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Ein paar (von mir empfundene) Längen des Buchs sind wohl dem Ehrgeiz des Autors zu historischer Akkuratesse geschuldet aber insgesamt haben wir hier eine ordentlich geschriebene moderne Abenteuergeschichte mit Bibliotheken und Geheimschriften, einer Schatzsuche mit Expedition im Dschungel, Fallen, Indianermythen, Mord, Totschlag und waffengewaltigem Actionthrill in unterirdischen Tempelanlagen mit deren unheimlichen Bewohnern. Ich bin kein großer Freund und Kenner dieses Genres, aber Stimmung und Flair der Geschichte dürften am ehesten einer Mischung aus Indiana Jones und Jurassic Park entsprechen.

Doch da ist ja noch die andere, besondere und für mich interessantere Komponente des Romans: der Streit zwischen den Weltanschauungen, der in zwei Lagern geführt wird und hier lohnt es sich, die Kontrahenten etwas genauer zu betrachten. Im ersten Lager ficht Brea McLoughlin, eine überzeugte Atheistin vom Typus Dawkins/Hitchens/Harris (charakteristische Stelle: „Ich hasse alle Religionen von ganzem Herzen“) gegen den zu Beginn des Buches überzeugten und gläubigen Priester d’Albert und dessen katholischen Glauben (charakteristische Stelle: „Gott ist gerecht. Gott ist Gnade. Gott ist das Licht. Alles ist gut und richtig, genau so, wie es ist“).

Im zweiten Lager streiten der Biologe Pérez, Inhaber eines szientistischen Weltbildes und überzeugt von der Richtigkeit der darwinschen Evolutionstheorie und der türkische, islamische Kreationist Adem Tanriverdi mit seiner kindlich-voraufgeklärten Vorstellung einer dioramenhaft von Allah geschöpften Welt (charakteristische Stelle: „Allah hat sich mir offenbart!“), der die Evolutionstheorie strikt ablehnt und dabei ganz deutlich an Harun Yahya angelehnt ist, welcher im Buch auch als Kollege Tanriverdis bezeichnet wird.

Es kommt im Buch zu mehreren Schlagabtauschen zwischen den Parteien, im Verlaufe derer Schulte von Drach die Duellanten beider Seiten zahlreiche klassische Argumente und die jeweiligen Erwiderungen darauf vortragen läßt. In den Disputen McLoughlin vs d’Albert geht es vor allem um die philosophischen, während Pérez vs Tanriverdi sich über die naturwissenschaftlichen Implikationen einer Welt mit bzw. ohne Gott streiten. Daß, im Auge des Betrachters, aus diesen Begegnungen jeweils meist die Vertreter von Wissenschaft und Atheismus siegreich hervorgehen, liegt dabei jedoch nicht an einer (wahrscheinlich durchaus vorhandenen) Parteilichkeit des Autors, der die argumentative Landschaft recht neutral abbildet, sondern schlicht daran, daß, mit Verlaub, unsere Seite einfach die besseren Argumente hat. Ich möchte sie nicht alle aufführen, sondern exemplarisch auf einige eingehen:

Von d’Albert wird zunächst versucht, die Zulässigkeit wissenschaftlichen Hinterfragens durch das NOMA-Gambit zu verneinen. McLoughlin läßt ihn damit auflaufen und es folgt eine Diskussion für und wider die Berechtigung der Theologie, deren beste Argumente McLoughlin treffend als „wohlklingende Behauptungen, die nur aufgrund ihrer Ästhetik ständig wiederholt werden und nicht etwa, weil sie fundiert wären“ enttarnt.

Die unausweichliche Diskussion um Gut, Böse und Theodizee darf natürlich auch nicht fehlen: während d’Albert Jesus/Gott als einziges Fanal des Lichts in der menschimmanenten und unter dem Schatten der Erbsünde entspringenden „schmutzigen Flut des Bösen“, ohne den es kein Gutes geben kann, preist, zeigt McLoughlin, daß die Erbsünde, ein abscheuliches Konzept, das ironischerwiese höchstwahrscheinlich einem Übersetzungsfehler durch Augustinus zu verdanken und doch zu einer zentralen Idee des Christentums geworden ist, auf dem absurden Mythos von Adam und Eva beruht, also selbst ein Mythos ist. Außerdem verweist sie auf die unaussprechlichen Verbrechen, die seit frühester Zeit und bis heute im Namen der Religionen, auch und insbesondere des Christentums begangen wurden und werden und stellt fest, daß es bei allen bösen Taten, verbrochen von Religiösen oder Atheisten, immer nur um Macht und Einfluss gehe und daß für alles Leid jenseits von Krankheit und Naturkatastrophen die einzige Ursache Ungerechtigkeit sei.

Der Mensch, so zitiert d’Albret daraufhin den Papst, werde durch die “Fähigkeit geheilt, Leid anzunehmen, in ihm zu reifen und Sinn zu finden durch die Vereinigung mit Christus”. Dessen Forderungen kann man aber nur folgen, wenn man ihm oder besser, wenn man an ihn und an ein Jenseits glaubt. Womit man wieder am Anfang des Problems ist, dessen religiöse Lösung d’Albert so zusammenfasst: „Letztlich läuft alles darauf hinaus, bestimmte, gut begründete Vorgaben zu akzeptieren“.

flattr this!

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Kommentare (18)

  1. #1 roel
    *****
    10/04/2013

    @Cornelius Courts “Spoilerwarnung: Im Rahmen der folgenden Rezension werde ich zentrale Teile der Geschichte ansprechen, wodurch Nochnichtgelesenhabenden die Spannung verdorben werden könnte. Solche Abschnitte werde ich daher kursiv setzen und jede(r) liest auf eigene Gefahr.”

    Gute Idee! Ich musste zwei mal hingucken, ob und welche Teile kursiv dargestellt sind. Vielleicht können Sie die nicht zentralen Texte fett oder farbig markieren.

  2. #2 rolak
    10/04/2013

    Eine durchaus übliche Tarnung in Ermangelung eines aufklappenden ‘spoiler’-buttons im blog-Baukasten ist das sichtbare Klammern in seltene Zeichen (zB ℑ…ℜ, was zusätzlich selbstredend wäre) und das Einfärben des Inhaltes in ‘Hintergrund’, so daß er nur mittels Markieren sichtbar wird.

    Ich hoffe doch, daß von dem Teil auch mal eine TB-Ausgabe geplant ist, die Handlung klingt ja wie aus sieben Werken zusammengewürfelt – doch das ist wohl kaum anders zu erwarten bei der unglaublichen Menge von bereits Vorhandenem. Davon unabhängig scheint es eine angenehme Reiselektüre zu sein. Nicht zu schwer, auf keinen Fall zu langweilig.

  3. #3 rolak
    10/04/2013

    Herrschaftszeiten, völlig vertrödelt, senil: Schönen Dank für die ausführliche Übersicht, Cornelius!

  4. #4 Bloody Mary
    10/04/2013

    Ich kann mich des Verdachts nicht erwehren, dass diese Rezension wesentlich kurzweiliger, sprachmächtiger und pointierter als deren Gegenstand sein könnte.

    Und für solche Sätze muss man (also ich tu’s jedenfalls) Dich einfach lieben:

    „Man erhält einen Überblick über die häufig anzutreffenden Argumente und sieht, wie sie in einer Diskussion, in der sich die Gesprächspartner respektieren, funktionieren können.“

    und

    „Ich selbst kann mich durchaus mit […] identifizieren, die sich trotz aller Widerstände […] und der Befürchtung, daß alles, was sie tut, vergeblich sein könne, immer wieder aufrafft, deutlich zu sagen was sie über Religionen denkt, […]um […]„ein gutes Leben im Diesseits […] [zu] leben – gut für sie und gut für andere“.

    Keep the fire burning with a little help from your friends.

  5. #5 BreitSide
    11/04/2013

    ööö

  6. #6 rolak
    11/04/2013

    kann mich des Verdachts nicht erwehren

    Ok, Bloody Mary, das Fazit scheint vorsichtig formuliert (“kann interessant sein”), das Sujet des schatzsuchenden Abenteurers mag weitestgehend ausgelutscht sein – allerdings firmiert das Werk unter Roman, Subspezies Fantasy-Thriller – somit ist das einzige angemessene Kriterium imho ‘langweilig?’ bzw fühlt man sich nach dem Lesen unterhalten, unerfüllt oder gar um die Zeit betrogen?
    Letztlich klingt des Fazits ‘spannend’ und ‘dazulernen’ ja gar nicht so schlecht – was allerdings in keiner Weise so etwas wie ein Gegenbeweis für Deine Befürchtung sein kann oder soll.

  7. #7 erdmännchen
    11/04/2013

    Spoilerwarnung hin oder her – die Neugier verleitet doch dazu, auch die kursiven Teile zu lesen. Die klingen allerdings ziemlich krude – und ich war danach schon geneigt, mir das Buch nicht zu besorgen. Am Ende besagt die Rezension insgesamt aber “Mythos ist ein gutes Buch … ” das Hand und Fuß zu haben scheint. Also doch lesen?

  8. #8 Cornelius Courts
    11/04/2013

    @erdmännchen: “Also doch lesen?”

    Kann ich Dir nicht beantworten. Wenn Du Abenteuergeschichten mit den angesprochenen Elementen magst und Dich nicht daran störst, zwischendurch mal abzuschweifen, philosophischen Streitgesprächen zu folgen und auf gutem Niveau über etwas anderes nachzudenken, dann ja. Wenn nicht, dann wohl eher nicht…

  9. #9 roel II
    11/04/2013

    roel, Sie haben recht. Das Kursive ist nur schwer ersichtlich und je nach Browser gar nicht. Hinsichtlich dessen besteht hier noch Optimierungsbedarf. Ihre Vorschläge werden bisweilen ignoriert, was ich von Herrn Courts gar nicht gewohnt bin.

  10. #10 roel
    *****
    11/04/2013

    @roel II Danke! Ich finde rolaks Vorschlag mit dem Einfärben sehr gut. Ich weiß aber nicht ob das hier geht. Hier ein kleiner Test Weiße Schrift Weiße Schrift

  11. #11 roel
    *****
    11/04/2013

    Hat nicht geklappt! Schade.

  12. #12 rolak
    11/04/2013

    nun ja, roel, den Kommentierenden steht auch nur ein winziger Teil der HTML-Sprache zum Gebrauch zur Verfügung, da hat Cornelius ganz andere Freiheiten…

    • #13 Cornelius Courts
      12/04/2013

      habe die Erkennbarkeit der Spoilerabschnitte nun verbessert

  13. #14 roel
    *****
    11/04/2013

    hm, rolak, gibt es eine Aufstellung?

  14. #15 roel II
    12/04/2013

    @Cornelius Courts

    Herr Courts, Sie und ich würden es sicherlich begrüßen, wenn man ihrerseits mehr auf die Forderungen von berechtigten Wünschen von treuen Blogkommentatoren (wie roel) eingehen würde. Ihre Uneinsichtigkeit ist diesbezüglich derweilen noch befremdlich, doch ich hoffe auf eine Verbesserung der Gesprächskultur von Ihnen gg. roel und anderen.

    • #16 Cornelius Courts
      12/04/2013

      Herr Courts, Sie und ich würden es sicherlich begrüßen, wenn man ihrerseits mehr auf die Forderungen von berechtigten Wünschen von treuen Blogkommentatoren (wie roel) eingehen würde.

      Ich muß gestehen, daß Ihr Kommentar in mir eine bizarre aber intensive Erheiterung ausgelöst hat. Er gehört bestimmt zu den merkwürdigsten, die ich hier bisher las.
      Zunächst gibt sich jemand als, was?, erweiterte, verbesserte, “reloaded”-Version von roel aus, zu Zwecken der entweder Hommage oder Solidaritätsbekundung (beides vollgrotesk), was, falls roel hier nicht selber als seine Kopie fungiert, schon mal höchst absonderlich ist.
      Dann unterstellen Sie mir, es begrüßenswert zu finden, auf die Forderungen (!) von treuen Kommentatoren, wie roel (!), einzugehen. 😀
      An dem Satz stimmt ja überhaupt nichts. Weder begrüße ich es auf Forderungen einzugehen, noch hat hier irgendwer Forderungen zu stellen (man kann bitten oder anregen, s. rolak, fordern können Sie beim Barras), noch ist ausgrechnet roel ein treuer (nicht zu verwechseln mit häufiger und grundsätzlich das Thema ignorierender) Kommentator.
      Von Uneinsichtigkeit wäre, weiters, dann erst zu reden, wenn ich Ihnen als Replik auf Ihr Ansinnen, z.B. mittels eines Kommentares, in welchem ich Ihnen die linguale Kontaktaufnahme mit bestimmten meiner exkretorischen Orificien nahegelegt hätte, zu verstehen geben suchte, daß ich Ihrer Bitte nicht zu entsprechen gedächte. Dies ist nicht passiert. Sollten, endlich, bzgl. meines Umgangs mit Kommentatoren oder “Gesprächskultur” Unklarheiten bestehen, schauen Sie doch hier noch einmal nach und gehen inskünftig mit gutem Beispiel voran.

  15. #17 roel
    *****
    12/04/2013

    @Cornelius Courts Jetzt haben Sie zusätzlich zur Kursivschrift noch #### zur Kennzeichnung gewählt. Die Rauten fallen auch gleich ins Auge. Dennoch, denke ich rolaks Vorschlag, wenn denn umsetzbar, mit der Einfärbung ist dieser Lösung deutlich überlegen. Da Sie ihre Rauten auch mittig zwischen den verschiedenen Teilen gesetzt haben, sind die zwar hilfreich beim ununterbrochenen Lesen, wenn man aber unterbricht und wieder einsteigt oder an einer bestimmten Stelle nochmal anfängt, verliert man leicht den Überblick. Wie wäre es denn mit “Anfang #### Anfang” und “Ende #### Ende”?

  16. #18 rolak
    12/04/2013

    bizarre aber intensive Erheiterung

    🙂 Mit dem dadurch ausgelösten Grinsen bin ich heute morgen zur Arbeit gefahren…