Das sind zum Teil sehr komplizierte Proteine, die in die Zellmembran einer Zelle eingelassen sind, sie durchdringen und auf beiden Seiten herausragen. Hier eine schematische Abbildung:
Man sieht auf die Oberfläche eine Zelle in deren Membran zahlreiche Rezeptoren eingebettet sind, die diese durchdringen und auf der Zellinnenseite (violett, linke untere Ecke) wieder aus der Membran hervortreten. Wenn dann ein Botenstoff, z.B. ein Wachstumsfaktor (das “S”-förmige, lila umrandete Gebilde im Bild), an das an der Zellaußenseite herausragende Stück des Rezeptors (hellblau) bindet, kann sich dadurch der Rezeptor so verbiegen, daß auch das ins Zellinnere ragende Ende eine Veränderung erfährt, mithin anzeigt, daß gerade außen etwas passiert ist. Man kann sich das vielleicht ein bißchen wie einen Klingelzug an einer Haustür vorstellen, bei dem die Schnur der Klingel durch die Hauswand führt und im Flur des Hauses mit einer Glocke verbunden ist. Wenn man außen zieht, gibt es im Inneren ein Signal, ohne daß der Bote, der an der Schnur zieht, ins Innere bzw. die Tür geöffnet werden muß. Diese interzelluläre Kommunikation dient aber nicht nur der Abstimmung, Einordnung und Abgrenzung von Zellen und Geweben, sondern eben auch der Kontrolle (und sogar der Vernichtung). So wird zum Beispiel sichergestellt, daß nur Zellen, die ein Signal für Wachstum erhalten, auch wirklich in ihrem Inneren die entsprechenden Prozesse starten.
Und aus diesem Netz von Kontrolle und Abhängigkeit von äußerer Steuerung muß sich befreien, was Gründungszelle eines autonomen Quasi-Organismus, denn das ist ein Tumor, werden soll. Um dieses Ziel zu erreichen, haben Tumorzellen im wesentlichen drei verschiedene Strategien entwickelt: Veränderung der extrazellulären Signale, Modifikation der transzellulären Signalübermittlung und/oder der intrazellulären „Verschaltungen“, die entscheiden, wie Signale von der Oberfläche verarbeitet werden.
Bestimmte sehr bösartige Hirntumore aber auch manche Weichteiltumore können zum Beispiel „lernen“, selbstständig Wachstumsfaktoren (PDGF und TGFα) herzustellen und auszuscheiden, so daß diese Wachstumsfaktoren von außen wieder an Rezeptoren derselben Zellen binden und so ein Wachstumssignal generieren können (das ist, wie einen langen Arm aus dem Küchenfenster strecken und von außen an der Klingelschnur an der eigenen Haustür zu ziehen). Eine andere Strategie für Tumorzellen besteht darin, viel mehr von den Rezeptoren herzustellen und in der Zellmembran zu lokalisieren als normal wäre. Das führt dazu, daß die Zellen viel empfindlicher für geringe Mengen um sie herum diffundierender Wachstumsfaktoren werden und bereits auf Konzentrationen davon reagieren, die normalerweise kein Signal auslösen würden. Diesen „Trick“ wenden z.B. Brustkrebszellen mit dem HER2/neu-Rezeptor an. Noch brachialer ist es, Rezeptoren herzustellen, die so modifiziert sind, daß sie auf „Dauerfeuer“ gestellt sind (das funktioniert durch entsprechende Mutationen in den Genen für die Rezeptoren). Wenn diese mutierten Moleküle dann in der Zellmembran verankert werden, senden sie ein beständiges Wachstumssignal ins Zellinnere, und zwar unabhängig davon, ob außen ein Wachstumsfaktor an sie gebunden hat.
Noch komplizierter sind Veränderungen im Inneren der Zelle, z.B. beim sogenannten SOS-Ras-Raf-MAPK-Signalweg, der normalerweise über zahlreiche Zwischenstationen Signale von Wachstumsfaktorrezeptoren in der Zellmembran bis in den Kern leitet, wo dann eine entsprechende Anpassung der Genregulation erfolgt. Bei ca. einem Viertel aller Tumoren sind bestimmte Komponenten dieses Signalwegs, die Ras-Proteine, strukturell so abgewandelt (wieder durch Mutationen in den zugehörigen Genen), daß sie auch dann Signale abgeben, wenn bei der Zelle gar kein Wachstumssignal eingegangen ist, man könnte sagen, die Tumorzellen schließen den Signalweg kurz.
Eine letzte, besonders „geniale“ und vermutlich bei Tumoren sehr verbreitete Methode besteht darin, daß Tumorzellen Einfluß auf die Zellen in ihrer Nachbarschaft nehmen. Wie oben schon erwähnt ist die direkte zelluläre Nachbarschaft von Tumoren keineswegs als völlig isoliert von den Tumorzellen zu sehen. Häufig arbeiten diese Zellen, die selbst nicht bösartig sind und manchmal sogar mit ihnen co-evolvieren, den Tumorzellen zu. So können Tumorzellen solche Nachbar- oder besser Helferzellen dazu bringen, Wachstumsfaktoren auszuschütten, die sie dann nutzen, um ihr eigenes Wachstum zu stimulieren.
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