fünften Teil im April. Im Mai habe ich dann mit dem ersten Teil des Roboter-Zyklus begonnen, der mit dem Foundation-Zyklus inhaltlich stark verwoben ist. Und damit habe ich im Juni weitergemacht.
Die Foundation-Bücher habe ich ja vor allem deswegen kritisiert, weil sie ein wenig langatmig waren und vor allem auf eine Art sexistisch, die auch damals als Asimov das alles geschrieben hat, eigentlich nicht mehr möglich sein hätte sollen. Das hat sich gegen Ende des Foundation-Zyklus ein wenig gebessert und in den Roboter-Büchern ist es deutlich besser geworden. Die Kurzgeschichten aus dem ersten Roboter-Band haben mir sehr gut gefallen; die folgenden Romane “Caves of Steel”, “The Naked Sun”, und “The Robots of Dawn” (auf deutsch: “Die Stahlhöhlen, “Die nackte Sonne” und “Der Aufbruch zu den Sternen”) noch mehr. Es sind im wesentlichen Krimis, nur dass sie eben in der Zukunft und Roboter eine wichtige Rolle spielen.
Es geht um den Polizisten Elijah Baley, der in einer der überdachten Mega-Städte der Zukunftserde lebt. Menschen – die “Spacer” – haben zwar schon andere Planeten besiedelt. Aber auf der Erde will man vom Weltraum nichts wissen; schon der Gedanken die überdachte Sicherheit der Stadt zu verlassen und auf der “nackten” Oberfläche rumzulaufen ist für die allermeisten unvorstellbar. Die Beziehung zwischen Erde und Spacern ist angespannt. Auch die Beziehung zwischen Menschen und Robotern, wobei letztere noch nicht sonderlich intelligent sind, aber trotzdem von den Erdlingen angefeindet werden. Baley kriegt die Aufgabe, den Mord an einem Spacer aufzuklären und bekommt dazu einen Roboter-Partner zur Seite gestellt; allerdings ein sehr fortgeschrittenes Modell das von einem Menschen kaum mehr zu unterscheiden ist.
Was dann passiert, kann man sich denken. Es gibt die üblichen Wendungen und das überraschende Ende. Und natürlich werden Baley und der Roboter sowas ähnliches wie Freunde. In den beiden anderen Bänden muss Baley dann – erschreckend für ihn – hinaus ins All und Mordfälle auf Spacer-Planeten aufklären. Auch das sind gut geschriebene Krimis in einem Sci-Fi-Setting. Und langsam entwickelt sich um die einzelnen Krimis herum die Rahmenhandlung, die am Ende die Ausgangsposition für die Foundation-Bücher liefern wird.
Mir haben die Roboter-Bücher bis jetzt besser gefallen als der Foundation-Zyklus. Aber schauen wir mal, wie das noch weiter geht. Asimov hat ja noch das eine oder andere Buch geschrieben…
Sommerlektüre
Das wars für Juni; im Juli mache ich Urlaub. Und bin wie immer für Hinweise zu guter Urlaubslektüre dankbar!
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