Es dürfte ohne Zweifel feststehen, daß die Beiträge der Naturwissenschaften stetig an Bedeutung zunehmen werden, daß nur durch sie die Probleme der modernen Zeit lösbar sein, ja, der Alltag bewältigbar bleiben wird. Wenn überhaupt, so wird allein naturwissenschaftliche Forschung es ermöglichen, auf lange Sicht die wachsende Weltbevölkerung zu ernähren und mit sauberem Wasser zu versorgen, eine nicht-fossile, für alle ausreichende Energiequelle zu erschließen, tödliche Krankheiten, Geisseln der Menschheit, zu verstehen und zu heilen, Naturkatastrophen rechtzeitig vorauszusehen, sie vielleicht gar zu verhindern aber zumindest ihre Auswirkungen abzumildern, einen vernichtenden Klimawandel doch noch aufzuhalten, damit letztlich Kriege um Ressourcen, Elend und Barbarei zu verhindern. Nur beständige Forschung kann es vielleicht gestatten, in ferner Zukunft gar das sinkende Schiff Erde zu verlassen, um den nächsten zu zerstörenden Planeten zu bevölkern.
Ich habe keine Patentlösung, kann ja nicht einmal genau sagen, wieviele Wurzeln das Problem wirklich hat. Ich weiß nur, daß Anlaß zur Sorge besteht, wenn eine Gesellschaft durch Ignoranz und Desinteresse, die durchaus auch auf einen unzulänglich erfüllten Bildungsauftrag des Staates und eine politisch nicht verhinderte Wissenschaftsskepsis zurückzuführen sein dürften, sich selbst vom Kontakt zu Wissenschaft und Forschern abschneidet, am Ast sägt, auf dem sie sitzt.
Was könnte man tun? Sich in einem unbedeutenden Blog öffentlich Sorgen machen? Vielleicht. Sich wünschen, daß die absolute Wichtigkeit von Bildung und Wissen und Verständnis endlich erkannt und die Lust, sich damit zu befassen, durch besser gemachten aber auch besser platzierten Wissenschaftsjournalismus angefacht wird? Bestimmt. Alle Naturwissenschaftler auffordern, besser und klarer und ohne Arroganz zu kommunizieren, was sie tun, warum sie es tun und aus welchem Grund es so wichtig ist, daß sie ihre Arbeit zu Ende führen können? Ganz sicher!
Um meinen eigenen Forderungen gerecht zu werden, habe ich mir schon vor längerem verordnet, Fragen, die Nichtwissenschaftler mir stellen, sehr ernst zu nehmen und so ausführlich und geduldig und verständlich wie möglich und nötig zu beantworten. Fragen zu ermutigen, ist eine der wichtigsten Schritte in der Kommunikation unserer Arbeit. Wer fragt, hält es zumindest für möglich, eine Antwort zu bekommen, die er auch verstehen kann.
Abschließen möchte ich mit einem Zitat Adornos zur Mündigkeit:
„Mündig ist der, der für sich selbst spricht, weil er für sich selbst gedacht hat und nicht bloß nachredet (…) Das erweist sich aber an der Kraft zum Widerstand gegen vorgegebene Meinungen und, in eins damit, auch gegen nun einmal vorhandene Institutionen, gegen alles bloß Gesetzte, das mit seinem Dasein sich rechtfertigt. Solcher Widerstand, als Vermögen der Unterscheidung des Erkannten und des bloß konventionell oder unter Autoritätszwang Hingenommenen, ist eins mit Kritik, deren Begriff ja vom griechischen krino, Entscheiden, herrührt.”
Er hat recht! Und das gute ist: man braucht “den Wissenschaftlern” nichts blind zu glauben – das wollen wir auch gar nicht! Jeder kann, wenn er kann (und wenn nicht, so kann er es doch lernen), die Evidenz selber interpretieren und sich dadurch eine Meinung bilden, statt blind einer “vorgegebenen” zu vertrauen – nichts anderes tun Wissenschaftler und ist Wissenschaft. Kritik und kritisch sein, ein wacher Geist, fragen, zweifeln, selber denken, entscheiden: mündig sein!
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Literaturempfehlung: “Die andere Bildung: Was man von den Naturwissenschaften wissen sollte” von Ernst Peter Fischer
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