Unter diesen Voraussetzungen kann man dann die kombinierte Häufigkeit eines DNA-Profils als Produkt der Einzelwahrscheinlichkeiten der Genotypen aller vom Profil umfassten STR-Systeme berechnen. Nehmen wir noch mal unser altes DNA-Profil her:

STR-System Allele von Person X

Häufigkeit der Allele

Häufigkeit des Genotyps

SE33

15,29.2

0,051 / 0,005

0,00051

D21S11

27

0,037

0,001369

vWA

16,20

0,214 / 0,0165

0,007062

TH01

9.3

0,3031

0,09186961

FGA

23,26

0,1439 / 0,0152

0,00437456

D3S1358

13,17

0,0071 / 0,2186

0,00310412

D8S1179

9

0,011

0,000121

D18S51

11,21

0,02 / 0,01

0,0004

 

Wenn man jetzt die Einzelhäufigkeiten der Genotypen multipliziert, kommt man auf eine Gesamthäufigkeit dieses Profils von 0,00000000000000000001, d.h. nur 0,000000000000000001% der Bevölkerung hat dieses Profil. In anderen Worten: dieses Profil würde bei weit (!) weniger als einer Person von 7.000.000.000 (= derzeitige Weltbevölkerung) zufällig noch einmal auftreten, womit man jenseits jeden vernünftigen Zweifels davon ausgehen darf, daß es einmalig auf der Welt (und sogar in der Menschheitsgeschichte) ist.

Wenn also beispielsweise ein solches DNA-Profil, das aus der Hautabriebspur an einer Mordwaffe erzeugt worden ist, voll übereinstimmt mit dem DNA-Profil eines Tatverdächtigen, so kann man sicher sein, daß diese Spur vom Tatverdächtigen stammt (hingegen nicht, daß er den Mord auch wirklich begangen hat!).

So. Und damit endet diese Serie, in deren Verlauf wir die Grundlagen und einzelnen Stufen eines forensischen Spurengutachtens kennengelernt haben:

Für das tiefere Verständnis gab es dazu noch folgende Basics-Artikel:

Danke und Respekt für alle, die bis hierhin durchgehalten haben.

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Kommentare (14)

  1. #1 rolak
    27/10/2011

    Kann sein, daß ich eine Denkblockade habe, doch seit gestern nachmittag komme ich nicht auf den Punkt, der die H-W-Gleichungen derart genial macht, daß sie immerhin einen eigenen Namen verdienen. K=p²+2pq+q² ist selbstverständlich die Wahrscheinlichkeit für eine beliebige Kombination zweier unabhängiger Ereignisse der Wahrscheinlichkeit p bzw q – und für komplementäre Ereignisse p+q=1 ergibt sich spätestens durch stures Ausrechnen K=1.

    Oder geht es darum, festzulegen, wann diese schlichte Wahrscheinlichkeitsrechnung auf genetische Merkmale von Populationen angewendet werden darf?

  2. #2 Cornelius Courts
    27/10/2011

    @rolak: HWs eigentliche Leistung war, entgegen der damaligen Annahme, daß seltene Allele mit der Zeit aus einer Population verschwinden würden, zu zeigen, daß die Mendelschen Gesetze dieses Phänomen genau nicht vorhersagen.
    Stattdessen formulierten sie den bekannten Zusammenhang, mit dem man bei bekannten Allelfrequenzen die Genotypenhäufigkeiten (und vice versa) berechnen (und graphisch darstellen kann – https://finetti.meb.uni-bonn.de/ ).
    Das HW-Modell ist dabei ein “Null-Modell”, das unter den folgenden, idealisierten Bedingungen zutrifft:
    – diploider Organismus
    – sexuelle Reproduktion
    – nicht überlappende, diskrete Generationen
    – der betrachtete Locus hat zwei Allele
    – Allelfrequenzen sind gleich bei allen Paarungstypen (z.B. Geschlechter)
    – Paarung ist zufällig
    – Gametenvereinigung ist zufällig
    – Populationsgröße ist nahezu unendlich
    – vernachlässigbare Migration
    – keine Mutation
    – keine nat. Selektion
    Trotz all dieser EInschränkungen funktioniert das HW-Modell auch mit “echten” Populationen recht gut (und soll auch gar keine exakte Beschreibung solcher sein). Man vergleicht vielmehr echte Populationen mit dem Null-Modell, um Hypothesen über die evolutiven Einflüsse (wie Selektion, Drift, bottlenecks etc.), die auf die Population einwirken, zu testen.
    Kurz: HW haben gezeigt, daß der Prozess der partikulären Vererbung (nach Mendel) selbst KEINE Veränderung der Allelhäufigkeiten in einer Population bewirken kann. WENN dies also beobachtet wird, muß es auf einen anderen Einfluss zurückzuführen sein. Damit ist praktisch die Populationsgenetik begründet.
    Und Du weißt ja:

    “Nothing in Biology Makes Sense Except in the Light of Evolution” (Theodosius Dobzhansky)

    und

    “nothing in evolution makes sense except in the light of population genetics.”
    (Michael Lynch)

    😉

  3. #3 rolak
    27/10/2011

    Ah danke, damit ist der schon leicht gesunkene Groschen endgültig gefallen.

    Kleiner Gag am Rande: Für den Feuerfuchs mit seinem eigenen Zertifikatspeicher ist die arme Uni Bonn nicht vertrauenswürdig 🙂

    Oh, bevor ich es vergess: “Nothing will make sense if there ain’t one” (Keine Ahnung, ggfs ich 😉

  4. #4 Karl
    29/10/2011

    Ich sollte vielleicht ganz allgemein ausführen, dass Biologen einmal versuchen sollten, ihre Theorien mathematisch zu fassen. Neulich habe ich mal ein Biologie-Lehrbuch (den Alberts, scheint seriös zu sein!) zur Hand genommen und die Mathematik, die ich darin gefunden habe, war wirklich erbärmlich. Sie war nämlich de facto nicht vorhanden!

    Obwohl man konstatieren muss, dass neue systembiologische und bioinformatische Anforderungen dafür zu sorgen scheinen, dass zukünftige Biologengenerationen keine derartigen Mathophoben mehr sein können. Ich hoffe doch sehr, dass sich so langsam auch in der Biologie die Tatsache herumspricht, dass die Mathematik die Sprache der Natur (Galileo) und die Königin ALLER Wissenschaften (Gauß) ist.

    Aber, sehr geehrter Herr Dr. Courts, ohne Ihnen zu nahe treten zu wollen, erwecken Sie mir doch den Eindruck eines klassischen Molekularbiologen und damit eines mathematischen Wenigkönners.

  5. #5 Cornelius Courts
    31/10/2011

    @Karl: obgleich ich zustimme, daß die Mathematik wichtig und bedeutend ist und auch in der Biologie gebraucht und geschätzt wird (und das auch kein einziger Biologe, den ich kenne, in Abrede stellt), scheint mir Ihr mathematischer Narzissmus, traurig gekrönt durch die ernsthafte Verwendung des Gauß-Zitates, darauf hinzuweisen, daß Sie, ohne Ihnen zu nahe treten zu wollen, ein denkerischer Garnichtskönner sind.

  6. #6 Otto von Braackenssieck
    31/10/2011

    ZITAT:”daß Sie, ohne Ihnen zu nahe treten zu wollen, ein denkerischer Garnichtskönner sind.”
    Also sprach der “Wissenschaftler” und “Entnormalisierder” Cor Courts 🙂

  7. #7 Cornelius Courts
    31/10/2011

    Nee, nee, der Otto wieder. Hat vermutlich den ganzen Nachmittag im Heim über dieser Bombe von Spruch gebrütet. Also gut: hast Du fein gemacht, Otto. Bist ein ganz ein Braver.

    Ham’ wir’s dann jetzt?

  8. #8 Claudia
    31/10/2011

    Irgendwie mußte ich spontan daran denken… 😉 https://bit.ly/uQXLLi

  9. #9 Karl
    31/10/2011

    Immerhin können wir darin übereinstimmen, “daß die Mathematik wichtig und bedeutend ist und auch in der Biologie gebraucht und geschätzt wird”.

    Auch muss ich ein großes Lob aussprechen: Der Blog ist ja durchaus interessant und verständlich geschrieben. Ich schaue hier wirklich ganz gern mal ab und zu rein, auch wenn es für meinen Geschmack auch etwas “unblutiger” (s. auch Banner) zur Sache gehen könnte.

  10. #10 Cornelius Courts
    01/11/2011

    @Karl: danke für die Rückmeldung; ich gebe zu, daß einige Posts für manchen Leser etwas heftig sein mögen, doch gehören diese Dinge tatsächlich zum forensichen Alltag und deshalb möchte ich auch darüber berichten. Vielleicht sollte ich aber auch vor solchen Beiträgen eine Warnung anbringen…

  11. #11 Rainer Dynszis
    04/08/2016

    Ich habe soeben entsetzt gelesen: Im Wikipedia-Artikel mit dem Titel “DNA-Reihenuntersuchung” steht wörtlich: “Die erstellten Muster kommen statistisch bei 100.000 Menschen einmal vor, in jeder größeren Stadt also mehrfach.”

    Wie passt das zusammen?

  12. #12 HF(de)
    28/10/2016

    “Wie passt das zusammen?” Würd mich auch interessieren. Hab versucht, das über Wiki rauszufinden, aber das ist mir nicht gelungen. Ev. Methoden, die billiger, aber nicht so aussagekräftig sind?

  13. #13 Cornelius Courts
    28/10/2016

    @HF(de): ” Ev. Methoden, die billiger, aber nicht so aussagekräftig sind?”

    So ist es. Bei den Reihenuntersuchungen geht es ja vor allem darum, die allermeisten Kandidaten auszuschließen und das ist immer leicht möglich. Wenn dann mal bei einem Kandidaten eine vollständige Übereinstimmung beobachtet wird, macht man natürlich noch ein komplettes Profil, um sicherzugehen. So eine Übereinstimmung findet sich dann aber eben nur alle 100.000 Mal, so daß es gut beherrschbar bleibt.

  14. #14 HF(de)
    29/10/2016

    Vielen Dank!