Jemand wollte mich umbringen.
Mich und ungezählte andere.
Ich habe jetzt keine Angst. Oder Panik. Aber es ist irgendwie auch so unwirklich. Und es fühlt sich recht seltsam an, täglich an genau der Stelle am Bonner Hauptbahnhof zu stehen, an der am 10.12.2012 eine Tasche mit einer Bombe stand, die nur wegen eines technischen Fehlers nicht explodiert ist und andernfalls vermutlich Hunderte in den Tod gerissen hätte. Offenbar handelte es sich bei dem missglückten Anschlag um einen islamistischen Terrorakt. Also wieder einmal Terror im Namen der ’Religion des Friedens’, Terror im Namen eines der erfundenen Götter (und das in einem so entgegenkommenden Land, das erst unlängst in vorauseilendem Gehorsam die Möglichkeit zur Durchführung eines mit noch einem anderen archaischen Wüstenkult geteilten, blutrünstigen religiösen Initiationsrituals über die Menschenrechte stellte).
Wenn ich darüber nachdenke, was geschehen muß, um einen Menschen zu einer solchen Absicht zu befähigen, macht mich das traurig und ratlos zugleich. Ich frage mich dann, ob und wie ein solcher Bombenleger, der den Willen hat, im vermeintlichen Interesse und zum höheren Ruhme seines Gottes einen feigen Massenmord zu begehen, über seine Tat nachdenkt. Wie rechtfertigt er vor sich und seinem Gewissen aber auch vorm „großen Herzenskenner“, daß bei einer Explosion an einem Hauptbahnhof zur Hauptverkehrs- und zusätzlich noch Weihnachtsmarktbesuchszeit ganz sicher auch einige gläubige Moslems ums Leben kommen? Darunter vielleicht Kinder oder sogar ein Freund oder Familienangehöriger oder solche, die deutlich frömmer sind als er selbst. Und selbst wenn in seinen Augen die derart radikale Austragung des Dschihad die höchste und reinste Form islamischer Frömmigkeit wäre, wie stellte er sicher, daß er nicht mit seiner Bombe zufällig einen anderen Islamisten tötet, der das Potential oder sogar bereits konkrete Pläne hatte, eine noch viel größere Anzahl Ungläubige zu vernichten? Er muß doch davon ausgehen, daß seinem Allah das in der ihm zugeschriebenen Allwissendheit bekannt ist und er ihn für die ihm so entgangenen Ungläubigentode strafen, statt belohnen wird, zumal er ja, feige, wie er ist, nicht einmal den Märtyrer-Bonus der Selbstmord-Attentäter (u.a. offenbar 72 leckere Trauben) genösse. Es wäre also, in Anlehnung an Pascals dämliche Wette, doch bestimmt klüger, erst gar keine Bomben zu legen.
Aber selbst wenn der Bombenleger seine eigene Verdammnis nach verlorener Wette in Kauf nähme, um dem „höheren Zweck“ zu dienen, was wäre denn dieser? Was soll ein solcher Anschlag bringen? Ich frage mich das wirklich. Ich meine, welche weltlichen Reaktionen wird es, kann es wohl geben? Massenbekehrungen zum Islam, obwohl einen die Religionszugehörigkeit ja eben nicht vor solchen Bombenanschlägen schützt? Kaum. Werden sich die Lebensbedingungen für Moslems verbessern? Sehr unwahrscheinlich, eher wird, im Gegenteil, dies Wasser auf die braunen Mühlen sein. Wird es die Glaubwürdigkeit des Islams als Religion des Friedens stärken? Nicht gerade plausibel, wenn offenbar selbst für einen islamischen Geistlichen in nicht unter 600 Seiten darstellbar ist, daß man den Islam auch friedlich auslegen kann. Wird man sich entschließen, nun alle Truppen aus islamischen Ländern abzuziehen, die dort zum Teil deswegen stationiert sind, um die systematische Heranbildung genau solchen Terrors zu verhindern? Mitnichten, kein Terroranschlag hat jemals eine Veränderung zu Gunsten der Terroristen gebracht. Wird es wenigstens (Ehr)Furcht gegenüber dem Islam erzeugen? Vielleicht, aber auch Mißtrauen und in wessen Interesse läge das? Bestimmt nicht in demjenigen der 99,x % friedlichen Moslems, die hier leben (müssen oder wollen) und bisweilen den Unmut über solche Taten an der Statt der eigentlich Schuldigen mehr oder weniger direkt abbüßen müssen.
Was bleibt also? Woher kommt so ein unbändiger Hass und wie entsteht eine derart unmenschliche Abstumpfung, die einen Menschen zu solchen Taten – ob vollendet oder nicht – befähigt? Wie läßt sich das eigentlich natürliche und alle Moral begründende menschliche Mitgefühl so restlos abtöten? Ob durch Religion allein, vermag ich nicht zu sagen, aber ich bin überzeugt, daß die Religion dabei eine bedeutende Rolle spielt und der schädliche Einfluss, den sie auf den menschlichen Geist hat und es bedrückt mich, daß sich für solchen Terror offenbar mühelos religiöse Motive finden lassen, daß diesem gnadenlosen Hass der Schuh der Religion so vorzüglich passt.
„Religion ist eine Beleidigung der Menschenwürde. Ohne sie würden gute Menschen Gutes tun und böse Menschen Böses. Aber damit gute Menschen Böses tun, dafür bedarf es der Religion.“
Steven Weinberg
Wenn ich jetzt am Bahnhof stehe, an jener Stelle, dann denke ich: jemand wollte mich umbringen, aus Hass und im Namen seiner Religion.
Mich und ungezählte andere.
Das ist kein gutes Gefühl.
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Nachtrag am 27.12.12.:
Ein guter Artikel mit ähnlichem Tenor findet sich hier:
Die Erkrankungen der Religion, von der Benedikt sprach, sind heute epidemisch; der Wahn, im Alleinbesitz der Wahrheit zu sein, ist die tiefste Ursache des Totalitarismus. Dieser Wahn, und nicht die gutmütige Gottlosigkeit unseres aufgeklärten Alltags, ist die größte Gefahr für den Frieden – auch für den Seelenfrieden – im Jahr des Heils 2013.
(fett von mir)
Update am 03.04.2017: Heute wurde bekannt, daß der Hauptverdächtige des versuchten Bombenanschlags, Marco G., wegen der Tat zu lebenslanger Haft veurteilt wurde.
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