Ebenfalls aus aktuellem Anlass und einhergehend mit der Bitte, mich inskünftig mit theologischen “Argumenten” zu verschonen, gebe ich mein offizielles Statement zur Theologie ab und hoffe, mich darüberhinaus nicht mehr dazu äußern zu müssen.
Was ist eigentlich Theologie? Wiki sagt mir:
Theologie (gr. θεολογία theología, von θεός theós „Gott” und -logie) bedeutet übertragen „die Lehre von Gott” oder Göttern im allgemeinen, und im besonderen die Lehre vom Inhalt des (meist christlichen) Glaubens und den Glaubensdokumenten.
und um es noch weiter zu präzisieren
Die Endung -logie kommt vom griechischen λόγος (Transliteration: lógos), bedeutet „Wort”, aber auch „Lehre”, „Sinn”, „Rede”, „Vernunft” und bezeichnet in der Regel die Wissenschaft zu einem Gebiet.
Es gibt hier zunächst einen Widerspruch: entweder ist Theologie die Lehre oder die Wissenschaft von “Gott”. Da sich Wissenschaften im Allgemeinen mit existenten Gegenständen, zumindest aber doch solchen, deren Existenz nicht mit gutem Grund bezweifelt werden muß, befassen, wäre es wohl unvernünftig, der Theologie den Status einer Wissenschaft einzuräumen, da für die Existenz einer Gottheit (oder einer Teekanne o.ä.) bislang keinerlei Belege vorliegen und man nach Ockham demnach provisorisch davon ausgehen sollte, daß eine Gottheit gar nicht existiert. “Lehre” (oder Leere?) passt da also schon besser, denn alles, was über den hypothetischen Gegenstand der Theologie zu vermitteln wäre, ist erfunden und dann übernommen und überliefert und nicht experimentell ermittelt oder empirisch herausgefunden worden und kann daher nur gelehrt und kontempliert, nicht aber erfahren, gemessen, quantifiziert, belegt, eben reproduziert werden.
Ähnliches gilt für das jeweilige Hauptdokument der Theologie der drei großen monotheistischen Religionen: Bibel, Koran, Thora. Dafür, daß es sich dabei um durch eine übernatürliche Instanz “offenbarte” Bücher handelt, gibt es keinerlei Beleg. Damit sollten sie provisorisch als ganz normale Bücher aufgefasst werden, die Gegenstand der historischen und/oder Literaturwissenschaft sein mögen.
Wozu also braucht man die Theologie? Wie kann man sie rechtfertigen? Oder, wenn sie keiner Rechtfertigung bedarf, warum gibt es dann nicht auch Studiengänge in “Werwolfologie”, “Feenkunde”, “Klingonischer Philologie”, “Regionalwissenschaften Auenland” etc.? (Meine Kritik richtet sich übrigens nicht gegen diejenigen, die unter dem schäbigen Deckmantel der Theologie in Wirklichkeit Sozial- oder Geschichtswissenschaft, Psychologie, Ethnologie oder vergleichende Religionswissenschaft betreiben. Ich bedaure lediglich, daß sich diese Leute nicht zu ihren echten und eigentlichen Wissenschaften, deren Methoden sie schließlich einsetzen, bekennen.) Es ist schon beschämend und weist ein weiteres Mal auf die nicht vollzogene Trennung von Staat und Kirche hin, daß an deutschen Universitäten immer noch Theologie unterrichtet und also von Steuergeldern mitfinanziert wird. Hinzukommt, daß ausgerechnet die Kirchen ein breites Mitgestaltungsrecht der Curricula, Zulassungen etc. haben.
Die Kritik an der Theologie ist natürlich auch nicht neu. Zudem muß man beachten, welchen Aspekt man angreift, den Gegenstand der Theologie oder die Theologie selbst. Einleuchtend ist allerdings, daß die Theologie immer nur eine passive Verteidigung in Form von Versuchen der Entkräftigung oder Widerlegung der Argumente gegen sie unternehmen kann. Es ist ihr niemals gelungen, etwas neues hervorzubringen oder zu (er)schaffen, etwa, eine Hypothese zu entwerfen, die etwas zuvor Unverstandenes erklärt und nachträglich durch Evidenz gestützt wird oder die Vorhersage von Ereignissen ermöglicht, was ja eine Kritik an ihr mundtot machen könnte.
Manche sehen daher auch zwei “Arten” der Theologie: die apologetische und die substantive Theologie.
Erstere befasst sich versuchsweise mit der Frage der Realität Gottes. Ob man dort neue “Gottesbeweise” ersinnt oder tatsächlich auf der Suche nach Evidenz ist, die die Hypothese, derzufolge die jeweils gemeinte Gottheit existiert, stützt, entzieht sich zwar meiner Kenntnis. Soweit ich jedoch weiß, sind die Erfolge dieser Disziplin bislang eher überschaubar.
Die zweite Art der Theologie sieht einen Gott provisorisch als gegeben an und befasst sich mit den operationalen Konsequenzen, die folgten, wenn es einen Gott gäbe.
Ohne den Hauch einer Spur von Evidenz für die Existenz eines Gottes und einer ganzen Welt voll dagegen, ist damit die gesamte ‘substantive’ Theologie eben gerade nicht substantiv sondern wohl eher der Versuch, auf einer Glatze Locken zu drehen. Die Fürsprecher der Theologie sehen Wahrheit und Wirklichkeit grundsätzlich als optional und irrelevant (vielleicht gar als Zumutung?) an.
Es gibt von P.Z. Myers eine großartige Beschreibung und Ausführung zu der rhetorischen Volte, die für eine Verteidigung der Berechtigung der substantiven Theologie gerne geschlagen wird. Er nennt sie “Courtiers Reply” (“Antwort des Höflings”) und sie ist eine Ableitung der Argumentation der kaiserlichen Hofschranzen aus dem Märchen “Des Kaisers neue Kleider“, die voller Eifer und Inbrunst die Schönheit von des Kaisers nicht vorhandenen Kleidern besingen und Menschen, die nicht übereinstimmen bzw. gar einwenden, der Kaiser sei in Wirklichkeit nackt, verspotten, einschüchtern und mit autoritativen Argumenten angreifen.
Demnach verbitten sich Theologen gerne die Kritik an der Theologie oder theologischen Konzepten durch Nicht-Theologen mit dem Hinweis darauf, daß der Kritiker ja nicht wisse, wovon er spreche. Beispielsweise war einer der Hauptkritikpunkte gegen Dawkins’ “Gotteswahn“, daß Dawkins nicht über die notwendige theologische Ausbildung verfüge, um die Theologie und ihre Konzepte anzugreifen.
Ironischerweise verstehen viele Theologie-Befürworter das Argument aus der “Antwort des Höflings” dabei falsch, indem sie es als Versuch auffassen, Atheisten davon zu entschuldigen, sich nicht mit der Theologie zu befassen. Dabei ist es nämlich genau das Gegenteil: es richtet sich gegen die Theologen und weist daraufhin, daß umfangreiches Schwadronieren über entlegene Epiphänomene und spitzfindige Auslegungen von Dogmata Zeitverschwendung ist, solange man noch nicht einmal den Kern der Sache bewältigt, nämlich auch nur einen vernünftigen Grund, an einen Gott zu glauben, vorgestellt hat.
Und der kolossale Irrtum, daß durch den immer entrückteren, ephemereren und mit apologetisch-verstiegenen Arabesken bekränzten, wohlfeilem Schlausprech umhegten und bis zur Unkenntlichkeit zersophistizierten Popanz absconditus, den das Wirken der Theologen noch vom alten Mann mit Bart im Himmel übrig läßt, ein solcher Grund auch nur ein Iota näher in Reichweite wäre, ist so amüsant wie er exemplarisch für die fundamentale und rettungslose Gegenstandslosigkeit der Theologie ist.
Die Wirklichkeit ist, im Gegensatz zu Theologie und allen Religionen, eben nicht lediglich eine weitere Sichtweise der Welt – sie ist einfach nur die Wirklichkeit. Die Naturwissenschaft beschreibt sie und liefert dabei stetig greifbare Belege für ihre eigene Genauigkeit und Bedeutung. Die Theologie hingegen produziert nur Entschuldigungen für das Fehlen derselben. Theologie als kreißenden Berg, der eine Maus gebiert, zu bezeichnen, wäre also schon eine unverdiente Hommage… sie ist vielmehr eine kreißende Maus, bei der doch am Ende nur ein kleiner Küttel rauskommt, denn die Theologie erfindet und preist in der Tat des Kaisers neue Kleider, beschreibt sie in feinstem Detail, kennt jede ihrer Falten, poliert, zählt und benennt ihre Knöpfe, kämmt ihr Garn, kontempliert jeden Saum, jede Bordüre, füllt ihre Taschen mit Gold, bürstet hingebungsvoll ihren Samt und zankt gar unter sich darüber, wie man ihre Farbe nennen sollte und ob der Schneider Katholik oder Protestant war.
Und im Gegensatz zum Märchen mögen sogar die Kleider real sein… nur eben der Kaiser nicht.
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