Diese Akzeptanz, nämlich der Glaube, wird ebenfalls diskutiert und Schulte von Drach anerkennt durchaus dessen tröstliche Wirkung, aus der manche, sehr gläubige Menschen große Kraft und respekteinflössende Haltung selbst in größter Not und Verzweiflung zu gewinnen vermögen, so z.B. Tanriverdi als er umgebracht wird. Doch, wie McLoughlin richtig feststellt, macht die Intensität, mit der ein Mensch an etwas glaubt und es für wahr hält, z.B. ein Leben nach dem Tod, das Geglaubte darum nicht wahr oder auch nur ein winziges Bißchen wahrscheinlicher. Es beruhigt und tröstet höchstens die Gläubigen: das Jenseits wird somit zum „größten Placebo der Welt“.

Auch die Bibel nehmen sich die beiden vor: beide picken sich die zu ihren Argumenten passenden Rosinen aus dem Buch, woraus ersichtlich wird, daß man für jede Handlung, ob Nächstenliebe oder Sklaverei, ob Güte und Vergebung oder Mord und Totschlag, eine biblische Rechtfertigung finden kann. Daraus folgt natürlich, wie auch Dawkins schon ausgeführt hat, daß niemand der Bibel eine widerspruchsfreie Anleitung zu gutem Leben und Handeln entnehmen kann und sie daher als moralische Grundlage zu verwerfen ist.

Ich selbst kann mich durchaus mit dem Furor und der Motivation von Brea McLoughlin identifizieren, die sich trotz aller Widerstände und Fährnisse, trotz der Mühsal auf ihrem Weg und der Befürchtung, daß alles, was sie tut, vergeblich sein könne, immer wieder aufrafft, deutlich zu sagen was sie über Religionen denkt, denn „wenn andere ihr Leben [aufgeben] für einen Glauben, dann [kann] sie wohl die Unbequemlichkeiten und Frust auf sich nehmen, um für ihre Sache zu streiten“ und „ein gutes Leben im Diesseits […] leben – gut für sie und gut für andere“.

Bei Pérez vs. Tanriverdi sieht Tanriverdi die Rolle und Bedeutung seines Gottes von der Wissenschaft und insbesondere den „Evolutionisten“ bedroht und feuert die ganze übliche Barrage von zwar unlogischen und/oder hundertfach widerlegten, die Kreationisten dadurch von ihrer Verwendung jedoch keineswegs entmutigenden „Argumenten“ gegen die Evolutionstheorie, den Urknall, das Zufallselement bei der Entstehung und Entwicklung von Leben und die Unbesonderheit von Menschen und Erde im Universum ab, darunter die erste Ursache, die „nur eine Theorie“-Volte, ein Argument des persönlichen Unglaubens, die Uhrmacher-Analogie, die Behauptung der Feinabstimmung der Naturkonstanten durch Gott, das anthropische Prinzip in teleologischer Auslegung, der Tornado auf dem Schrottplatz (auch bekannt als Hoyles Fehlschluss), den Gott der Lücken etc.pp. und nachdem Pérez all diese Ausfälle und Finten pariert hat, zieht Tanriverdi sich schließlich auf das resignative, sich aber selbst genügende und daher kritikresistente „Allah hat sich mir offenbart“ zurück.

In einem späteren Gefecht versucht er sich noch an einigen falschen bzw. widerlegten Behauptungen aus den Mottenkisten des klassischen Kreationismus’ bzw. Intelligent Designs, daß es z.B. keine Übergangsfossilien gäbe und bei einigen Strukturen in der Biologie eine nichtreduzierbare Komplexität, die auf einen Schöpfer hinweise, festzustellen wäre. Es ist und bleibt also völlig unzweifelhaft, daß die Kreationisten, als deren Paladin Tanriverdi hier aufgestellt wird, bis heute keine überzeugenden Argumente gegen die Evolutionstheorie vorgelegt haben und an den Argumenten und Belegen, die dafür sprechen, sowie der Möglichkeit, ihre Überzeugungen der Wirklichkeit anzupassen, auch keinerlei Interesse hegen. Doch wie Schulte von Drach zuvor schon die Macht und den Trost des Glaubens anerkannt hat, räumt er auch ein, indem er den Paläontologie-Professor, der nichts von den Echsenwesen mitbekommen hatte, das ihm so unerklärliche und in seinen Augen die Evolutionstheorie gefährdende Fossil zerstören läßt, daß sich auch nicht-gläubige Wissenschaftler des (Selbst)Betrugs zum Schutze ihres Weltbildes schuldig machen können.

####

Am Ende stirbt der fundamentalistische und bis zuletzt von den Gesprächen mit Pérez unbeeindruckte Tanriverdi einen schrecklichen Tod, fest im Glauben trotz des Horrors und Grauens, das ihm widerfährt, und mit einem Gebet auf den Lippen, während d’Albret durch die von McLoughlin angefachten Zweifel in eine Glaubenskrise gerät, dem Priestertum enträt und zu einer eher agnostischen Sichtweise und endlich der schmerzlich vermissten und ersehnten Liebe in den Armen einer Frau findet.

flattr this!

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Kommentare (18)

  1. #1 roel
    *****
    10/04/2013

    @Cornelius Courts “Spoilerwarnung: Im Rahmen der folgenden Rezension werde ich zentrale Teile der Geschichte ansprechen, wodurch Nochnichtgelesenhabenden die Spannung verdorben werden könnte. Solche Abschnitte werde ich daher kursiv setzen und jede(r) liest auf eigene Gefahr.”

    Gute Idee! Ich musste zwei mal hingucken, ob und welche Teile kursiv dargestellt sind. Vielleicht können Sie die nicht zentralen Texte fett oder farbig markieren.

  2. #2 rolak
    10/04/2013

    Eine durchaus übliche Tarnung in Ermangelung eines aufklappenden ‘spoiler’-buttons im blog-Baukasten ist das sichtbare Klammern in seltene Zeichen (zB ℑ…ℜ, was zusätzlich selbstredend wäre) und das Einfärben des Inhaltes in ‘Hintergrund’, so daß er nur mittels Markieren sichtbar wird.

    Ich hoffe doch, daß von dem Teil auch mal eine TB-Ausgabe geplant ist, die Handlung klingt ja wie aus sieben Werken zusammengewürfelt – doch das ist wohl kaum anders zu erwarten bei der unglaublichen Menge von bereits Vorhandenem. Davon unabhängig scheint es eine angenehme Reiselektüre zu sein. Nicht zu schwer, auf keinen Fall zu langweilig.

  3. #3 rolak
    10/04/2013

    Herrschaftszeiten, völlig vertrödelt, senil: Schönen Dank für die ausführliche Übersicht, Cornelius!

  4. #4 Bloody Mary
    10/04/2013

    Ich kann mich des Verdachts nicht erwehren, dass diese Rezension wesentlich kurzweiliger, sprachmächtiger und pointierter als deren Gegenstand sein könnte.

    Und für solche Sätze muss man (also ich tu’s jedenfalls) Dich einfach lieben:

    „Man erhält einen Überblick über die häufig anzutreffenden Argumente und sieht, wie sie in einer Diskussion, in der sich die Gesprächspartner respektieren, funktionieren können.“

    und

    „Ich selbst kann mich durchaus mit […] identifizieren, die sich trotz aller Widerstände […] und der Befürchtung, daß alles, was sie tut, vergeblich sein könne, immer wieder aufrafft, deutlich zu sagen was sie über Religionen denkt, […]um […]„ein gutes Leben im Diesseits […] [zu] leben – gut für sie und gut für andere“.

    Keep the fire burning with a little help from your friends.

  5. #5 BreitSide
    11/04/2013

    ööö

  6. #6 rolak
    11/04/2013

    kann mich des Verdachts nicht erwehren

    Ok, Bloody Mary, das Fazit scheint vorsichtig formuliert (“kann interessant sein”), das Sujet des schatzsuchenden Abenteurers mag weitestgehend ausgelutscht sein – allerdings firmiert das Werk unter Roman, Subspezies Fantasy-Thriller – somit ist das einzige angemessene Kriterium imho ‘langweilig?’ bzw fühlt man sich nach dem Lesen unterhalten, unerfüllt oder gar um die Zeit betrogen?
    Letztlich klingt des Fazits ‘spannend’ und ‘dazulernen’ ja gar nicht so schlecht – was allerdings in keiner Weise so etwas wie ein Gegenbeweis für Deine Befürchtung sein kann oder soll.

  7. #7 erdmännchen
    11/04/2013

    Spoilerwarnung hin oder her – die Neugier verleitet doch dazu, auch die kursiven Teile zu lesen. Die klingen allerdings ziemlich krude – und ich war danach schon geneigt, mir das Buch nicht zu besorgen. Am Ende besagt die Rezension insgesamt aber “Mythos ist ein gutes Buch … ” das Hand und Fuß zu haben scheint. Also doch lesen?

  8. #8 Cornelius Courts
    11/04/2013

    @erdmännchen: “Also doch lesen?”

    Kann ich Dir nicht beantworten. Wenn Du Abenteuergeschichten mit den angesprochenen Elementen magst und Dich nicht daran störst, zwischendurch mal abzuschweifen, philosophischen Streitgesprächen zu folgen und auf gutem Niveau über etwas anderes nachzudenken, dann ja. Wenn nicht, dann wohl eher nicht…

  9. #9 roel II
    11/04/2013

    roel, Sie haben recht. Das Kursive ist nur schwer ersichtlich und je nach Browser gar nicht. Hinsichtlich dessen besteht hier noch Optimierungsbedarf. Ihre Vorschläge werden bisweilen ignoriert, was ich von Herrn Courts gar nicht gewohnt bin.

  10. #10 roel
    *****
    11/04/2013

    @roel II Danke! Ich finde rolaks Vorschlag mit dem Einfärben sehr gut. Ich weiß aber nicht ob das hier geht. Hier ein kleiner Test Weiße Schrift Weiße Schrift

  11. #11 roel
    *****
    11/04/2013

    Hat nicht geklappt! Schade.

  12. #12 rolak
    11/04/2013

    nun ja, roel, den Kommentierenden steht auch nur ein winziger Teil der HTML-Sprache zum Gebrauch zur Verfügung, da hat Cornelius ganz andere Freiheiten…

    • #13 Cornelius Courts
      12/04/2013

      habe die Erkennbarkeit der Spoilerabschnitte nun verbessert

  13. #14 roel
    *****
    11/04/2013

    hm, rolak, gibt es eine Aufstellung?

  14. #15 roel II
    12/04/2013

    @Cornelius Courts

    Herr Courts, Sie und ich würden es sicherlich begrüßen, wenn man ihrerseits mehr auf die Forderungen von berechtigten Wünschen von treuen Blogkommentatoren (wie roel) eingehen würde. Ihre Uneinsichtigkeit ist diesbezüglich derweilen noch befremdlich, doch ich hoffe auf eine Verbesserung der Gesprächskultur von Ihnen gg. roel und anderen.

    • #16 Cornelius Courts
      12/04/2013

      Herr Courts, Sie und ich würden es sicherlich begrüßen, wenn man ihrerseits mehr auf die Forderungen von berechtigten Wünschen von treuen Blogkommentatoren (wie roel) eingehen würde.

      Ich muß gestehen, daß Ihr Kommentar in mir eine bizarre aber intensive Erheiterung ausgelöst hat. Er gehört bestimmt zu den merkwürdigsten, die ich hier bisher las.
      Zunächst gibt sich jemand als, was?, erweiterte, verbesserte, “reloaded”-Version von roel aus, zu Zwecken der entweder Hommage oder Solidaritätsbekundung (beides vollgrotesk), was, falls roel hier nicht selber als seine Kopie fungiert, schon mal höchst absonderlich ist.
      Dann unterstellen Sie mir, es begrüßenswert zu finden, auf die Forderungen (!) von treuen Kommentatoren, wie roel (!), einzugehen. 😀
      An dem Satz stimmt ja überhaupt nichts. Weder begrüße ich es auf Forderungen einzugehen, noch hat hier irgendwer Forderungen zu stellen (man kann bitten oder anregen, s. rolak, fordern können Sie beim Barras), noch ist ausgrechnet roel ein treuer (nicht zu verwechseln mit häufiger und grundsätzlich das Thema ignorierender) Kommentator.
      Von Uneinsichtigkeit wäre, weiters, dann erst zu reden, wenn ich Ihnen als Replik auf Ihr Ansinnen, z.B. mittels eines Kommentares, in welchem ich Ihnen die linguale Kontaktaufnahme mit bestimmten meiner exkretorischen Orificien nahegelegt hätte, zu verstehen geben suchte, daß ich Ihrer Bitte nicht zu entsprechen gedächte. Dies ist nicht passiert. Sollten, endlich, bzgl. meines Umgangs mit Kommentatoren oder “Gesprächskultur” Unklarheiten bestehen, schauen Sie doch hier noch einmal nach und gehen inskünftig mit gutem Beispiel voran.

  15. #17 roel
    *****
    12/04/2013

    @Cornelius Courts Jetzt haben Sie zusätzlich zur Kursivschrift noch #### zur Kennzeichnung gewählt. Die Rauten fallen auch gleich ins Auge. Dennoch, denke ich rolaks Vorschlag, wenn denn umsetzbar, mit der Einfärbung ist dieser Lösung deutlich überlegen. Da Sie ihre Rauten auch mittig zwischen den verschiedenen Teilen gesetzt haben, sind die zwar hilfreich beim ununterbrochenen Lesen, wenn man aber unterbricht und wieder einsteigt oder an einer bestimmten Stelle nochmal anfängt, verliert man leicht den Überblick. Wie wäre es denn mit “Anfang #### Anfang” und “Ende #### Ende”?

  16. #18 rolak
    12/04/2013

    bizarre aber intensive Erheiterung

    🙂 Mit dem dadurch ausgelösten Grinsen bin ich heute morgen zur Arbeit gefahren…