Seit genau einem Jahr schreibe ich nun für blooD’N’Acid, dies ist der 63. Beitrag. Ein guter Zeitpunkt, eine erste Bilanz zu ziehen, die ich mir in einige persönliche Gedanken einzubetten gestatte.
Ich war schon vor der Zeit von blooD’N’Acid bei den Scienceblogs als Blogger unterwegs und bis letztes Jahr um diese Zeit war Bloggen für mich eine eher private Übung der Finger und des Denkens. Ich habe mit dem Medium experimentiert, an meiner Sprache geschliffen und vor allem für mich selbst aufgeschrieben, worüber ich aktuell oder immer wieder nachgedacht habe. Dann und wann habe ich den Link zu dem einen oder anderen Beitrag an andere Menschen verschickt, mit denen ich diese Gedanken teilen wollte.
Daß ich seit inzwischen einem Jahr hier in vergleichsweise wesentlich größerer Öffentlichkeit blogge, liegt daran, daß mich ein mir sehr nahe stehender Mensch, der selbst regelmässig die deutschen Scienceblogs liest, dazu aufgefordert und davon überzeugt hat, daß ich nicht länger nur für mich selber schreiben und anderen zumindest die Möglichkeit geben sollte, zu lesen, was ich zu sagen habe.
Da ich als Wissenschaftler erstens gerne über Wissenschaft rede, diskutiere und sie interessierten Menschen auch gerne erkläre und zweitens nicht unter einem Mangel an Meinungsfreude zu leiden scheine, war ein Scienceblog wohl kein falscher Ort für mich.
Und nach einem Jahr hier kann ich sagen, daß das Bloggen in/vor einer so großen Gemeinde oder meinethalben „Community” sehr interessant und lehrreich aber auch aufwühlend für mich war und ist. Neu für mich war neben dem „redaktionellen Umfeld” natürlich vor allem das Feedback, der Austausch mit vielen Lesern und Kommentatoren, sowohl in den Kommentardiskussionen als auch per E-Mail. Aus der bisherigen Resonanz meine ich, entnehmen zu dürfen, daß einige andere Menschen einen Gewinn aus meinen Gedanken, Erklärungen oder Betrachtungen ziehen konnten oder sogar etwas gefunden haben, das sie bereichert oder ihren Horizont erweitert – das freut mich mehr, als ich sagen kann und ist schon alles, was ich mit dem ganzen Unterfangen zu erreichen hoffen durfte.
Daher wird es in blooD’N’Acid auch immer zwei Arten von Beiträgen geben: die wissenschaftlichen Beiträge, die ich für andere schreibe und von denen ich hoffe, daß ich dadurch, daß ich sie schreibe, zugleich ein wenig dazu beitragen kann, Interesse für die Wissenschaft zu fördern und ein besserer Lehrer zu werden.
Und es wird die Beiträge geben, die meine persönliche Meinung, Betrachtungsweisen und Einstellungen vorstellen, die ich nach wie vor für mich selber schreibe, aber mit anderen, die sich dafür interessieren, teilen und diskutieren möchte. Ich betone an dieser Stelle (wie auch zuvor schon), daß diese Beiträge keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit erheben oder sich gar einräumen aber sich diesen auch nicht unterstellen lassen. Es sind und bleiben Meinungen, die ich mir auf Grundlage von Argumenten, die ich mit aufführe, gebildet habe. Manchmal sind sie unangepasst aber Bloggen ist für mich kein Popularitätswettbewerb – ich muß hier ja nichts verkaufen, möchte mich nicht anbiedern und fühle mich auch nicht meiner Beliebtheit sondern in erster Linie der Ehrlichkeit verpflichtet.
Denn, und ich wiederhole mich hier bewußt, in meinen Augen sind die scienceblogs vor allem eine nicht journalistisch vermittelte, direkte Schnittstelle zwischen Wissenschaftlern und an Wissenschaft aber – und darauf kommt es an – auch an Wissenschaftlern interessierten Nichtwissenschaftlern.
In den scienceblogs, also den „Weblogs” von Wissenschaftlern, treten Wissenschaftler nämlich auch als Menschen auf, die neben einem Beruf in der Wissenschaft auch Meinungen, Ängste, Sorgen und durchaus auch einmal idiosynkratische Auffassungen haben.
Scienceblogger sind keine Antwortautomaten oder Erklärroboter, genausowenig, wie scienceblogs kostenlose Lehrbücher oder Übersetzmaschinen für Orginialforschungsarbeiten sind. Die Blogs sollen daran erinnern, daß Wissenschaftler nicht nur graue, beflissene aber gesichtslose Dienstleister einer Wissensgesellschaft sind, sondern die Welt um sich herum recht genau wahrnehmen und sich kritische, kontroverse, unbequeme und/oder unpopuläre Betrachtungen erlauben und diese der Außenwelt auch zumuten.
Außerdem sollen sie, wie es kein anderes Medium kann, das Leben und Denken dieser Menschen in ihrem wissenschaftlichen Alltag schildern. Sie sollen die Wissenschaftler, die sie schreiben und sich damit nicht wenig exponieren, sichtbar machen und gewissermaßen auch portraitieren. Natürlich gehört dazu auch, zu erklären, wie und unter Zuhilfenahme welcher Argumente und Anschauungen sich dieser Mensch in der Welt verortet.
Zum Bloggen in einer größeren Community gehört als wichtiges Charakteristikum aber auch die Interaktivität, also die Möglichkeit, das Gelesene öffentlich zu besprechen, kurz: die Kommentare.
Nach einem Jahr habe ich hier viele verschiedene Kommentatoren erlebt und kennengelernt. Einige davon schätze ich sehr und sie haben immer wieder zu Beiträgen von mir interessante, ergänzende, fehlende, bereichernde und/oder herausfordernde Dinge beigetragen und/oder hervorragende Fragen gestellt. Damit beschäftige ich mich, darüber freue ich mich, dafür bin ich dankbar. Ein, gemessen an der Kommentarzahl, recht „erfolgreicher”” Beitrag ist z.B. vor allem durch Kommentare einer bestimmten Kommentatorin hier, mit der ich übrigens keineswegs einer Meinung war, inspiriert worden.
Ich freue mich daher über jeden Leser, über Lob und konstruktive Kritik, denn ich sehe mich durchaus nicht als fertig an und schätze es, wenn ich dazulernen kann. Allerdings entscheide ich eben selber, was ich überzeugend, klug und memorierenswert finde und nicht der/diejenige, der/die mir etwas sagt. Ich lerne mithin, ohne mich belehren lassen zu müssen. Und ich entscheide auch, was ich schwachsinnig finde und zögere dann auch nicht, das die Entsprechendes äußernde Person wissen zu lassen. Meist passe ich meinen „Ton” dabei dem des/der Kommentierenden an (manchmal gelingt es mir auch nicht, das gebe ich zu, aber es gibt da einfach bestimmte “Trigger”….). Aber wer sich häufiger in den Kommentar”fäden” herumtreibt, weiß daß es hier auch Trolle gibt, einschlägig bekannte Haustrolle, aber auch immer wieder frisch dem Orkus entstiegene Neotrolle, die eine Diskussion bekanntermaßen überhaupt nicht suchen und der Allgemeinheit in ermüdender Redundanz ihre ewig gleichen und in ihren Augen ohnehin unantastbaren Sentenzen aufdrängen, entweder um zu provozieren oder in der Hoffnung, endlich ein Publikum zu finden.
Ich weiß inzwischen, daß es diese Leute unglaublich aufbringt, wenn jemand im Internet anderer Meinung ist als sie (ich nenne das mal “SIWOTIsm“) und sie darob eine weitere Chance zu Mission und Sendung wittern, aber ich habe weder Zeit noch Lust, sie auch noch zu legitimieren, indem ich sie ernst nehme und auf sie eingehe (außer für eine kleine Troll-Piñata, dann und wann :-)).
Ein paar letzte Bemerkungen noch zur Sprache, denn auch sie und der Schreibstil im Blog wurden immer wieder einmal diskutiert. Wie gesagt gibt es hier zwei Hauptkategorien von Beiträgen: die wissenschaftlichen und die Meinungsbeiträge. Für die wissenschaftlichen Texte ist die Verständlichkeit absolut wesentlich, da sie sonst nutzlos sind und ich bemühe mich nach Kräften, nachvollziehbar und zugänglich (und gleichzeitig nicht allzu trocken) zu schreiben und bin jederzeit für Kritik dankbar, wenn ich mich unverständlich ausgedrückt habe.
Auch bei den „Meinungsbeiträgen” bemühe ich mich nicht absichtlich um besonders geschraubte Formulierungen, finde aber auch, daß viele dieser Texte, die ich ja schreibe, weil mir das Thema (sehr) wichtig ist, an einer zu lapidaren, kraft- und schmucklosen Sprache leiden würden. Denn natürlich habe ich Spaß am Formulieren und an sprachlichen Experimenten und lese ja auch selber lieber Texte, in denen Sprache nicht nur als simples, graues Lasttier Informationen “schleppt”, sondern auch ein wenig tanzen darf und gefeiert wird.
Dabei mag es bisweilen passieren, und dafür wurde ich manchmal getatzelt, daß ich mir die sprachlichen Zügel etwas lockerer lasse und nicht bei jeder Formulierung ihre Leichtverständlichkeit an die erste ihre Auswahl begründende Stelle setze – was nicht heißt, daß es mir egal wäre, nicht verstanden zu werden. Dennoch ist genau diese Freiheit aber auch eine Voraussetzung dafür, Freude am Schreiben zu haben.
Da ich es ohnehin nicht allen recht machen kann, werde ich für die „Meinungstexte” weiterhin so schreiben, wie mir die Finger gewachsen sind und einfach hoffen, daß sich die Mühe, die der/die eine oder andere beim Lesen haben mag, vielleicht doch lohnt. Andererseits werde ich bei den Wissenschaft-Texten weiterhin alles daran setzen, gut und verständlich zu erklären.
/Redeschwall
Bleibt noch, mich bei allen, die mir die Erfahrung „Scienceblog” bis hierher ermöglicht, die mich hier begleitet, bestärkt und kritisiert haben, zu bedanken.
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Nachtrag:
heute habe ich auch erfahren und mich sehr darüber gefreut, daß ein Artikel aus blooD’N’Acid als ein Sieger bei der Wahl für den “besten wissenschaftlichen Blogposts des Jahres 2011” bestimmt wurde. Vielen Dank dafür!
noch ein Nachtrag:
Es gilt ja “variatio delectat” und daher gibt’s nach einem Jahr auch ‘mal ein neues Bild 🙂
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