Der Artikel ist Teil einer Serie zum Buch ”Die Himmelsscheibe von Nebra – Der Schlüssel zu einer untergegangenen Kultur im Herzen Europas”* von Harald Meller und Kai Michel. Die restlichen Artikel der Serie findet man hier.
——————-
Seit drei Wochen beschäftigt mich hier im Blog schon die berühmte “Himmelsscheibe von Nebra”. Absolut zu Recht, den dieses Artefakt aus der Bronzezeit ist absolut einzigartig und faszinierend. In den ersten 11 Teilen (Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4, Teil 5, Teil 6, Teil 7, Teil 8, Teil 9, Teil 10, Teil 11) dieser Serie ging es hauptsächlich um die Himmelsscheibe von Nebra selbst. Um den Fund dieses einmaligen astronomisch und archäologischen, 3600 Jahre alten Objekts; um die Analyse ihres astronomischen Inhalts, die Untersuchung ihrer Materialien und die mythologische Interpretation der Scheibe. Jetzt aber stellt sich die große Frage: Wer hat dieses Ding geschaffen? Und warum? Für die Antwort haben wir uns letzte Wochen schon die Menschen der “Schnurkeramiker” und der “Glockenbecherkultur” angesehen. Denn die scheinen im Zentrum des bisher unbekannten mitteldeutschen Reichs aus der Bronzezeit zu stehen, dass für die Himmelsscheibe von Nebra verantwortlich ist. Und das herausfinden zu können, müssen wir uns noch kurz mit dem beschäftigen, was man können muss, wenn man so etwas wie die Himmelsscheibe bauen will: Der Metallverarbeitung!
Wer hat den Namen Christian Jürgensen Thomsen schon mal gehört? Ich nicht, zumindest nicht bevor ich das Buch von Harald Meller und Kai Michel gelesen habe. Aber das von ihm erfundene “Dreiperiodensystem” kennen sicherlich alle: Die Einteilung der europäischen Vorgeschichte in Steinzeit, Bronzezeit und Eisenzeit. Nur ist die leider ein wenig irreführend. Vor allem, da man sich den “Wechsel” von einer Epoche in die andere nicht irgendwie revolutionär vorstellen darf. Das war kein “Heureka”-Moment, bei dem ein schlauer Steinzeitmensch auf einmal Bronze zusammenmischt und sich die neue Technologie von da an über die ganze Welt ausbreitet.
Die Entdeckung der Metallurgie war ein langsamer Prozess, der an unterschiedlichen Orten zu unterschiedlichen Zeiten stattfand und auch nicht mit dem Ziel, ein neues tolles Metall zu entwickeln. Die Menschen waren eher an den Farben interessiert. Gesteine sind bunt, je nach ihrer chemischen Zusammensetzung und wenn man die Steine zerreibt, dann kriegt man Pulver, mit denen man sich selbst oder andere Dinge bemalen kann. Kupfermineralien sind dabei, je nach dem was dort neben Kupfer noch enthalten ist, besonders vielfältig in ihren Farben. Und den Leuten ist damals sicherlich nicht nur das aufgefallen, sondern auch die Tatsache, dass man diese “Steine” unter Hitze gut verformen kann. Ebenfalls werden sie gemerkt haben, dass bestimmte Kupfererze härter (und damit besser als Werkzeug oder Waffe geeignet) sind als andere. Nämlich die, die Arsen enthalten – was damals natürlich niemand wusste. Es war halt einfach “besseres” Kupfer.
Und so wie man bei der Keramikherstellung mit verschiedensten Zusätzen experimentiert hat, um dem Ton unterschiedliche Farben und Eigenschaften gegeben zu haben, wird man auch bei der Kupferverarbeitung alles mögliche Zeug dazugeschmissen haben um zu sehen, was passiert. Als das erste Mal jemand dabei ein wenig Zinn zum Kupfer schmieß, hat das entstehende Metall vermutlich nicht unbedingt durch seine Härte beeindruckt. Die entstandene Bronze war jetzt nicht unbedingt besser als die Kupfer-Arsen-Mischung. Aber die Farbe! Hell gelb glänzend, wie Gold. Wie das Wissen über die Bronze nach Mitteldeutschland gekommen ist, ist unklar. Bisher ging man davon aus, dass es aus dem Orient nach Europa kam. Aber mittlerweile weiß man, dass es schon 2200 v. Chr. Zinnbronzen in Cornwall gegeben hat (also von dort, woher auch das Gold der Himmelsscheibe stammt) . Aber es gibt zu der Zeit keine Fundstücke irgendwo zwischen Vorderasien und England liegen. Entweder das Wissen kam per Schiff über das Meer. Oder man hat es in Cornwall unabhängig entdeckt.
Und wer hat sich damals in England rumgetrieben? Mit genetischen Analysen kann man das heute ziemlich gut rausfinden: 2400 v. Chr. kamen die Glockenbecherleute von den Niederlanden nach England. Genau die, die sich auch überall sonst in Europa ausgebreitet haben und damit sicherlich auch das Wissen über die Bronze. Nur: Kupfer gab es fast überall – Zinn aber damals fast nur in Cornwall. Es muss also damals ausgedehnten Fernhandel gegeben haben. Wer Bronze wollte, braucht Zinn. Und Zinn gibts in England. Und dort wo sich Handelswege kreuzen, werden die Menschen wohlhaben. In England war das die Wessex-Kultur, die sich immerhin den Ausbau von Stonehenge leisten konnte. Und in Mitteldeutschland war die Region um Leipzig und Halle ebenfalls ein Ort, wo sich die Wege zwischen Ost, West, Nord und Süd kreuzten. Und genau die Region wo auch die Himmelsscheibe gefunden wurde.
Meller und Michel merken in ihrem Buch übrigens noch an, dass sich auch heute dort noch wichtige Verkehrsknotenpunkte befinden. Das Schkeuditzer Kreuz zum Beispiel, das älteste Autobahnkreuz Deutschlands. Und ein großes Logistikzentrum von Amazon, die – wenn sicherlich auch nicht vorsätzlich – eine fast 4000 Jahre alte Tradition fortsetzen…
Jetzt ist die Bühne quasi bereitet. Und im nächsten Teil der Serie geht es dann um die neue Kultur, den neuen “Staat”, der in dieser reichen, vielfrequentierten Region Europas entstanden ist und die Himmelsscheibe hervor gebracht hat… *Affiliate-Links
Kommentare (12)