Die Institution der katholischen Kirche ist nahezu vollständig von diesem „Bösen“ durchwuchert und sehr sehr weit von den großzügig als christlich bezeichneten Werten abgefallen. Und sie „stinkt“ vom Kopf her: man sollte sich klarmachen, daß alles, was wir heute wissen, nur gegen den erbitterten Widerstand, trotz erheblicher Obfuskation und ohne jedes Entgegenkommen der Kirche bekannt geworden ist und sehr wahrscheinlich nur die Spitze eines wahren Ungetüms von Eisberg darstellt. Ihre Mitarbeit beim neuesten Versuch einer objektiven Aufarbeitung des gewaltigen Kinderschänderverbrechens hat die katholische Kirche ja gerade erst gekündigt (s.o.), das Unterdrücken von Aufklärung und unliebsamen Erkenntnissen ist ihr schließlich jahrhundertelang gepflegte Tradition.
Ich bin daher überzeugt, daß viele wenn nicht die meisten Katholiken angesichts dieser vielen und immer neuer derartiger Einsichten „ihre“ Kirche durchaus kritisch sehen. Doch bevor ich zu meiner wichtigsten Frage komme, möchte ich noch etwas anderes wissen: Wodurch ist man/frau eigentlich KatholikIn, ich meine, was sind die spezifisch-katholischen Vorstellungen, Werte oder Qualitäten?
Sicher nicht der Glaube. Weder ist jede(r) Gläubige KatholikIn noch jede(r), der/die sich als KatholikIn bezeichnet, gläubig. Genausowenig kann der Trost durch bzw. die Bedürftigkeit nach Glauben untrennbar mit dem Katholizismus verbunden sein. Daraus folgt auch, daß man nicht ungläubig ist oder wird, sobald man aufhört, katholisch zu sein.
Auch das Christ-Sein oder Sich-als-Christ-Empfinden ist nicht spezifisch-katholisch, wie man an den Evangelischen, den Anglikanern oder anderen nicht-katholischen Christen sieht. Herr Ratzinger ist doch sicher kein Aushängeschild des Christentums oder gar ein Vorbild, dem es nachzueifern gölte. Sollte man also Jesus und die christlichen Gottesvorstellungen als Zentrum seines Glaubens ansehen, muß man nicht notwendigerweise der katholischen Kirche angehören.
Das gute Gewissen? Daß die katholische Kirche „viel Gutes tue“ und man durch Entrichtung der Kirchensteuer, die viele wohl eher als eine Spende ansehen, indirekt daran teilhabe, ist ja längst widerlegt, was aber wahrscheinlich noch nicht ausreichend bekannt ist. Nur ein winziger Bruchteil der Einnahmen der Kirche kommt ja wirklich wohltätigen Zwecken, zu denen ich jetzt mal nicht Anwaltsgehälter oder Schweigegelder bei Kinderschänderprozessen rechne, zu und außerdem sind die Einrichtungen der Kirche arbeitsrechtlich undemokratisch und zum Teil betriebsverfassungswidrig. Man könnte also, statt Kirchensteuer zu zahlen, nur die Hälfte dieses Betrags jeden Monat an wohltätige Organisationen spenden und hätte mehr getan, als zuvor. Denn daß der liebe Gott mit einem Kassenbuch an der Himmelspforte sitzt und für fehlende Kirchensteuer“spenden“ Strafen verteilt, glaubt doch sicher niemand wirklich.
Oder ist es nur mal wieder die gute alte Tradition/Vererbung? Ist man also nur und ausschließlich deshalb KatholikIn, weil man es gewohnt ist, weil es immer so war und/oder weil die Eltern es waren? Ich finde, das ist kein guter Grund. Man übernimmt ja auch nicht unbedingt den Musikgeschmack, die Parteizugehörigkeit oder die Speisevorlieben der Eltern, bricht also durchaus mit deren Tradition ohne dabei jedoch generell auf Musik, politische Teilhabe und Essen verzichten zu müssen. Wo ist das Problem, selbst wenn man gläubig/religiös sein oder bleiben möchte, anzuerkennen, daß das Tradierte, Gewohnte einfach nichts (mehr) taugt und dann den „Verein“ oder die „Geschmacksrichtung“ zu wechseln?
Also, falls Sie KatholikIn sind: wodurch fühlen Sie sich als KatholikIn? Und noch eine letzte Frage, bitte, ich will es ehrlich verstehen (und freue mich über Ihre Antwort in den Kommentaren): erklären Sie mir – und ganz besonders, falls Sie eine Frau und gar Mutter sind-:
Wie kann man noch Katholik sein?!
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Nachtrag am 25.1.13: Diesen Artikel gibt es nun auch auf Spanisch auf “Una Ventana Abierta“, einem chilenischen Blog über Atheismus, Religionskritik und Wissenschaftsthemen
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