Ich berichte vom dritten Tag der internationalen atheistischen Tagung in Köln.
Zunächst Entschuldigung für die Säumigkeit, schöner wär’s, ich weiß, gewiss gewesen, der Bericht wäre etwas zeitnäher an der eigentlichen Veranstaltung erschienen, aber des Alltags Knechtungen ließen’s partout nicht zu…
Morgens um 9.30 Uhr begann der dritte Tag mit dem sehr guten und energischen Vortrag von Ingrid Matthäus-Meier, einer ehem. Richterin und Bundestagsabgeordneten, die derzeit die Sprecherin der IKBA für deren Gerdia-Kampagne ist, die sich gegen religiöse Diskriminierung am Arbeitsplatz richtet.
Und zur Vorstellung genau dieser Kampagne diente auch Matthäus-Meiers Vortrag, der damit begann, zahlreiche Beispiele kirchlicher Diskriminierung am Arbeitsplatz vorzustellen und damit die Notwendigkeit einer solchen Aktion zu belegen. Beispiele wie das des Kirchenorganisten, der 14 Jahre untadelig Dienst getan hatte und dem dann wegen “Ehebruchs” fristlos gekündigt worden war. Er mußte sich 13 Jahre durch 7 Instanzen bis zum europäischen Gerichtshof für Menschenrechte kämpfen, um endlich Recht zu bekommen. Ein aktuelleres Beispiel war das der Kindergärtnerin, der von der Kirche gekündigt worden war, nachdem sie sich von ihrem Mann getrennt hatte.
Matthäus-Meier machte sehr deutlich, daß der sogenannte “dritte Weg” der Arbeitswelt, der es den (in Deutschland eigentlich nicht vorgesehenen sich aber dennoch so gebärdenden Staats-)Kirchen erlaubt, zahlreiche Sonderrechte und Ausnahmen von Pflichten in Anspruch zu nehmen. Dies sei abgeleitet aus einem angeblichen “Selbstbstimmungsrecht” der Kirchen ( laut Artikel 140 Grundgesetz in Verbindung mit Artikel 137 Absatz 3 Weimarer Reichsverfassung), das es, so Matthäus-Meier, in Wirklichkeit gar nicht gebe und wodurch aber dennoch in Deutschland über 40.000 Menschen, die in kirchlichen Arbeitsverhältnissen beschäftigt sind, in ihren Grund- und Menschenrechten beschnitten werden. Diese Regelung sei zudem einzigartig in Europa und die Europäischen Richter sollen, als sie sich mit der deutschen Situation zu befassen hatten, ungläubig den Kopf geschüttelt haben.
Matthäus-Meier legte eine reichhaltig mit Fakten belegte, schlüssige Argumentation vor, die Grundlage der Gerdia-Kampagne und zu umfangreich für eine knappe Wiedergabe an dieser Stelle ist. Es kann (und sollte) sich aber jede(r) hier über Gerdia, ihre Ziele und Möglichkeiten, sie zu unterstützen, informieren.
Ein echtes Highlight war der anschließende, tolle und leidenschaftliche Vortrag von Leo Igwe.
Igwe ist der Gründer der nigerianischen humanistischen Bewegung und sprach über “Atheismus und Menschenrechte in Afrika”, zwei Dinge, die in Afrika, so Igwe, leider keine Schnittmenge haben.
In seinem Vortrag befasste sich Igwe mit zwei Schwerpunkten: die (kaum bis nicht vorhandenen) Rechte der Atheisten in Afrika sowie Menschenrechtsverletzungen, die auf Glaube und Aberglaube basieren. Er machte sehr deutlich, wie gefährlich es in vielen afrikanischen Ländern sei, insbesondere denen, deren staatlich verordnete Religion der Islam sei, Atheist, Agnostiker oder Freidenker zu sein und dies auch äußern und leben zu wollen. Er sagte sogar, er kenne kein einziges Land in Afrika, das Nichtgläubigen volle Rechte einräume. Er beklagte, daß man aus gebückter Demut und Angst vor der aufwendigen religiösen Be- und Überempfindlichkeit fanatischer Moslems in diesen Ländern die Menschenrechte, einschl. das Recht auf Leben von Nichtgläubigen den jeweiligen Rache-, Säuberungs- und sonstigen Allmachtsphantasien der Schreihälse und religiösen Ankläger unterordne: Nichtgläubige würden nicht wie Menschen behandelt, so, als würden sie nicht existieren oder so, als hätten sie kein Recht, zu existieren. Igwe sagte (übersetzt): “In Afrika ist der Atheismus unsichtbar, aber nicht, weil es keine Atheisten oder Freidenker gäbe, sondern weil es dort für sie, für uns keinen würdigen Raum, keinen menschlichen Raum gibt. Es gibt keine Garantie für Rechte und Würde der Ungläubigen, der Apostaten, der Blasphemiker, wie Freidenker dort genannt werden. Manchmal frage ich mich echt, wer eigentlich wirklich der Blasphemiker ist. Was ist mit dem, der einem weismachen will, daß der Prophet auf einem Pferd in den Himmel gedüst ist? Ich meine, hey, seit wann können Pferde fliegen?”
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