3. Grundlagen der Populationsgenetik
„Die Populationsgenetik ist der Zweig der Genetik, der Vererbungsvorgänge innerhalb biologischer Populationen untersucht. Sie ermittelt die relative Häufigkeit homologer Gene (Allele) in Populationen (Genfrequenz) und erforscht deren Veränderung unter dem Einfluss von Mutation, Selektion, zufälliger Gendrift, der Separation von Teilpopulationen und dem Genfluss zwischen Populationen. Sie hat eine große Bedeutung in der Evolutionsforschung sowie in der Tier- und Pflanzenzucht.
Ein wichtiger Grundsatz der Populationsgenetik ist das schon 1908 von Wilhelm Weinberg und Godfrey Harold Hardy unabhängig entdeckte Hardy-Weinberg-Gesetz, das bei rein zufälliger Paarung und in Abwesenheit jeglicher Selektion einen Gleichgewichtszustand beschreibt, in dem die Häufigkeit der Allele eines Gens von Generation zu Generation konstant bleibt.” Wikipedia
Um etwas über die Seltenheit eines DNA-Profils, das sich ja aus einer Kombination von Allelkombinationen in z.B. 16 STR-Systemen zusammensetzt, aussagen zu können, müssen wir wissen, wie häufig die Allele aller getesteten STR-Systeme in der Bevölkerung auftreten.
Das geht nur empirisch, d.h., man muß eine ausreichend große Stichprobe (200+) aus der Gesamtbevölkerung ziehen und in dieser Stichprobe die Allelverteilung in diesen STR-Systemen messen. Unter bestimmten Bedingungen (die hier als gegeben vorausgesetzt werden dürfen) kann man dann die Allelverteilung in der Stichprobe auf die Gesamtbevölkerung übertragen. Dabei gilt dann: je häufiger ein bestimmtes Allel ist, desto wahrscheinlicher ist es, daß eine beliebige Person, die ich mir aussuche, genau dieses Allel besitzt.
Wie oben beschrieben, besitzt ein Mensch aber nicht nur ein sondern immer zwei Allele für jedes STR-System, eines auf jedem Chromosom eines Chromosomenpaares. Um also zu ermitteln, wie selten ein STR-Genotyp (der ja aus zwei Allelen besteht) ist, reicht es nicht, nur die Häufigkeit der Allele in der Population zu kennen, man muß auch berechnen, wie selten die Kombination genau dieser beiden Allele ist. Die mathematische Grundlage dafür sind die Gleichungen von Hardy und Weinberg, die besagen, daß in einer Population unter diversen Annahmen (die wir aber für die STR-Systeme als näherungsweise erfüllt ansehen dürfen) für ein Merkmal für die Häufigkeit der Genotypen folgendes gilt:
p2 + 2 pq + q2 = 1
Dabei steht p für die Häufigkeit des Allels P und q für die Häufigkeit aller Allele, die nicht P sind (also 1-p = q).
Da wir die Häufigkeiten der Allele der STR-Systeme kennen, können wir nun die Häufigkeit jedes STR-Genotypen berechnen.
Beispiel: im STR-System „FGA“ besitzt ein Mensch die Allele 18 (p) und 20 (q). Aus einer Tabelle entnimmt man die Häufigkeit der Allele: p = 0,0227 und q = 0,1629. Der Genotyp dieses Menschen ist heterozygot, also gemischterbig, er besteht aus zwei verschiedenen Allelen und daher hat diese Kombination eine Häufigkeit von 2 x p x q oder 2 x 0,0227 x 0,1629 = 0,00739566. Das entspricht einer Häufigkeit von 0,739566 % und bedeutet, daß nur ca. 0,7 % der Bevölkerung im FGA-System genau diese Allelkombination besitzt!
Ein weiteres Beispiel: ein anderer Mensch besitzt im STR-System „FGA“ nur das Allel 18 (p), weil er homozygot ist, also reinerbig, d.h. auf beiden Chromosomen hat er dasselbe Allel. Dieser Genotyp hat die Häufigkeit p2 = p x p = 0,0227 x 0,0227 = 0,00051529. Das entspricht einer Häufigkeit von 0,051529%, womit dieser FGA-Genotyp sogar noch viel seltener wäre.
So, jetzt haben wir die Grundlagen, um zu verstehen, wie die kombinierte Häufigkeit eines forensischen DNA-Profils berechnet wird. Dazu noch folgende Anmerkungen/Voraussetzungen:
– wir kennen die Häufigkeit jedes Allels aus jedem STR-System
– die von uns verwendeten STR-Systeme werden nach den mendel’schen Regeln vererbt (wie unter 2. beschrieben)
– die Vererbung eines Allels aus einem bestimmten STR-Systems beeinflusst in keiner Weise die Vererbung eines Allels aus irgendeinem anderen STR-System, sie werden also vollständig unabhängig voneinander vererbt
– alle Allelkombinationen aller STR-Systeme sind evolutiv neutral, d.h., keine mögliche Allelkombination beeinflusst in irgendeiner Weise die Wahrscheinlichkeit, daß ein Individuum sich besser/schlechter fortpflanzt
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