Unseren sich inzwischen ausweitenden und derzeit nur von uns bearbeiteten Forschungsbereich, den wir intern „molekulare Ballistik“ nennen und der rechtsmedizinische und wundballistische Aspekte und Techniken mit Methoden und Möglichkeiten der forensischen Molekulargenetik integriert, habe ich hier anhand der Präsentation zweier unserer Teilprojekte ja bereits vorgestellt.
Nachdem wir mit unseren ersten Erkenntnissen ein wenig „um die Häuser gezogen“ sind, sie also auf ein paar Kongressen (u.a. in Bonn, Freiburg und Hannover) aber auch einer Landeslehrveranstaltung der Polizei von NRW vorgestellt haben, hatten wir kürzlich Gelegenheit, unsere Methode in einem echten und ziemlich schlimmen Kriminalfall zur Anwendung zu bringen.
Wer sich auf die Lektüre mit der Rekapitulation einiger Grundlagen der forensischen Genetik vorbereiten möchte, könnte sich die entsprechende Serie, die ich dazu geschrieben habe (hier die erste Folge) zu Gemüte führen.
Der Fall:
Der Täter, ein Familienvater, ermordet in seiner Wohnung seine Frau und Kinder (beide unter 10 Jahre), indem er insgesamt fünf Mal mit einer Faustfeuerwaffe (Typ Pistole) auf sie schießt. Nach der Tat flieht er, die Waffe läßt er zurück. Die Polizei ist 4 bis 10 Stunden nach der Tat am Tatort und sichert die Spuren. Die Obduktion ergibt, daß alle drei Opfer durch Schußverletzungen am Kopf oder am Oberkörper zu Tode kamen.
Die vorliegenden Befunde ermöglichen aber keine vollständige Rekonstruktion des Tathergangs, da nicht klar ist, ob alle Opfer mit derselben Waffe und aus nächster Nähe erschossen worden waren. An dieser Stelle traten wir auf den Plan.
Unsere Analyse:
Wir erhielten vom LKA aus Düsseldorf die DNA-Profile aller Opfer und des Täters, sowie die Tatwaffe, die wir mit unserer Methode auf Spuren von Opfer-DNA untersuchen sollten.
Zunächst führten wir aber auf Grundlage der DNA-Profile der an der Tat beteiligten Personen eine Verwandtschaftsanalyse durch, um festzustellen, ob jene wirklich auf die behauptete Weise miteinander verwandt waren.
Dabei bestätigte sich, daß die beiden Erwachsenen (1 und 2) miteinander biologisch unverwandt jedoch beide mit hoher Wahrscheinlichkeit (W > 99,999999%) die Eltern beider Kinder (3 und 4) waren.
Das würde die folgenden Untersuchungen deutlich verkomplizieren, denn wenn wir DNA der Opfer in der Waffe finden würden, dann stammte sie ja von drei eng miteinander verwandten Personen, die aber dennoch voneinander unterschieden werden müssten, um die ungeklärte Frage beantworten zu können. Anschließend verglichen und analysierten wir die DNA-Profile der vier Beteiligten und konnten feststellen, daß sowohl der Mann als auch die Frau 3 bzw. 4 einzigartige Merkmale besaßen (mit ‚einzigartig’ meine ich in diesem Zusammenhang, daß diese Merkmale bei keiner anderen der beteiligten Personen auftraten). Die Kinder, die von den beiden Erwachsenen abstammten, konnten natürlich keine vollständig einzigartigen Merkmale besitzen. Allerdings wiesen der Junge und das Mädchen 6 bzw. 5 Merkmale auf, die einzigartig unter den Opfern, also weder bei der Mutter noch dem anderen Geschwister feststellbar waren. Diese Feststellungen würden uns später dabei helfen, die Opfer in einem komplexen DNA-Mischprofil zu erkennen und voneinander zu unterscheiden.
Dann nahmen wir uns die Waffe vor und sie erst einmal komplett auseinander. Eine Pistole ist deutlich komplizierter aufgebaut als ein Revolver und es gibt daher mehr innere Teile, an denen sich der Backspatter aus biologischem Material eines Opfers finden kann.
Wir nahmen schließlich insgesamt 8 Proben von der Mündung (#1), der inneren Oberfläche des Laufes von vorne (#2) und hinten (#3), der Hinterseite der „Kappe“, also der vorderen Abdeckung der Pistole (#), der Außenfläche des Laufs im Vorderbereich (#, s. Abbildung obere Hälfte) und durch ein Fenster im Gehäuse (#, s. Abbildung untere Hälfte) und der inneren Oberfläche des Schlittens im vorderen (#) und hinteren (#) Bereich.
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