Ich bin zurück aus Hannover, wo dieses Jahr vom 24.-25.2. der 32. Spurenworkshop der Spurenkommission der DGRM in Hannover stattfand.
Der historische und aktuelle Hauptzweck der Spurenworkshops ist dabei immer, die Ergebnisse der beiden jährlichen GEDNAP-Ringversuche für forensische Labors vorszustellen und zu diskutieren. Inzwischen ist die Veranstaltung aber zu einer großen Tagung mit Hunderten Teilnehmern und zahlreichen Industrieausstellern geworden, auf der auch immer wissenschaftliche Vorträge präsentiert werden.
Bevor ich aber zum Programm komme, nehmen wir zunächst den Lokalkolorit dieser funkelnden Metropole im Herzen Niedersachsens in uns auf, dieser Perle an der Leine, dieser Hochburg des Hochdeutschen, die u.a. Ludwig Klages (Urheber der Pseudowissenschaft der Graphologie, dafür Feind der echten Wissenschaft) hervorbrachte.
Doch wer nun bei Hannover zuerst an Pracht, Graphologie oder die Cebit denkt, der lasse sich belehren:
Es gibt dort nämlich auch kühne Architektur in blühenden Landschaften
modernste Reisezentren für einen reibungslosen und komfortablen Nahverkehr
und (gesehen auf dem Weg zum Hotel) liebevoll bepflanzte und gegen unbefugten Zutritt gesicherte Naherholungsanlagen, die zu Innehalten, müßigem Verweilen und Lustwandeln einladen
Doch genug der Schwärmerei, wir waren ja schließlich nicht zum Vergnügen da. Der Campus der Medizinischen Hochschule empfing uns einladend mit seinem aufmunternden „Klotz in Dunkelgrau”
und seiner postmodernistischen Absage an Anbiedertum und Verschwendungssucht
nicht ohne aber, wie hier durch frech aus der Reihe tanzende „Nupsis”, dann und wann einen Bruch mit Konvention und formaler Strenge, ein Ja! zu Lebensfreude und Nonkonformismus zu wagen
Unser Workshop wurde, Ehre, wem Ehre gebührt, angemessen angekündigt und beflaggt
und war in eine der prunkvollsten und repräsentativsten Anlagen gebettet, die die Medizinische Hochschule zu bieten hat und deren Name auf allen Campi der Welt bekannt ist: Hörsaal F.
von dem aus sich ein erhebender und dem Auge schmeichelnder Ausblick auf den suburbanen Charme des behutsam ins Stadtbild eingelassenen Campus bietet
Es muß in Hannover gewesen sein, wo Rilke ausrief:
Hiersein ist herrlich. Ihr wußtet es, Mädchen, ihr auch,
die ihr scheinbar entbehrtet, versankt -, ihr, in den ärgsten
Gassen der Städte, Schwärende, oder dem Abfall Offene.
Doch zum Programm: Die Grussworte entbot unter anderem Hannovers leitender Oberstaatsanwalt
und was ich toll fand aber bisher noch nie auf einer Tagung erlebt hatte, gab es hier: eine Simultan-Dolmetschung der Vorträge für Gehörlose.
Das Programm enthielt 25 Vorträge und eine Posterpräsentation und war insgesamt abwechslungsreich. Einige junge Nachwuchswissenschaftler reüssierten mit der Präsentation ihrer Bachelor- oder Master-Projekte, es gab jedoch für meinen Geschmack ein paar zu viele Firmenvorträge, die zwar an sich interessant waren, aber doch immer auch einen Werbezweck verfolgen.
Einige Heiterkeit kam auf beim Vortrag über „Eine Multiplex PCR zur Bestimmung von 15 Cannabis STRs” der vom Vorsitzenden angekündigt wurde mit „Ziehen Sie sich folgenden Vortrag ‘rein” und für den der Autor zu Recherchezwecken extra die Cultiva in Österreich besucht hatte.
Stark vertreten waren dieses Jahr methodische Vorträge, die die Verwendung neuer Softwares, Analysetechniken und Nachweismethoden für die forensische Spurenarbeit vorstellten, darunter die sogenannte „iPCR” oder „immunoPCR”, die Elemente von ELISA und qPCR enthält und zur Identifikation von Körperflüssigkeiten verwendet werden kann.
Zwischendurch fiel mir auf, daß die Forensische Genetik der LMU München ein ziemlich cooles Logo hat:
Der letzte Beitrag des erstens Tages war eine Präsentation über InDels, mit denen man die regionale Herkunft einer Person, deren DNA man darauf untersucht, bestimmen kann.
Danach gab es die Ergebnisse der Ringversuche und anschließend endlich was zu essen. Traditionell treffen sich auf dem Spurenworkshop am Abend des erstens Tages alle Teilnehmer zu Abendessen (und Tanz – wer mag 😉 in einer schönen Örtlichkeit. Diesmal – man war ja in Hannover – in der Mensa der Medizinischen Hochschule. Doch ich will nicht unken. Es war wirklich nett dekoriert (so ein bißchen 20.000 Meilen unter dem Meer-mäßig)
und eine ziemlich anständige Live-Band gab es auch
Vom nächsten Tag gilt es, besonders den spannenden Vortrag von D. Vanek über die „Multidisziplinäre Analyse von alten Skelettüberresten und die Übertragung der Erfahrung auf die forensische Fallarbeit” hervorzuheben. Vanek plädiert für eine Synergie forensischer und klassischer anthropologischer Techniken (wie CT-Scans und Isotopen-Analyse) bei der Untersuchung alter und archäologischer Knochenfunde. In diesem Zusammenhang berichtete der Autor auch von einem „Vampir”-Fund (ich berichtete hier ja schon von einem ähnlichen Fall), also einer „verkehrt herum” bestatteten 700 Jahre alten Leiche, deren Auffindesituation auf eine mögliche „Vampirbestattung” schließen ließen und die mit kombinierten Methoden untersucht wurde
(wer Interesse an Knochenbiologie und Anthropologie hat: Vanek bietet demnächst einen Knochen-Workshop an – wenn ich kann, werde ich hinfahren).
Und auch ich habe noch einen Vortrag gehalten zum Thema “Biologische Spuren im Waffenlauf – Modell und Wirklichkeit” (wer will, kann sich hier näher informieren), in dem ich neue Erkenntnisse aus unserem Schußwaffen-Projekt erläutert habe.
Danach ging es wieder heim. Fazit: Hat Spaß gemacht!
Nächstes Jahr sind wir dann in Halle an der Saale.
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