“Vom CSI-Effekt wird in der Jurisprudenz der USA gesprochen, wenn die Auswirkungen kriminologischer Fernsehserien auf das Verhalten sowohl von Geschworenen als auch Verbrechern untersucht werden.
Der Begriff bezeichnet den Umstand, dass die Geschworenen an US-Gerichten seit Mitte der 1990er Jahre, beeinflusst durch zahlreiche, die Forensik thematisierende, Fernsehserien wie CSI: Den Tätern auf der Spur, verstärkt auf forensische Beweise pochen und beim Fehlen ebendieser eher geneigt sind, Angeklagte für unschuldig zu befinden, oder aber, wenn die Beweise gegen den Angeklagten sprechen, ihn unter Missachtung weiterer Umstände schuldig sprechen.” Quelle: wikipedia
Es gibt bereits diverse Artikel zu diesem “Problem” selbst in den forensisch-wissenschaftlichen Fachzeitschriften (s.u.) und ich weise auch die Studenten in der Vorlesung, besonders die Juristen, immer auf das Phänomen hin. Noch spielt dieser Effekt zwar vor allem in den USA eine Rolle, doch auch hierzulande dürfte inzwischen die Marktsättigung mit Serien, Filmen sowie Sach- und Fiction-Büchern erreicht sein und angesichts der ungebrochenen Faszination, die dieses Thema genießt, ist es fraglich, wie lange es noch dauern wird, bis auch in deutschen Gerichten die Sachverständigen (also wir Forensiker) mit den (tele)medial verzerrten Auffassungen der professionellen Prozessbeteiligten, denn, das zeigen die Studien, auch diese sind vom CSI-Effekt betroffen, zu kämpfen haben werden. Die Darstellung der forensischen Wissenschaften in den Medien suggeriert ja, daß mit den zu Gebote stehenden modernen Methoden fast alle Verbrechen aufklärbar seien, wodurch den Forensikern eine mit der Wirklichkeit kaum korrelierbare Bringschuld zugeschoben wird.
Dabei ist die Kluft zwischen Fiktion und Realität gerade in Deutschland besonders groß: Forensiker finden sich in Deutschland vor allem in den Landeskriminalämtern und den rechtsmedizinischen Instituten. Viele rechtsmedizinische Institute sind jedoch von Schließung bedroht , oder wurden bereits geschlossen, stets sind die Mittel knapp und häufig die Ausrüstung veraltet und unzureichend (zu den „mörderischen” Folgen davon wird es einen eigenen Post geben).
In den wissenschaftlichen Anschein erweckenden und vermeintlich realistischen Forensik-Sendungen hingegen werden die CSI-Ermittler inmitten eines Parks modernster Maschinen und Techniken stets als coole, über den Dingen stehende und jeder Situation gewachsene Detektive dargestellt, die sich um die teils astronomischen Kosten ihrer “Lösungswege” nicht scheren (müssen).
Dies generiert eine stark verzerrte Wahrnehmung und damit Erwartungshaltung gegenüber der Forensik und blendet zudem aus dem öffentlichen Bewußtsein aus, daß forensische Wissenschaft vor allem (zugegeben visuell unglamouröse) Forschung bedeutet. Das ist ein nicht unerhebliches Problem, weil sich so auch die Notwendigkeit unserer Forschung, der sich überhaupt und einzig der durchaus geschätzte Erfolg unserer Disziplin, auf die sich die Justiz immer stärker verläßt, verdankt, schwer vermitteln läßt.
Viele Forensischen Wissenschaftler haben wegen zu schwacher Personalbesetzung vor lauter „Routine” gar nicht genug Zeit, um noch gute Forschung zu betreiben und die Drittmittelförderung dafür läßt auch zu wünschen übrig. Es ist eine triviale Beobachtung, daß das und die immer stärkere Bedrängung und Beschneidung von rechtsmedizinischen Instituten, der in Deutschland fast einzigen Orte, an denen forensisch-biologische Forschung stattfindet, auf die Dauer dazu führen wird, daß die Modernisierung und Verbesserung der forensischen Techniken und Methoden ins Hintertreffen gerät und das dürfte in niemandes Interesse sein. Wer es für sinnvoll und anstrebenswert hält, daß Verbrechensaufklärung und damit auch Opferschutz auf dem höchsten technischen und wissenschaftlichen Niveau betrieben wird, der müsste eigentlich notwendig zugleich die Förderung der forensischen Forschung für wichtig halten. Ironischerweise bleibt es oft beim Konjunktiv…
Ebenfalls ironischer- aber auch besorgniserregenderweise machen sich Kriminelle, indem auch sie vom CSI-Effekt “betroffen” sind, durchaus die in diesen Sendungen kolportierten Brosamen wissenschaftlicher Kenntnisse zunutze: Seit in CSI-Sendungen immer wieder dargestellt wird, wie wichtig DNA-Beweise bei der Aufklärung von Straftaten und beim Überführen von Tätern sind, aber auch, wie man solche möglicherweise hinterlassenen Spuren vernichtet, indem ein Mörder, der genau das tut, gezeigt bzw. nachträglich darüber diskutiert wird (um einen Grund zu haben, ein „neuartiges” Science-Fiction-viele-bunte-Lichter-Verfahren, das sich einer der Akteure „schnell mal” ausdenkt und mit dem es trotzdem noch gelingt, den Fall zu lösen, zu rechtfertigen), ist es zu einem von den Ermittlungsbehörden bemerkbar häufigeren und offenbar gezielten Einsatz von DNA-zerstörenden Chemikalien an Tatorten von Kapitaldelikten gekommen, wodurch in vielen Fällen tatsächlich die Sicherung von brauchbaren DNA-Spuren verhindert oder stark erschwert wurde.
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