Die erste Serie (Forensische Genetik) ist noch gar nicht abgeschlossen, da beginne ich schon die zweite. Sie heißt „Basics” und ich werde darin immer mal wieder ganz wichtige methodische oder biologische Grundlagen erklären, die wir in Forschung und Anwendung benötigen.
Die erste Folge beginnt mit einer absolut fundamentalen Technik, die die Molekularbiologie revolutioniert hat, wie nichts zuvor: die Polymerase-Kettenreaktion (PCR).


Erfunden hat sie, angeblich bei einer nächtlichen Autofahrt und angeblich mit einem gerüttelt Maß an Lysergsäurediethylamid (LSD) im Blut, Kary Mullis, der dafür absolut verdientermaßen mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde (was ihn offenkundig nicht davor bewahrt hat, daß Teile seines Hirns durchgeschmort sind, woraufhin er heutezutage rumläuft und schlimmen Unsinn erzählt). Aber der Reihe nach. Hier eine kurze Timeline:

  • 1970: Kjell Kleppe kommt auf die Idee, DNA mit flankierenden Primern zu vervielfältigen („Studies on polynucleotides. XCVI. Repair replications of short synthetic DNA’s as catalyzed by DNA polymerases” Kleppe et al.; J.Mol.Biol. 1971); damit stammt die zentrale Idee der PCR gar nicht von Mullis
  • 1983: K. Mullis „erfindet” die PCR („Specific synthesis of DNA in vitro via a polymerase-catalyzed chain reaction” Mullis; Methods in Enzymology, 1987)
  • Mullis erhält 10.000$ Prämie für seine Erfindung, deren Patent später für 300.000.000$ verkauft wird (ja, so gehen sie mit uns Naturwissenschaftlern um 😉
  • 1992: Mullis erhält den Nobelpreis in Chemie für die Erfindung der PCR
  • 2011: Datenbanksuche ergibt: Hunderttausende Arbeiten, für die an/mit PCR geforscht wurde (und ich behaupte mal, daß in jedem molekularbiologischen Labor dieser Welt mindestens ein „PCR-Gerät” steht)

Aber was tut denn nun die PCR und was ist so toll daran?
Die PCR ist eine Methode zur gezielten Amplifikation (Vervielfachung) von DNA-Abschnitten. Fertig. So einfach und so grandios. Toll daran ist, daß man seit der PCR keine „Materialmangelprobleme” mehr hat. Man kann einen beliebigen DNA-Abschnitt nahezu beliebig oft kopieren und muß sich nach der Amplifikation weder mit der sperrigen Gesamt-DNA einer Zelle, noch mit der Einschränkung, daß „zu wenig” DNA vorhanden ist, herumschlagen. Der Name „Kettenreaktion” ist dabei durchaus angebracht, denn es findet tatsächlich eine exponentielle Anreicherung statt, bei der in jeder neuen „Kopierunde” die soeben gemachten Kopien als Matrizen für neue Kopien fungieren. Als Illustration für exponentielle Vermehrung benutze ich gerne die „Schachlegende”:

Der indische Herrscher Shihram tyrannisierte seine Untertanen und stürzte sein Land in Not und Elend. Um die Aufmerksamkeit des Königs, ohne seinen Zorn zu entfachen, auf seine Fehler zu lenken, schuf der weise Brahmane Sissa, Dahers Sohn, ein Spiel, in dem die wichtigste Figur, der König, ohne Hilfe anderer Figuren und Bauern nichts ausrichten kann. Der Unterricht im Schachspiel hat auf Shihram einen starken Eindruck gemacht. Er wurde milder und ließ das Schachspiel verbreiten, damit alle davon Kenntnis nähmen
Um sich für die anschauliche Lehre von Lebensweisheit und zugleich Unterhaltung zu bedanken, gewährte er dem Brahmanen einen freien Wunsch. Dieser wünschte sich Weizenkörner: Auf das erste Feld eines Schachbretts wollte er ein Korn, auf das zweite Feld die doppelte Menge, also zwei, auf das dritte wiederum doppelt so viele, also vier und so weiter. Der König lachte und war gleichzeitig erbost ob der vermeintlichen Bescheidenheit des Brahmanen. Als sich Shihram einige Tage später erkundigte, ob Sissa seine Belohnung in Empfang genommen habe, musste er hören, dass die Rechenmeister die Menge der Weizenkörner noch nicht berechnet hatten. Nach mehreren Tagen ununterbrochener Arbeit meldete der Vorsteher der Kornkammer, dass er die Menge Getreidekörner im ganzen Reich nicht aufbringen könne. Auf allen Feldern zusammen wären es 2 hoch 64 oder 18.446.744.073.709.551.616 Weizenkörner.

aus Wikipedia

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Hier gibt es also einen exponentiellen Zuwachs an Weizenkörnern und man sieht, zu welch astronomischen Werten ein solcher Zuwachs nach überschaubar kurzer Zeit (hier 63 „Kopierrunden” oder Zyklen) führt.
(Übrigens: astronomisch in der Tat, denn, aneinandergelegt würden die Weizenkörner eine Länge von ca. 9,7 Lichtjahren haben).

Die meisten PCRs werden „nur” mit um die 30 Zyklen betrieben. Dennoch hätte man, selbst wenn man mit nur einem Ausgangsmolekül beginnen würde, nach 30 Zyklen bereits über 1 Milliarde Kopien. Das gilt aber nur, wenn wirklich in jedem Zyklus eine vollständige Verdoppelung erfolgt und das wird in der Realität nicht erreicht. Dennoch ist die PCR effizient genug, um ausreichend Kopien des gewünschten DNA-Abschnitts für jede folgende Untersuchung zu produzieren.
Es ist also kaum möglich, die Bedeutung der PCR zu überschätzen (und meiner unbedeutenden Auffassung nach gehört die PCR genauso zur Allgemeinbildung, wie zu wissen, wer das Penicillin entdeckt hat). Um die PCR aber zu verstehen, muß man begreifen, was in ihren „Zyklen” abläuft. Sehen wir uns also die Phasen eines Zyklus’ im Detail an:

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Denaturierungsphase
DNA ist ein doppelsträngiges Molekül. Die Informationen der beiden Stränge liegen im nativen Zustand „aufeinander” und man kann sie in diesem Zustand so wenig „lesen”, wie zwei Buchseiten, die aufeinanderliegen. Erst durch Aufblättern (Buch) bzw. Denaturieren (DNA) kommt man an die Information heran. Um DNA zu denaturieren, also die DNA-Stränge einer Doppelhelix voneinander zu trennen, muß man viel Energie aufwenden, da die Helixstruktur sehr stabil ist. Die vollständige Trennung von genomischer, doppelsträngiger DNA bedarf einer Temperatur von ca. 95°C für ca. 10 Minuten (in späteren Zyklen kann man diese Dauer stark verkürzen, weil dann fast nur noch die viel kürzeren, kopierten DNA-Abschnitte vorliegen).

Annealingphase
In dieser Phase werden die DNA-Abschnitte, die vervielfältigt werden sollen, „markiert” oder „abgesteckt”. Dies geschieht durch einen der wichtigsten Bestandteile jeder PCR, den sog. „Primer”. Ein Primer ist ein sehr kurzes Stückchen DNA, das aus ca. 18-20 DNA-Bausteinen (Nukleotiden) besteht und das man bei Biotechnikfirmen in selbst bestimmter Zusammensetzung für wenig Geld herstellen lassen kann.

Hier machen wir einen kleinen Exkurs: es ist wichtig, sich noch einmal klarmachen, daß jeder der beiden Einzelstränge die gleiche Information enthält, nur eben in komplementärer Form. Man könnte sagen, der eine ist auf englisch, der andere auf deutsch. Sie sind also nicht identisch, aber man kann die Information auf dem einen vollständig aus dem anderen ableiten und umgekehrt. Eine Kopie eines Abschnitts der DNA zu machen, bedeutet also, immer beide Stränge zu kopieren und kopiert wird immer in der „anderen Sprache”. Also an der Vorlage des „deutschen” Strangs (1) wird immer ein kopierter Strang in „Englisch” (2) hergestellt. Die Herstellung selber, also den Vorgang des Kopierens, übernimmt ein Enzym, die sogenannte DNA-abhängige DNA-Polymerase (DNA-Pol.), ein Kopierenzym, das eine DNA-Matrize benötigt, um daran wieder DNA herzustellen. Nun fängt aber eine DNA-Pol. nicht einfach an zu kopieren, sobald sie irgendwo eine einzelsträngige DNA „bemerkt“, sie benötigt eine Art „Lesezeichen”, eine klar markierte Stelle, an der sie anfangen kann.

Und genau hier kommen die Primer, die als solche Lesezeichen fungieren, ins Spiel: ein Primer ist immer komplementär zu einem Ende des DNA-Abschnitts auf einem Strang, den man vervielfältigen möchte. Dabei ist der Primer, der als Startpunkt für die Kopie des „englischen” Strangs dient, auf „deutsch” (entspricht also in seiner Nukleotidabfolge einem kurzen Stück des anderen „deutschen” DNA-Strangs) und vice versa. Und jetzt kommt der Clou: das „Raussuchen” der Stelle, also des DNA-Abschnitts, den man vervielfältigen möchte, übernehmen die Primer. Man bedenke: die DNA besteht aus ca. 3,2 Milliarden Buchstaben (das entspricht einer Bibliothek mit ca. 8000 Büchern zu je 1000 Seiten!) und man sucht einen Abschnitt von z.B. 400 Buchstaben (eine typische Größe für PCR-Produkte). Was einen Menschen Wochen kosten würde, schaffen die Primer in Sekunden. Hieraus ergibt sich auch die Länger der Primer. Ab einer Länge von ca. 16 Nukleotiden kommt diese spezielle Abfolge von Nukleotiden (wenn sie nicht gerade hochredundant ist) statistisch gesehen nur ein einziges Mal im Genom eines Menschen vor. Wäre ein Primer kürzer, wäre die Wahrscheinlichkeit groß, daß er nicht (nur) an der gewünschten Stelle, sondern (auch noch) an anderen „zufällig” passenden Stellen binden würde. Primer sind daher immer mindestens 16 Nukleotide lang, meist etwas länger um sie noch spezifischer zu machen. Sie dürfen aber auch nicht zu lang sein, da sie sonst zu lange brauchen, um vollständig an ihre Zielsequenz zu binden.
In der Annealingphase wird die Temperatur abgesenkt auf einen Wert, der vom Primer (Zusammensetzung und Länge) abhängt, aber meist in etwa um die 55-60°C liegt. Bei dieser Temperatur lagern sich die langen DNA-Stränge (1 und 2) noch nicht wieder zusammen, aber die kurzen Primer (1 und 2) finden die komplementäre Bindestelle in „ihrem” DNA-Strang und binden daran. Jetzt kann das Kopieren beginnen.

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Elongationsphase
Neben der DNA-Vorlage (meist genomische DNA) und den Primern befindet sich auch DNA-Pol. im Reaktionsgemisch. Diese benötigt, wie gesagt, ein freies DNA-Ende, um mit ihrer Arbeit beginnen zu können und diese Enden bieten die Primer ihr an. Die Orientierung des Primers (Pfeilspitze) gibt ihr auch die Richtung vor, in der sie kopieren muß, sie kann also nicht in die „falsche” Richtung kopieren. Die DNA-Pol. setzt am richtigen Ende des Primers an und beginnt von dort aus, eine Kopie des Vorlagenstrangs anzufertigen. Das gleiche passiert auf dem anderen der beiden DNA-Stränge. Die Elongationsphase läuft dabei bei der optimalen Arbeitstemperatur für die DNA-Pol ab. Diese liegt bei den „modernen” Polymerasen meist bei um die 72°C. „Moderne” DNA-Polymerasen haben die Durchführung der PCR stark vereinfacht, denn sie stammen aus hitzeresistenten Organismen (z.B. dem Bakterium Thermus aquaticus, abgekürzt „Taq”) und werden durch die Denaturierungstemperatur von 95°C nicht zerstört, wie z.B. die menschliche DNA-Polymerase. Das hat den großen Vorteil, daß man nicht mehr, wie früher, als man noch keine „Taq-Polymerase” hatte, nach jeder Denaturierungsphase die zerstörte Polymerase ersetzen muß, was Zeit und Arbeit spart und das Kontaminationsrisiko drastisch senkt.
Die Elongationsphase muß so lange dauern, wie die Polymerase braucht, um den Ziel-DNA-Abschnitt zu kopieren. Man rechnet etwa 1 Minute pro 1000 Basenpaare (Buchstaben).
Am Ende der Phase liegen also Kopien der Ziel-DNA-Abschnitte vor, in die die Primer eingebaut wurden und die wiederum die Bindestelle für den jeweils anderen Primer enthalten, die also als Vorlagen für einen neuen Zyklus geeignet sind. Die Kopien bilden nun wieder einen Doppelstrang mit der Vorlage, der zugleich als Ausgangssituation für den nächsten Zyklus dient.

Zusammenfassung eines Zyklus’:

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Dann wird denaturiert (95°C) und danach beginnt:

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Danach wird die Temperatur erhöht (72°C) und die Elongation beginnt.

 

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Und noch einmal: Denaturierung, dann Temperatur senken…

 

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Und noch einmal: die Temperatur wird erhöht und die Elongation läuft ab.

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Und so weiter. Nach etwa 30 Wiederholungen ist ausreichend Produkt entstanden und die PCR ist fertig.
Das Coole ist, daß sich die drei Phasen von „außen” nur durch die Temperatur, der man das Reaktionsgemisch aussetzt, unterscheiden. Genau das ermöglicht es auch, die PCR in sog. Thermocyclern, also programmierbaren, sehr schnell aufheizenden und abkühlenden „Mini-Öfen” durchzuführen.

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Vorher pipettiert man ein vollständiges Reaktionsgemisch zusammen. Es besteht aus

  • Puffer (eine wäßrige Lösung von bestimmten Salzen, z.B. Magnesiumchlorid (MgCl2), die eine optimale „Umgebung” für die Polymerase bietet)
  • zwei Primern
  • Nukleotiden (die Bausteine der DNA, aus denen die Polymerase einen neuen DNA-Strang synthetisiert)
  • DNA-Vorlage (die DNA, die den zu vervielfältigenden Abschnitt enthält)
  • DNA-Polymerase

und ein typisches Endvolumen ist 25 – 50 µl. Dann stellt man es in den vorprogrammierten Thermocycler, startet das Programm und kann die PCR sich selbst überlassen. Eine PCR mit 30 Zyklen dauert so nur ca. 2-3 Stunden. Und so sieht das Thermoprofil einer klassischen PCR aus:

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Ich begnüge mich hier mit den Grundlagen der PCR. Es gibt dicke Bücher, die sich nur mit PCR, ihrer Optimierung, ihren Beschränkungen und Varianten befassen. Ein spannendes Thema ist zum Beispiel die Effizienz einer PCR. Wie schon erwähnt, wird in der Praxis nie eine Effizienz von 100% erreicht. D.h. nur theoretisch verläuft die Amplifikation gemäß der Formel

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mit
Xn = Menge des Amplifikates nach n Zyklen
X0 = Ausgangsmenge
n = Anzahl der Zyklen
Der realistische Wert ist

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wobei E für die Effizienz der PCR steht, die zwischen 0 und 1 liegen kann und für einige PCR-Varianten ist die genaue Kenntnis der Effizienz entscheidend. Wovon die Effizienz einer PCR abhängt und wie sie gemessen werden kann, wäre zwar mindestens einen eigenen Beitrag wert, ist aber für das Verständnis der PCR nicht entscheidend.

Warum erzähle ich das alles überhaupt?
Die PCR (in ihrer „Standard”-Ausführung aber auch in vielen verschiedenen Varianten) ist auch für die forensische Genetik absolut zentral und unverzichtbar. Durch die PCR war es möglich, die unzureichende RFLP-Methode früherer Tage durch die aktuell gebräuchliche STR-Methode (hierzu später mehr) zu ersetzen. Nur dadurch können wir heute DNA hochgenau quantifizieren und selbst aus den minimalen Spuren an manchen Tatorten noch genug Ziel-DNA-Abschnitte herstellen, um daraus ein DNA-Profil zu erzeugen.

__________

Literatur:
„Eine Nachtfahrt und die Polymerase Kettenreaktion” Spektrum der Wissenschaft, Juni 1990

„PCR” von Clive R. Newton und Alex Graham

„PCR – Polymerase-Kettenreaktion. Das Methodenbuch” von Hans-Joachim Müller

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Kommentare (39)

  1. #1 Claudia
    04/04/2011

    Großartig erklärt und auch für den interessierten Laien sehr gut verständlich, ohne anspruchsarm zu sein. Voll gut, Herr Doktor! 🙂

  2. #2 Markus
    05/04/2011

    Wunderbar geschrieben.
    Eine Frage allerdins tauchte auf…
    Wird den immer 100% Kopiert oder ist da auch eine Fehlertoleranz drinne? Falls es diese Toleranz ist. Ist diese vernachlässigbar??

    Grüsse

  3. #3 Cornelius Courts
    05/04/2011

    @Markus: “Wird den immer 100% Kopiert oder ist da auch eine Fehlertoleranz drinne? Falls es diese Toleranz ist. Ist diese vernachlässigbar??”

    Sehr gute Frage! Die Genauigkeit des Kopiervorgangs ist in der Tat sehr hoch, aber nicht 100%. Die unterschiedlichen, kommerziell erhältlichen Enzyme unterscheiden sich z.B. in ihrer Fehlerquote. Die klassische Taq-Polymerase ist z.B. nicht besonders genau. Fehlerquoten können, je nach Reaktionsbedingungen bei 1 Falscheinbau pro 1000-10.000 Basenpaaren liegen. Andere Enzyme, z.B. die pfu-Polymerase sind wesentlich genauer, aber auch langsamer und teurer.
    Man muß sich also immer VORHER überlegen, welche Polymerase man für seine PCR einsetzen will. Wenn es sehr wichtig ist, exakte, fehlerfreie Amplifikate zu bekommen, so sollte man eine entsprechend geeignete Polymerase verwenden.

  4. #4 Chris
    05/04/2011

    Und, um es noch mal ganz deutlich zu betonen. Dieser Prozess dauert. Und es eben nicht, wie bei CSI & Co. im Fernsehen zu sehen, Flüssigkeiten pipettieren, Deckel (der Zentrifuge!) zu machen und den Täter aus dem Drucker holen.
    Die vervielfachte DNA muss dann auf ein Gel aufgetragen werden oder andersweitig analysiert werden…. (aber sind vermutlich die nächsten Teile der Serie 😉 )

  5. #5 Stefan
    05/04/2011

    was mich an der PCR gestört hat, war das Gel und Ethidiumbromidgepansche.
    Und wenn ich jetzt in Wikipedia lese.

    “Untersuchungen der Abteilung Arbeitssicherheit der Universität Freiburg haben gezeigt, dass die in Labors üblichen dünnwandigen Einmalhandschuhe aus Latex bereits nach sehr kurzer Zeit von Ethidiumbromid durchdrungen werden ”

    Wird mir nachträglich noch schlecht.

  6. #6 Sascha
    05/04/2011

    “Ab einer Länge von ca. 16 Nukleotiden kommt diese spezielle Abfolge von Nukleotiden … statistisch gesehen nur ein einziges Mal im Genom eines Menschen vor. Wäre ein Primer kürzer, wäre die Wahrscheinlichkeit groß, daß er nicht (nur) an der gewünschten Stelle, sondern (auch noch) an anderen „zufällig” passenden Stellen binden würde.”
    Was hindert den 16 Nukleotiden Primer daran mit nur einem Teil seiner zwei Enden (Zum Beispiel den letzten 3 oder ersten 5) an sehr vielen passenden Stellen haengen zu bleiben und auch die DNA-Pol dort kopieren zu lassen (oder schaut die DNA-Pol irgendwie nach ob die gesamte Primer Laenge gebunden ist?)?

  7. #7 rka001
    05/04/2011

    Nein, die DNA-Pol schaut nur auf das 3-OH-Ende. Wenn hier etwas schiefgeht (Mismatches beispielsweise), ist oft die PCR kaputt. Primerspezifitäten sind ein ganzes Buch. In beiden Richtungen, sowohl was ungewollte Kreuzreaktivität, oder unspezifisches Annealing angeht. Sekundärstrukturen (also zB Primer, die an sich selbst binden, oder an den Gegenprimer) können einen ebenfalls die PCR versauen. Aber man kann in der PCR eine ganze Menge rumspielen, um die Hybridisierungsstringenz zwischen Primern und ZielDNA zu manipulieren. Vor allem die Temperatur ist extrem wichtig, denn DNA-Hybridisierungen gehorchen natürlich dem chem. Gleichgewicht. Unspezifische oder Teil-hybridisierungen gehen halt auch schnell wieder kaputt, wenn man die Temperatur aufdreht.
    Was die Fehlerrate angeht, das hängt streng vom Ziel ab. PCR für “Klonbüchereien”, die man später sequenzieren will, oder für den Transfer von Genen zwischen verschiedenen Organismen sollte man tunlichst mit einem sogenannten Proofreader (also DNA-Pols mit eingebauter Korrekturfunktion) machen. Interessiert mich das Amplikon gar nicht, weil ich beispielsweise eine quantitative (q)PCR machen will, genügt eine billige Polymerase.

  8. #8 Cornelius Courts
    05/04/2011

    @Stefan: “Untersuchungen der Abteilung Arbeitssicherheit der Universität Freiburg haben gezeigt, dass die in Labors üblichen dünnwandigen Einmalhandschuhe aus Latex bereits nach sehr kurzer Zeit von Ethidiumbromid durchdrungen werden ”
    Wird mir nachträglich noch schlecht.”

    Völlig richtig. Deswegen sind bei EthBro auch Nitril-Handschuhe angesagt.
    Es muß auch nicht mehr unbedingt EthBro sein, es gibt weniger giftige SYBR-Farbstoffe inzwischen

    @allgemein: was rka001 da andeutet, ist sehr richtig: Primerdesign, die Berechnung der exakten Schmelztemperatur (wofür es zig verschiedene Ansätze gibt), Vorhersage und energetische Einschätzung möglicher Sekundärstrukuren (also Schleifen, “Haarnadelstrukturen” etc., die ein Primer mit sich selbst oder dem Gegenprimer ausbilden kann) sind die höheren Weihen der PCR und auch darüber gibt es ganze Bücher und Computerprogramme zur Bewältigung. Aber wie gesagt: das ist nicht nötig, um das Prinzip der PCR zu verstehen.

  9. #9 rka001
    05/04/2011

    Ich hab das grad etwas salopp ausgedrückt, was die Fehlbindungen an den jeweiligen Enden eines Primers angeht. Generell gilt: Fehlbindungen (Mismatches) am 3-OH (das ist das Ende, wo die Polymerase an”dockt”) sind deutlich schlimmer als solche am 5-PO4-Ende. Sind beispielsweise ab diesem Ende gezählt die Basen 1-15 bombensicher an der Zielregion gebunden, könnten dahinter auch eine Reihe von Fehlbindungen hintereinander kein Problem darstellen. So kann man zB an seine spezifischen Primer noch Basenfolgen “kleben”, die Erkennungsstellen für bestimmte Enzyme (“Restriktionsenzyme”) darstellen. Somit erhält das PCR-Produkt an beiden Enden diese Erkennungsstellen, was eine Vielzahl von Möglichkeiten in der Weiterverarbeitung des Produktes eröffnet.
    Andererseits können einzelne Mismatches in der Nähe zum 3-OH-Ende auch unproblematisch sein, wenn der Rest stabil bindet. Auch hier bieten einem die PCR-Parameter (Temperatur, Salzgehalt im Reaktionspuffer, Menge der eingesetzten Primer) Möglichkeiten, Mismatching zu verbieten oder sogar zu erlauben. Beispielsweise in der Pathogendiagnostik oder dem Screening von bestimmten Genen in Umweltproben kann das eine Rolle spielen.

  10. #10 CCS
    05/04/2011

    “Dieser Prozess dauert. Und es eben nicht, wie bei CSI & Co. im Fernsehen zu sehen, Flüssigkeiten pipettieren, Deckel (der Zentrifuge!) zu machen und den Täter aus dem Drucker holen.”

    https://www.phdcomics.com/comics.php?f=1156 😉

    Also bei der Ethidiumbromidangst bin ich mir immer unsicherer. Es scheint wirklich der Stoff zu sein, vor dem “der deutsche Biologe” Angst hat, obwohl man ja so mit einigem Zeug herumpanscht. Ich kann da nur diesen Abschnitt aus dem Experimentator (ein ausgezeichnetes Buch über die Methoden der Molekularbiologie, sogar als Bettlektüre geeignet) empfehlen:

    https://books.google.de/books?id=vW07qhAzdfcC&pg=PA63&lpg=PA63&dq=m%C3%BClhardt+ethidiumbromid&source=bl&ots=nC-ChlaaBA&sig=A91CQuAZYHlL0Vm8noHpdRc03Xo&hl=de&ei=nSabTdGEO4jBtAbQlqTABg&sa=X&oi=book_result&ct=result&resnum=1&ved=0CBkQ6AEwAA#v=onepage&q&f=false

    Mir fehlt bis heute das Paper, das die Permeation von EtBr durch Handschuhe untersucht. Ich kenne nur diese Untersuchung aus Freiburg, auf die sich jeder beruft. Außerdem ist eine kanzerrogene Wirkung nicht nachgewiesen, oder? Bei Bakterien mutagen zu sein scheint es ja, wenigstens das 😉

    Oh, wie immer sehr schöner Artikel! Reiche ich vielleicht mal an meine Eltern weiter *g*

  11. #11 Cornelius Courts
    05/04/2011

    @CCS: Zustimmung. Panikmache vor EtBr ist nicht nötig. Vorsicht (wie bei jeder giftigen Chemikalie) schon. Ist ja kein Problem, vorsichtshalber Nitrilhandschuhe anzuziehen und benutzte Plasticware in den Sondermüll zu geben. Nicht rumkleckern wäre auch ‘ne gute Idee und dann passt das schon alles. 🙂
    Schönen Gruß an die Eltern 😉

  12. #12 Sebastian R.
    05/04/2011

    Dass Ethidiumbromid karzinogen wirken kann, habe zumindest ich schon in meinem Bio-Grundstudium gelernt, schliesslich kann es an die DNA interkalieren. Ich weiß jetzt bloß nicht mehr, ob an die große oder kleine Furche. Man muss sich ja auch nur mal die Betriebsanweisung von EtBr angucken. Da steht dann u.a.

    – sehr giftig T+, umweltgefährdend N, mutagen; (blockiert die RNA-Synthese)
    – Latexhandschuhe sind für Arbeiten mit Ethidiumbromid völlig ungeeignet, da die Durchdringungszeit des Ethidiumbromids selbst in stark verdünnten wässrigen Lösungen nur im Sekundenbereich liegt. Beim Umgang mit Ethidiumbromid sind daher nur noch Schutzhandschuhe aus Nitrilkautschuk zu tragen.

    Wenn man allerdings sauber arbeitet, sollte der Umgang damit kein Problem sein. Zudem gibt es ja auch noch zich andere giftige Stoffe, die Molekularbiologen benutzen. Eine SDS-Page ist nämlich auch nicht ohne.

  13. #13 Mamasliebling
    05/04/2011

    Sehr gute Frage! Die Genauigkeit des Kopiervorgangs ist in der Tat sehr hoch, aber nicht 100%. Die unterschiedlichen, kommerziell erhältlichen Enzyme unterscheiden sich z.B. in ihrer Fehlerquote. Die klassische Taq-Polymerase ist z.B. nicht besonders genau. Fehlerquoten können, je nach Reaktionsbedingungen bei 1 Falscheinbau pro 1000-10.000 Basenpaaren liegen. Andere Enzyme, z.B. die pfu-Polymerase sind wesentlich genauer, aber auch langsamer und teurer.

    Welche Auswirkung hat das auf ein DNA-Gutachten, das zu einer Verurteilung eines Straftäters führen könnte?

  14. #14 Cornelius Courts
    06/04/2011

    @Mamasliebling: “Welche Auswirkung hat das auf ein DNA-Gutachten, das zu einer Verurteilung eines Straftäters führen könnte?”

    Keine, da erstens alle Untersuchungen unabhängig voneinander wiederholt werden (und solche PCR-Artefakte sich an der selben Stelle nicht wiederholen) und zweitens reine Falscheinbauten keinen Einfluss auf das Ergebnis hätten (das wäre nur bei längenverändernden Deletionen/Insertionen der Fall, die so gut wie nie auftreten und wenn dann in der Wiederholung auffielen).
    Zudem benutzen wir natürlich high-end-Polymerasen mit proof-reading.

  15. #15 Dave
    06/04/2011

    das hät ja ruhig ma vor der bio abiklausur kommen können… ich erinner mich düster an die frage “3. Erklären sie die PCR”

  16. #16 CCS
    06/04/2011

    Sebastian R.:
    Mutagen ungleich karzinogen! Meines Wissens ist eben nur bei Bakterien die Mutagenität nachgewiesen worden. Falls du da andere Informationen (mit Quelle) zu hast, immer her damit!
    Und zur Durchdringung von Latex kenne ich eben auch nur diese nicht sehr wissenschaftliche Untersuchung aus Freiburg. Nur weil es anscheinend immer wieder durchgekaut wird, wird es dadurch auch noch nicht richtiger.
    Ich kann mich auch nur dem letzten Absatz im Experimentator und CC anschließen: Sicherheitshinweise einhalten, aber keine Panik schieben, wie es ja anscheinend viele machen.

    Bei der SDS-PAGE hast du natürlich völlig recht. Acrylamid ist schlimmes Zeug, das nachgewiesenermaßen karzinogen wirken kann. Trotzdem sehe ich da (Achtung, anekdotisch) viel weniger Angst in meinem Umfeld.

  17. #17 Matthias
    06/04/2011

    “Auf allen Feldern zusammen wären es 2 hoch 64 oder 18.446.744.073.709.551.616 Weizenkörner.”

    Wenn ein Schachbrett 64 Felder hat und auf dem ersten Feld nur 1 Weizenkorn liegt, müssten es dann nicht insgesamt 2^63 + 1 Weizenkörner sein? 😉

    Eine tolle Erklärung zu der PCR, habe das in der Schule bereits einmal im Leistungskurs gehört, aber dein Artikel ist ja ziemlich umfangreich und erörtert (gerade auch durch die Kommentare) völlig neue Aspekte. 🙂

  18. #18 Cornelius Courts
    07/04/2011

    @CCS: “Mutagen ungleich karzinogen!”

    Da muß ich, als ehemaliger Krebsforscher, ein CAVE anbringen:
    natürlich führt nicht jede Mutation zur malignen Transformation (also Krebsentstehung), aber jede Substanz, die ein Mutagen ist, ist auch ein potentielles Karzinogen.
    Beispiel: das gute Benzpyren aus dem Tabakrauch ist “nur” hochmutagen und eine Zigarette führt daher auch (meist) nicht zur Krebserkrankung. Aber wenn man sich genug davon reinzieht, klappt es irgendwann.
    Daher meine Empfehlung, sich so gut es geht von Mutagenen fernzuhalten.

  19. #19 Sebastian R.
    07/04/2011

    @CSS:

    Mutagen ungleich karzinogen!

    Das stimmt, aber wie Cornelius schon sagt, bist du nicht weit weg von karzinogen. Erst letztens gab es eine Publikation, die im Mausmodell nachgewiesen hat, dass genau eine Mutation Krebs auslösen kann. Der Regelfall ist 2-3. Das Risiko, dass also irgendwann einmal Krebs ensteht, wenn du mit Ethidiumbromid rumsaust, ist nicht gering! Du hast aber recht, bisher wurde die krebserrregende Wirkung von EtBr beim Menschen noch in keiner Studie direkt nachgewiesen, aber man weiss trotzdem, dass es an die DNA interkaliert und das reicht mir schon vom Wissen her, damit sauber umzugehen. Panikmache ist natürlich nicht angebracht, da, wenn man sauber arbeitet alles kein Problem ist.

    Weitere Quellen zu dem Thema:

    The mutagenic properties of DNA minor-groove binding ligands

    Executive Summary Ethidium Bromide

  20. #20 Bibliothekar
    07/04/2011

    Und, immer Passend zum Thema:

    der PCR-Song

  21. #21 CCS
    08/04/2011

    Ich wollte das Risiko nicht herunterspielen, ich hoffe, das kam nicht so herüber. Danke für die Links, der zweite geht nicht, ich nehme an, das hier war gemeint?

    https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/8781582

    Das ist ja das tolle an Mutationen: Sie erhöhen das Risiko für Krebs, aber eine Garantie ist schwer zu erlangen 😉
    Da kann man jahrzehntelang rauchen und keinen Krebs bekommen, aber IM MITTEL gibt es eben mehr von Lungenkrebs Betroffende unter den Rauchern als unter den Nichtrauchern.

    Okay, ich merke gerade, es ist doch recht Offtopic geworden, ich höre jetzt auf 🙂

  22. #22 Sebastian R.
    08/04/2011

    @CCS: Ja, genau das Paper meinte ich. Du, hör bloß nicht auf zu reden! Ich finde es klasse, wenn eine Diskussion mit einem THema anfängt und man so pö a pö auf andere Themen zu sprechen kommt! Rauchen ist echt eine fiese Sache. Dazu muss man sich einfach mal die Informationen beim Krebsinformationsdienst anschauen. Da stehen Sachen wie

    In Deutschland sind bei Männern vermutlich neun von zehn, bei Frauen mindestens sechs von zehn Lungenkrebserkrankungen auf das aktive Rauchen zurückzuführen

    Dies gilt aber auch für viele andere Krebsarten.

  23. #23 Cornelius Courts
    10/04/2011

    @Sebastian:

    “Rauchen ist echt eine fiese Sache”

    WORD!!!

  24. #24 Thilo
    14/04/2011

    mathias: Wenn ein Schachbrett 64 Felder hat und auf dem ersten Feld nur 1 Weizenkorn liegt, müssten es dann nicht insgesamt 2^63 + 1 Weizenkörner sein?

    Nein, man hat ja die Summe aller Zweierpotenzen von 1 bis 2^63, und die Summe ist tatsächlich 2^64-1.

  25. #25 CCS
    15/04/2011

    Man könnte es ja auch als 2^0 (=1) bis 2^63 beschreiben, dann hat man es in einer durchgängigen Schreibweise.

    Haarspalterei: Bei der PCR ist es allerdings ein wenig anders als beim Schachbrett, da die “Körner” des letzten Feldes (also die Genkopien) ja für den aktuellen Schritt mitverwendet werden. Daher hätte man dann unter optimalen Bedingungen nach 64 Zyklen “nur” 2^64 Kopien und nicht mehr.

  26. #26 Cornelius Courts
    15/04/2011

    @CCS: “Haarspalterei”

    und um das Haar noch tiefer zu spalten: es entstehen ja auch in jedem Zyklus nicht nur die gewünschten, links und rechts durch die Primer begrenzten Amplifikate, sondern immer auch “Intermediärprodukte”, die von der genomischen DNA angefertigt werden und auch letztere liegt in jedem Zyklus als Matrize vor 🙂

  27. #27 Theres
    15/04/2011

    Okay, rauchen ist schlecht und die Rechnung habe ich ebenfalls verstanden, aber …
    zu

    Die vollständige Trennung von genomischer, doppelsträngiger DNA bedarf einer Temperatur von ca. 95°C für ca. 10 Minuten

    Warum erhitzen? Gäbe es dafür nicht Enzyme, oder geht es um Verunreinigungen, die bei diesen Temperaturen ausgeschaltet werden?

  28. #28 Gluecypher
    16/04/2011

    @Cornelius Courts

    Ummm…mal ein paar Verständnisfragen.

    Wenn man die Doppelhelix denaturiert, werden doch wohl Einzelstränge verschiedener Länge gebildet,oder? Wie stark unterscheiden sich die verschiedenen Bruchstücke in der Länge und welchen Einfluss hat die Länge der Abschnitte auf die spätere Untersuchung?

    Im Artikel steht, dass man 2 Primer verwendet. Fischt man damit nicht nur einen bestimmten Abschnitt der DNA aus dem Kuddelmuddel? Oder werden mehrere verschiedene (Nicht-komplementäre) Primer verwendet? Also AAGTCCGGTT und CCTTTGAGATCTC und TTACAGTAGATC (mit den jeweilgen komplementären Primern natürlich) und……. um das ganze gentische Material sicher zu vervielfältigen?

    Wie variable sind denn die DNA-Abschnitte, an die die Primer andocken? Ich meine, wenn man sich gezielte Abschnitte aussucht und Primer dafür spezifiziert, könnten die Abschnitte sich nicht selbst verändert haben, so dass man keine Stelle mehr für die Primer hat, um anzudocken?

    Ansonsten: wie immer sehr gut erklärt, so dass auch ein Werkstoff-Fuzzi das kapieren kann.

  29. #29 Cornelius
    16/04/2011

    @Theres: man KÖNNTE statt der Erhitzung auch Helicasen, SSB-Proteine und all die weiteren Komponenten, die in der lebenden Zelle (in vivo) einsetzen, um die DNA zu entwinden, aber erstens ist es extrem schwierig, solch aufwendigen Enzymkomplexe in vitro gezielt zum Einsatz zu bringen, es ist teuer, geht nicht schnell genug und ist nicht “radikal” genug, weil nicht sicher ist, daß nach der Zeit, die man dafür ja einräumen müßte, auch wirklich alle Doppelstränge denaturiert sind. Ein weiteres Problem ist, daß die Helicasen ja auch aktiv sind, wenn die Polymerasen gerade arbeiten und dann gibt es einen “war of enzymes”, den man nicht wirklich brauchen kann 😉
    Also: erhitzen! 😉

    @Gluecypher: “Wenn man die Doppelhelix denaturiert, werden doch wohl Einzelstränge verschiedener Länge gebildet,oder?”

    Nein. Stell Dir den DNA-Strang einfach als zwei Hälften vor, die auseinanderfallen

    “Im Artikel steht, dass man 2 Primer verwendet. Fischt man damit nicht nur einen bestimmten Abschnitt der DNA aus dem Kuddelmuddel?”

    Ja, und das ist ja auch der Sinn der Sache. In den meisten Fällen will man genau einen bestimmten Abschnitt vervielfältigen und den Rest gerade nicht. Es gibt die Möglichkeit, zu “multiplexen”, wobei man mehrere Primerpaare gleichzeitig nutzt (darüber werde ich in meiner Serie zur For. Genetik noch berichten), aber auch da ist es so, daß ein Primerpaar genau einen Bereich amplifiziert

    “Oder werden mehrere verschiedene (Nicht-komplementäre) Primer verwendet? Also AAGTCCGGTT und CCTTTGAGATCTC und TTACAGTAGATC (mit den jeweilgen komplementären Primern natürlich) und……. um das ganze gentische Material sicher zu vervielfältigen?”

    Oh, jetzt nähern wir uns den vielen Varianten der PCR. Es gibt PCRs mit sog. denaturierten Primern. Das sind Primer mit variabler Sequenz (und daher dann auch nicht nur zwei), die man benutzt, wenn man die Bindestellen für die Primer nicht genau kennt. Z.B., wenn man ein Gen für ein Protein amplifizieren möchte, auf die Primerbindingsites aber nur von der Proteinsequenz rückschließen konnte (Stichwort: degenerierter genetischer Code).
    Aber auch die Vervielfältigung des gesamten Genoms kann man bewerkstelligen (WGA: whole genome amplification) und auch dabei verwendet man keine normalen Primer.

    “Wie variable sind denn die DNA-Abschnitte, an die die Primer andocken? Ich meine, wenn man sich gezielte Abschnitte aussucht und Primer dafür spezifiziert, könnten die Abschnitte sich nicht selbst verändert haben, so dass man keine Stelle mehr für die Primer hat, um anzudocken?”

    Die Stellen sind so variabel, wie alle Stellen in der DNA (außer Mutations-Hotspots, in die man besser keine Primer legen sollte), es gibt eine Mutationswahrscheinlichkeit für jedes Nukleotid, doch die ist verschwindend gering. D.h. meist klappt alles problemlos, aber es kann dennoch mal passieren, daß man Primer-Bindestellenmutationen hat und der Primer daraufhin nicht mehr funktioniert, ja.

  30. #30 Theres
    16/04/2011

    @Cornelius
    Ah, danke und die Fachworte fehlten mir. Das Prinzip habe ich, glaube ich, verstanden, wie fein. Jetzt ab zu Wiki 🙂

  31. #31 Gluecypher
    16/04/2011

    @Cornelius

    TNX

    Und bitte genauso weitermachen.

  32. #32 Tina
    12/08/2011

    mir ist eine Sache noch immer unklar:
    Woher weiß man, welche Stelle der DNA untersucht werden muss um zB einen vermeintlichen Täter zu überführen?
    Und woher wissen die Primer, an welcher Stelle sie binden sollen? Ich habe gelesen, dass die Primer speziell hergestellt werden können um dann genau an der gesuchten Stelle der DNA zu binden.
    Ich hoffe auf Antworten, denn diese Fragen hängen mir nach. Irgendwo habe ich einen Denkfehler….

  33. #33 Cornelius Courts
    15/08/2011

    @Tina: “Woher weiß man, welche Stelle der DNA untersucht werden muss um zB einen vermeintlichen Täter zu überführen?”

    Durch Forschung. Es war Alec Jefferys, der erstmalig herausfand, daß sich bestimmte DNA-Abschnitte, die sog. “Minisatelliten” in ihrer Länge bei vielen Menschen unterscheiden. Heutezutage benutzt man andere DNA-Bereiche (an denen nach wie vor aktiv geforscht wird), die “Microsatelliten” und wenn Du mehr wissen willst, könntest Du hier weiterlesen: https://www.scienceblogs.de/bloodnacid/2011/04/forensische-genetik-short-tandem-repeats-und-dnaprofile.php

    “Und woher wissen die Primer, an welcher Stelle sie binden sollen? ”
    Sie “wissen” es natürlich nicht, im kognitiven Sinn, aber sie sind komplementär zu den Stellen, an denen sie binden sollen, d.h., sie passen (wie Schlüssel zum Schloss) exakt auf den DNA-Bereich, an dem die PCR starten soll (schau noch einmal hier: https://www.scienceblogs.de/bloodnacid/2011/05/basics-die-dna.php ). Damit sie genau die dafür notwendige Basenabfolge haben, kann man man sie, gemäß Deiner korrekten Annahme
    “Ich habe gelesen, dass die Primer speziell hergestellt werden können um dann genau an der gesuchten Stelle der DNA zu binden. ”
    genau so herstellen, wie man sie benötigt.
    Also, obwohl die Primer nicht “wissen”, wo sie hin müssen/sollen, binden sie dennoch an die richtige Stelle, weil es energetisch günstiger ist, als an eine falsche Stelle zu binden (auch dazu steht hier mehr: https://www.scienceblogs.de/bloodnacid/2011/05/basics-die-dna.php ). Du mußt Dir die Komponenten einer PCR als in irrsinnig schneller, erratischer Bewegung gegeneinander vorstellen, so daß die Primer “zufällig” an der richtigen Stelle der DNA vorbeikommen und dann dort “kleben” bleiben, sehr bildlich ausgedrückt.
    Ich hoffe, das hilft Dir weiter.

  34. #34 Valorie Meinsen
    07/12/2015

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  35. #35 MCPE Maps
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    22/12/2015

    Ah, danke und die Fachworte fehlten mir. Das Prinzip habe ich, glaube ich, verstanden, wie fein. Jetzt ab zu Wiki 🙂

  36. #36 Jonny Ive
    01/03/2016
  37. #37 Lercherl
    03/01/2017

    Nach mehr als fünf Jahren eine Anmerkung von mir: ein Detail, das meiner Meinung nach für das Verständnis wichtig ist, fehlt in dem (ansonsten hervorragenden) Artikel: die DNA-Fragmente der richtigen Länge werden erst ab dem zweiten Zyklus erzeugt. Im ersten Zyklus kopiert die Polymerase vor sich hin, so weit sie eben kommt. Die “Überlängen” werden im nächsten Zyklus abgeschnitten, sobald vom anderen Primer aus in die Gegenrichtung kopiert wird. Das Endprodukt enthält daher immer auch längere Fragmente, die aber quantitativ nicht ins Gewicht fallen.

    Das war mir lange unklar, in Wikipedia und dergleichen Quellen habe ich keine Antwort auf die Frage gefunden, warum die Fragmente nicht nur an der gewünschten Stelle anfangen sondern auch der richtigen Stelle aufhören. Zu meiner Überraschung fand ich die Antwort in Seyffert, Lehrbuch der Genetik (ein grässlich schlechtes Lehrbuch, aber das kurze Kapitel über PCR ist klar und verständlich).

  38. #38 Cornelius Courts
    03/01/2017

    @Lecherl: “ein Detail, das meiner Meinung nach für das Verständnis wichtig ist, fehlt”

    Da hast Du natürlich recht. Ich habe das ausgelassen, um den Leser nicht zu arg zu verwirren (wobei es aus dieser Graphik mit etwas Nachdenken abgeleitet werden kann: https://scienceblogs.de/bloodnacid/wp-content/blogs.dir/76/files/2012/06/i-58cca36d136b2e8f94244ef1bf05f068-pcr01.jpg) und weil diese Information m.E. nicht wirklich wichtig ist, um die PCR zu verstehen. Man hätte auch noch erwähnen können, daß in jedem Zyklus, bis zum Schluß, auch vom ursprünglichen DNA-Template Produkte entstehen, die nur ein definiertes Ende haben (und, wie Du richtig sagst, quantitativ nichts ins Gewicht fallen), weil die Matrize jeweils nicht mit der Bindestelle für den Gegenprimer abschließt etc., aber wie gesagt, ich wollte die Gefahr der Verwirrung möglichst gering halten…

  39. #39 Lercherl
    03/01/2017

    @Cornelius

    Da kann man wahrscheinlich bis zum Jüngsten Tag debattieren, wie viele Details man anführen oder weglassen soll. Ich persönlich wäre jedenfalls weniger verwirrt gewesen, wenn dieses Detail angegeben gewesen wäre. Jeden anderen Schritt des Verfahrens konnte ich nachvollziehen, nur diesen einen nicht: Das Kopieren beginnt beim Primer, da stellt sich logischerweise die Frage: wo hört es auf? Dann kommt ein Bild mit zwei gleich langen Fragmenten: wird etwa nur bis zum anderen Primer kopiert? Warum und auf was hinauf?

    Details weglassen ist kein Problem, solange darauf hingewiesen wird:

    “Aus A wird B, daraus wird C, daraus wird, …, daraus wird Z” – so etwas kann gerne abgekürzt werden, etwa “aus A wird über mehrere Zwischenschritte (die Details sind hier nicht relevant) schließlich Z”. Schlecht wäre hingegen:

    “… und, wie man sieht, wird aus A Z”, wenn man es gar nicht sehen kann, ohne die fehlenden Details zu kennen.

    Aber genug davon, ich will wirklich nicht über Deine Artikel meckern, die ich interessant und informativ, klar und verständlich finde!