Die Botschaft aller frommen Lieder und Preisungen “des Höchsten” war stets, daß Gott für Gerechtigkeit und Gnade steht. Die Ungerechtigkeit unter den Menschen jedoch wird immer größer. Die Frevel, die gegen die Massen in diesem Land allein begangen werden, scheinen genug, um selbst die Himmel zu überfluten. Doch wo sind die Götter, um all diesem Schrecken, diesem Unrecht, dieser Unmenschlichkeit gegen die Menschen ein Ende zu setzen? Nein, nicht die Götter, der Mensch muß sich mit seinem machtvollen Zorn dagegen erheben! Er, getäuscht von allen Göttern und verraten von deren Gesandten, er, er selbst muß Gerechtigkeit über die Erde bringen.
Die Philosophie des Atheismus’ drückt sich aus in Wachstum und Entfaltung des menschlichen Geistes. Die Philosophie des Theismus’, wenn wir diese überhaupt als solche bezeichnen können, ist statisch und unbeweglich. Allein der bloße Versuch, diese Mysterien zu durchdringen, stellt aus der theistischen Sichtweise den Unglauben an die allumfassende Allmacht und sogar die Leugnung der Weisheit der göttlichen Mächte außerhalb des Menschen dar. Glücklicherweise jedoch war der menschliche Geist niemals in Unbeweglichkeit gefesselt und kann es auch niemals sein. Er strebt stets voran in seinem rastlosen Drängen zu Wissen und Leben. Der menschliche Geist erkennt „daß das Universum nicht das Ergebnis eines schöpferischen ‚Fiat’ irgend einer göttlichen Intelligenz ist, die aus dem Nichts ein perfekt funktionierendes chaotisches Meisterwerk schafft“, sondern ein Produkt des Wirkens chaotischer Kräfte durch Äonen, von kosmischen Kollisionen und Kataklysmen, von Abstoßung und Anziehung, welche durch das Prinzip der Selektion zu etwas kristallisieren, das Theisten als „zu Ordnung und Schönheit geführtes Universum“ bezeichnen. Wie Joseph McCabe in seinem „Die Existenz Gottes“ gut ausführt: „ein Naturgesetzt ist keine von einem Gesetzgeber gefasste Formel, sondern lediglich eine Zusammenfassung der beobachteten Tatsachen, ein ’Bündel von Tatsachen’. Die Dinge verhalten sich nicht auf eine bestimmte Weise, weil es ein Gesetzt gibt, sondern wir formulieren ein ’Gesetz’, weil sie sich so verhalten.“
Die Philosophie des Atheismus’ ist ein Konzept des Lebens ohne jegliches metaphysisches Jenseits oder einen göttlichen Lenker. Sie ist das Konzept einer eigentlichen, wirklichen Welt mit ihren befreienden, sich stets erweiternden und bereichernden Möglichkeiten, im Vergleich zu einer unwirklichen Welt, die mit ihren Geistern, Orakeln und armseliger Selbstzufriedenheit die Menschheit in hilfloser Erniedrigung gehalten hat. Es mutet wie ein wüstes Paradoxon an und ist doch so erbärmlich wahr, daß diese echte, sichtbare Welt und unser Leben darin so lange Zeit unter dem Einfluss metaphysischer Spekulation statt physisch nachweisbarer Kräfte stehen konnte. Unter der Geissel der theistischen Idee diente diese Erde keinem anderen Zweck als eine Durchgangsstation zu sein, in der das Ausmaß menschlicher Aufopferungsbereitschaft für den göttlichen Willen geprüft wurde. Doch in dem Augenblick, da der Mensch versuchte, die Natur dieses Willens zu ergründen, belehrte man ihn, daß es vollkommen vergeblich für den „begrenzten menschlichen Verstand“ sei, einen allmächtigen, unbegrenzten Willen erfassen zu wollen. Vom gewaltigen Gewicht dieser Allmacht in den Staub niedergedrückt blieb der Mensch eine willenlose Kreatur, gebrochen und schweißüberströmt in der Dunkelheit.
Der Triumph der Philosophie des Atheismus besteht darin, den Menschen vom Alptraum der Götter zu befreien; er bedeutet die Auflösung der Phantome des Jenseits. Wieder und wieder hat das Licht der Vernunft den theistischen Alptraum vertrieben, doch Armut, Elend und Angst haben die Phantome stets erneut heraufbeschworen, die sich, ob alt oder neu und gleich in welcher äußerlichen Gestalt, kaum in ihrer Essenz unterschieden. Der Atheismus als philosophische Haltung andererseits verweigert sich nicht nur der Anerkennung eines bestimmten Konzepts von Gott, er lehnt auch jede Gefolgschaft gegenüber der Gott-Idee ab und steht dem theistischen Prinzip als solchem genau entgegen. Die Götter in ihrer individuellen Funktion sind nicht halb so verderblich wie das Prinzip des Theismus, welches den Glauben an ein übernatürliches oder sogar allmächtiges Wesen repräsentiert, das die Geschicke der Erde und der Menschen darauf lenkt. Es ist der Absolutismus des Theismus, sein verderblicher Einfluss und lähmende Wirkung auf das Denken und Tun, das der Atheismus mit aller Macht bekämpft.
Kommentare (84)