Übrigens bin ich auch privat schon oft mit den durch überreichlichen CSI-“Produkte”-Konsum comichaft entstellten Auffassungen konfrontiert worden. Besondere…äh… “Lowlights” sind Gespräche, in denen die folgende Frage-Antwort-Konstellation vorkommt:
Frager: Aber Ihr macht doch… [Beschreibung eines mir unbekannten, bizarren Vorgangs, an dessen Ende man aus irgendeinem Grund den Fall gelöst hat]
Ich: Nein.
Frager: Echt nicht?
Ich: Nein.
Frager: Aber es ist doch so daß… [Beschreibung eines angeblichen Sachverhalts bei forensischen Ermittlungen, von dem ich noch nie gehört habe]
Ich: Nein.
Frager: Jetzt echt nicht?
Ich: Nein.
Frager: Aber bei…
Ich: CSI?
Frager: Genau!
Ich: Ich muß weg!
Eine Absicht dieses Blogs ist es, ich wiederhole mich da gern, den Versuch zu unternehmen, angesichts des allgemeinen, großen Interesses an Forensik/CSI, das ja den CSI-Effekt überhaupt zur Folge hat, den „Schwung”, den dieses Interesse generiert, zu nutzen, um vielleicht ein paar Interessierte in die „echte” Welt herüberzuziehen und sie zu überzeugen, daß diese, auch ohne Rumballern, Sci-Fi-Maschinen und schnelle, eindeutige Antworten in 10 Minuten genauso spannend und besser ist, als die Fiktion:
Es ist ein tolles Gefühl, wenn man (zwar wenig telegen und still am Schreibtisch sitzend) ein DNA-Profil aus einer Mischspur analysiert und beim Einfügen des letzten Allels plötzlich sieht: „Ha! Passt! Hab ich Dich!” und weiß, daß man damit gerade den Schlüssel für die Überführung eines Verbrechers geschaffen hat. Es ist spannend und herausfordernd, aus einem verdächtig aussehenden Gewebestück, das ein Fußgänger im Wald gefunden hat und das schon so verfault ist, daß man es seiner Form nach nicht mehr zuordnen kann, DNA zu isolieren, zu sequenzieren, zu vergleichen und dann erleichtert festzustellen, daß es nicht zu einer zerstückelten und heimlich verstecken menschlichen Leiche, sondern nur zu einem Wildtier aus dem Wald gehört hat. Es ist haarsträubend, wenn es gelingt, aufgrund eines leisen Verdachts der Eltern eines kranken Kindes, im letzten Moment eine Probenverwechslung, die in der Klinik passiert ist, nachzuweisen und dem Kind so eine schwere und gefährliche OP zu ersparen. Es ist abgefahren, bei einer Exhumierung einen Knochen auszugraben und daran festzustellen, ob der seit vielen Jahren Bestattete der Vater einer heute über 70 Jahre alten Frau war. Es ist schräg, einer 19-Jährigen, die zweieiige Zwillinge bekommen hat, für die zwei Männer als Väter in Frage kamen, mitzuteilen, daß beide Männer Väter je eines Kindes sind… Und dies sind nur Episoden aus der Routine, die Forschung, die wir betreiben ist mindestens genauso interessant und wichtig.
Hier ist das (übersetzte) Fazit aus dem Artikel von Durnal:
“Der CSI-Effekt, wie er sich heute darstellt, ist ein weitreichendes Phänomen in unserem Strafjustizsystem. Er beeinflusst alle Teile und Stationen eines Krimnalprozesses, angefangen mit dem Zeitpunkt, zu dem ein Verbrechen entdeckt wurde bis zum Tag, an dem der Täter verurteilt wird, auf positive und negative Weise. […] In der Tat ist es unsere Gesellschaft, der es gefällt, sich diese sexy, smarte und allwissende Person* vorzustellen, die auf unserer Seite steht und für uns arbeitet, sollte es zu falschen Anschuldigungen kommen. Der CSI-Effekt ist sehr real. Er mag nicht jeden Richter oder Geschworenen/Schöffen auf eine bestimmte Weise beeinflussen, aber er hat ganz sicher einen Einfluss auf das Strafjustizsystem als Ganzes.”
Ich würde mich daher freuen, ein wenig mithelfen zu können, einen „guten” CSI-Effekt zu begründen, der dazu führt, daß das Wissen um die echten Verfahren und Methoden der Forensik, ihre Möglichkeiten aber und vor allem auch ihre Beschränkungen, allgemein zunimmt und vielleicht beginnt, die „Flausen”, die im Moment noch die Vorherrschaft haben, auszutreiben.
*danke für diese treffende Charakterisierung! 😉
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Literatur:
K.Dowler, T.Fleming, S.Muzzatti, Constructing crime: media, crime, and popular culture, Canadian Journal of Criminology and Criminal Justice 48(6) (2006): 837-850.
Durnal EW. Crime scene investigation (as seen on TV). Forensic Sci Int. 2010 Jun 15;199(1-3):1-5.
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