Die Proben verarbeiteten wir wie in den Artikeln zum Projekt bzw. der Serie zu den forensisch-genetischen Methoden (s.o.) ausführlich beschrieben: Exktraktion (mit „magnetic beads“), Quantifizierung, STR-Multiplex-PCR, Kapillarelektrophorese und DNA-Profilerstellung.
Ergebnisse
Als wir uns die Profile ansahen, staunten wir nicht schlecht, da sie unsere Erwartungen sogar noch übertrafen und uns in unserer Empfehlung, das Waffeninnere grundsätzlich als mögliche Quelle forensischer Evidenz anzusehen, bestätigte: bei sechs von acht Proben fanden sich reichhaltige und gut analysierbare DNA-Mischprofile, die schon beim ersten Blick darauf schließen ließen, daß sich in der Waffe die DNA mehrerer Personen befand.
Zuerst wollten wir den Täter als mögliche Quelle von Kontamination ausschließen. Unsere Theorie besagt ja, daß das Waffeninnere ein von äußerer Kontamination besonders geschützter Raum ist. Und in der Tat konnten wir bei allen sechs Mischprofilen den Täter als Mitverursacher ausschließen, da keines seiner einzigartigen Merkmale darin nachweisbar war.
Damit war geklärt, daß die Mischprofile von einem oder mehreren der Opfer und möglicherweise noch anderen Unbekannten stammten.
Um eine Aussage über die Beteiligung der Opfer machen zu können, legten wir fest, daß ein Opfer als möglicher Mitverursacher des Mischprofils gelten konnte, wenn nicht mehr als 2 seiner Merkmale in der Mischung fehlten.
An der Tabelle erkennt man, mit wie vielen seiner jeweils gesamten Merkmale (Mutter: 29, Sohn 31, Tochter 30) das jeweilige Opfer im jeweiligen Mischprofil des jeweiligen Asservats vertreten ist. Beim Profil des Asservats #1 konnten beispielsweise die Mutter und der Sohn, nicht jedoch die Tochter (bei der 3 Merkmale fehlten) als Mitverursacher angesehen werden. Es wird ersichtlich, daß bei den Asservaten #5 bis #8 alle drei Opfer als Mitverursacher in Frage kamen.
Doch wie kann man unterscheiden, ob es wirklich alle Opfer waren und nicht nur zwei? Man bedenke, daß die Opfer eng miteinander verwandt waren und eine große Anzahl von Merkmalen dadurch gemeinsam haben.
Dies gelang uns durch die Analyse der einzigartigen Merkmale, die jedes Opfer besaß und die es von den beiden anderen Opfern unterscheidbar machten (s.o.). Wir untersuchten also im nächsten Schritt, wie viele dieser einzigartigen Allele von jedem Opfer in den Mischprofilen vorhanden waren und legten fest, daß wir ein Opfer als identifiziert und von den anderen Opfern unterschieden ansahen, wenn mindestens 3 seiner einzigartigen Allele feststellbar waren.
Der Tabelle, die nur diejenigen Asservate einbezieht, für deren DNA-Profil mindestens eins der Opfer als Mitverursacher in Frage kam (s.o.), kann man entnehmen, daß bis auf Asservat#1 alle Opfer in allen Asservatprofilen identifiziert und von den anderen Opfern abgegrenzt werden konnten: die Zahlen geben jeweils die Anzahl detektierter einzigartiger Allele an (grüne Einfärbung zeigt dabei eine erfolgreiche Identifikation an).
Interessant war übrigens, daß ausgerechnet im Inneren des Schußwaffenlaufs keine profilierbare DNA mehr erhalten war. Dies könnte damit zusammenhängen, daß durch den Lauf in kurzer Folge insgesamt fünf Schüsse abgegeben worden waren. Wir hatten zwar gezeigt, daß die DNA im Lauf einen Nachschuß aushalten kann, doch dieser erfolgte stets einige Zeit nach dem ersten Schuß, so daß das Spurenmaterial Gelegenheit hatte, sich im Lauf zu konsolidieren. Möglicherweise ist kann eine höhere Anzahl von direkt hintereinander abgefeuerten Schüssen diesen Prozess stören, so daß im Lauf selbst nicht ausreichend DNA für eine Analyse zurückbleibt.
Fazit:
Im hier beschriebenen (und neulich in Halle präsentierten) Fall konnten wir erstmalig unsere molekularballistische Methode zur Aufklärung des Tathergangs bei einer Mordermittlung einsetzen. Dabei hat sie sich sehr gut bewährt, indem sie den Nachweis ermöglichte, daß alle Opfer in der Tat mit derselben Waffe und aus nächster Nähe erschossen worden waren.
Der Erfolg in dieser praktischen Anwendung bestätigt zudem unsere Vermutungen zum Entstehungsprozess von biologischen Spuren nach Schußwaffenverletzungen und zur Auswertbarkeit solcher Spuren im Rahmen forensischer Ermittlungen. Beides ist derzeit Gegenstand unserer Forschungsarbeit.
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