Raumsonde zerstört, Mission erfolgreich! Das könnte das Fazit sein, dass wir am frühen Morgen des 27. September 2022 ziehen. Wenn alles gut gelaufen ist, wird um 1.14 MESZ am 27.9.2022 die NASA-Raumsonde DART mit dem Asteroid Dimorphos zusammenstoßen und dabei komplett zerstört werden. Eine etwas komische Definition von “gut gelaufen”, könnte man meinen. In dem Fall ist es aber auch eine ganz besondere Mission. Wir probieren etwas, was noch nie zuvor probiert worden ist: Die Umlaufbahn eines Himmelskörpers absichtlich zu verändern!
Was ist das Ziel der Mission?
DART steht für “Double Asteroid Redirection Test” und das sagt eigentlich schon, worum es geht. Wir wollen die Bewegung eines Asteroiden so verändern, dass er eine andere Umlaufbahn hat als zuvor. Erreicht werden soll das durch eine gezielte Kollision: Die Raumsonde prallt auf den Asteroid und dadurch verändert sich dessen Geschwindigkeit. Und ich sage es gleich zu Beginn: Wir tun das NICHT, weil der Asteroid eine Gefahr für die Erde ist. Man muss keine Angst vor einem Asteroideneinschlag haben. Aber es ist zumindest nicht ausgeschlossen, dass irgendwann in Zukunft irgendein anderer Asteroid tatsächlich mal auf Kollisionskurs ist. Da wäre es dann gut, wenn wir wüssten, was wir tun. Und zum Glück wissen wir das! Es gibt jede Menge Ideen, wie man einen Asteroideneinschlag verhindern kann (siehe z.B diese Serie: Asteroidenabwehr: Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4, Teil 5 oder diese Podcastfolgen über Asteroidenabwehr: Teil 1 und Teil 2). Die Forscher:innen treffen sich auch regelmäßig, um solche Szenarrien ganz konkret durchzuspielen.
Aber man braucht eben nicht nur Ideen, sondern sollte so etwas am besten auch mal in der Praxis getestet haben. Und genau das ist das Ziel von DART. Wenn wir tatsächlich einmal vor der Aufgabe stehen sollten, die Kollision der Erde mit einem Asteroid zu verhindern, dann wäre es gut, wenn wir genau wissen was zu tun ist und vor allem wissen, dass das was wir tun auch funktionieren wird. Und dafür müssen wir es vorher ausprobiert haben.
Was ist geplant?
Am 24. November 2021 flog die Raumsonde DART ins All. Ihr Ziel ist Didymos, ein gut 800 Meter großer Asteroid, der sich zwischen den Umlaufbahnen von Erde und Mars bewegt. Genauer gesagt: Das Ziel ist Dimorphos, ein 170 Meter großer Brocken, der Didymos wie ein Mond umkreist. Der Abstand zwischen Dimorphos und Didymos beträgt 1,1 Kilometer und der kleinere Asteroid braucht gut 12 Stunden für eine Umkreisung.
Solche Doppelasteroiden sind nicht selten, ganz im Gegenteil. Und sie eignen sich besonders gut für das, was DART vorhat. Man könnte ja meinen, Asteroidenkollisionen verhindert man so, wie man das aus dem Kino kennt: Hinfliegen und mit Atombomben in die Luft sprengen! Aber das ist halt Kino… In echt würde man das nicht machen. Einen großen Asteroid bekommt man auch mit einer Atombombe nicht klein. Da kriegt man im Zweifelsfall nur einen ganzen Haufen Trümmer, die immer noch auf Kollisionskurs sind. Abgesehen davon würde es politisch auch eher schwer, solche Missionen vorab zu testen. Wer will schon gerne, dass die USA oder Russland mit Atombomben im Weltall rumexperimentieren.
Von den diversen praktikablen Methoden der Asteroidenabwehr ist diejenige am einfachsten, die als “kinetischer Impakt” bezeichnet wird. Dabei nimmt man irgendwas uns lässt es mit möglichst großer Wucht mit dem Asteroid kollidieren. Je nachdem wie man das macht, wird der Asteroid dadurch schneller oder langsamer. Und verändert dadurch dann entsprechend seine Umlaufbahn. Das “irgendwas” ist in diesem Fall die Raumsonde DART. Sie ist circa so groß wie ein Kühlschrank, knapp 600 Kilogramm schwer und soll mit gut 22.000 km/h auf den Asteroid treffen.
Wie gesagt: Nicht um Dimorphos zu zerstören. Ein 170 Meter großer Asteroid geht nicht so leicht kaputt, selbst wenn die NASA da ein 600 Kilogramm schweres Trumm drauf wirft. Es wird einen Krater geben – und hoffentlich eine messbare Änderung in der Geschwindigkeit. Und das ist auch der Grund, warum man den Versuch bei einem Doppelasteroid macht. Dimorphos braucht zur Zeit 11 Stunden und 55 Minuten für eine Runde um den größeren Didymos. Wenn die Mission erfolgreich verläuft, erwartet man sich eine Veränderung von mindestens ein paar Minuten. Das lässt sich vergleichsweise schnell überprüfen; man muss ja nach der Kollision nur ein paar Umläufe von Dimorphos beobachten und sieht dann schnell, ob und wie sich die Umlaufzeit verändert hat. Hätte man nur einen Einzelasteroid der alleine die Sonne umkreist, wäre es viel aufwendiger, hier eine Bahnänderung zu messen.
Was wird man sehen?
Na ja. Von DART nicht mehr so viel nach der Kollision. DART ist zwar mit einer Kamera ausgestattet, aber die wird ihr letztes Bild kurz vor dem Aufprall schicken. Danach sehen wir nix mehr. Beziehungsweise fast nichts. Eigentlich war die Mission als Kooperation zwischen ESA und NASA geplant. Die NASA sollte DART zur Kollision schicken; die ESA eine Sonde, die alles genau beobachtet. Aber dann hat die ESA beschlossen, dass das zu teuer ist und ihre Beteiligung abgesagt. Nur um ein paar Jahre später doch wieder mitmachen zu wollen. Das passiert jetzt auch und zwar im Rahmen des Hera-Projekts. Nur dass diese Sonde jetzt eben erst 2024 (voraussichtlich) starten und frühestens 2027 bei Dimorphos ankommen wird. Besser als nichts; auch ein paar Jahre nach der Kollision wird man da noch sehr viel erforschen können. Aber es wäre schon besser gewesen, wenn man den Einschlag direkt und live sehen kann. Den Job muss jetzt LICIACube übernehmen. Das ist ein Schuhkartongroßer Mini-Satellit der italienischen Weltraumagentur, der DART begleiten wird. Vor der Annäherung an Dimorphus trennen sich die beiden und LICIACube wird die Kollision aus circa 50 Kilometer Abstand beobachten. Grazie!
Bringt das was?
Rein physikalisch ist die Ausgangslage klar. Die Gesetze der (Himmels)Mechanik sagen uns sehr genau was passiert, wenn wir ein Ding auf ein anderes Ding werfen. Das müsste man eigentlich nicht testen. Das Problem ist die Beschaffenheit der Dinger. DART kennen wir, die haben wir selbst gebaut. Aber wir wissen nicht so gut, wie Asteroiden beschaffen sind. Zumindest nicht im Detail. Und wie sich bei einer Kollision verhalten. Asteroiden sind ja keine reinen, massiven Felsbrocken – sondern eher fliegende Geröllhaufen; zumindest vermuten wir das. Und da könnte es schwieriger sein sie vom Kurs abzubringen, als wir denken. Wenn wir DART in eine fluffige Masse aus lauter Sand und Steinen werfen, dann wird weniger Energie übertragen. Genau das müssen wir ausprobieren. Am Ende der Mission werden wir einen Messwert haben und damit viel besser verstehen können, wie die Asteroidenabwehr mit kinetischem Impakt funktioniert.
Ist das gefährlich?
Nein. Beziehungsweise nur für DART. Es besteht keine Gefahr, dass zum Beispiel der Asteroid so abgelenkt wird, dass er demnächst auf der Erde einschlagen wird. Es geht ja nur um die Bewegung des kleinen Asteroiden um den großen herum. Der wird – mit Dimorphos im Schlepptau – weiter seine Runden um die Sonne ziehen und dabei der Erde nicht gefährlich werden.
Kann man zusehen?
Es ist eine Mission der NASA, also: Natürlich! Auf der Homepage der NASA beziehunsgweise der DART-Seite wird es einen Livestream geben, aber eben nach mitteleuropäischer Sommerzeit mitten in der Nacht. Um 1:14 soll es soweit sein; sofern die Sonde den Asteroid nicht verfehlt. Denn auch das kann passieren. Aus Sicht von DART sind Dimorphos und Didymos erst knapp eine Stunde vor dem Aufprall als unterschiedliche Körper erkennbar und so schnell kann man eine so weit entfernte Sonde jetzt auch nicht steuern; die Signale brauchen gut 45 Sekunden von der Erde bis zur Sonde (und die gleiche Zeit wieder zurück).
Es ist zwar nicht damit zu rechnen, dass man Dimorphos verfehlt, aber möglich ist es.
Aber ich bin zuversichtlich, dass am frühen Morgen des 27. September 2022 das Signal zu DART plötzlich abreißt – und ausnahmsweise alle deswegen in Jubel ausbrechen!
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