Nachdem es der Koreaner Woo-suk vor einigen Jahren fälschlicherweise behauptet hat, ist es kürzlich einer Gruppe aus Oregon wirklich und tatsächlich gelungen, einen menschlichen Klon herzustellen, indem sie aus einer Eizelle erst den die DNA enthaltenen Zellkern entfernten und diese dann in einer Nährlösung mit Koffein und Virusproteinen in zwei verschiedenen Ansätzen einmal mit einer Zelle eines bereits existierenden Föten und einmal mit einer Hautzelle eines bereits geborenen Babys fusionierten. Beide Fusionszellen wuchsen normal weiter und bildeten lebensfähige menschliche Embryonen, aus denen Stammzellen und stabile Stammzellinien gewonnen werden können. Nicht nur ist damit eine Möglichkeit gewonnen, auf verlässliche Weise omnipotente Stammzellen herzustellen, man wird nun auch endlich die induzierten pluripotenten Stammzellen (iPSC) verlässlich mit jenen vergleichen und den Wert der iPSC besser beurteilen können. Dieses revolutionäre Ergebnis wurde in der Zeitschrift Cell (s. Literatur) veröffentlicht.
Der Artikel aus Cell hat sofort große Beachtung gefunden aber auch Besorgnis und die beim Thema „Klonen“ übliche ethische Debatte ausgelöst, die schon damals zu Dolly-Zeiten ähnlich tobte. In der ZEIT erschien prompt ein repräsentativer Artikel, dessen Titel sich – erwartungsgemäß – die Bezugnahme auf M. Shelleys berühmte Romanfigur nicht verkneifen konnte, indem er lautete: “Frankensteins Traum wird wahr”. (Ich finde derartige Polemiken immer doppelt ärgerlich. Erstens, weil der Traum von Viktor Frankenstein, nämlich den Tod zu überwinden, ein durchaus sehr menschlicher ist und war und nicht, wie ihm oft fälschlich unterstellt wird, ein Monster zu erschaffen und zweitens, weil die Idee und Möglichkeit des Klonens doch nicht an sich so bedrohlich und menschenfeindlich ist, wie durch solche reißerischen Titel suggeriert wird.)
Ein häufig vorgetragenes und zumeist religiös gefärbtes Argument der Gegner des Klonens befasst sich mit dem “Verbrauch” von Embryonen für diese Technik. Mit diesem Punkt will ich mich hier aber nicht weiter befassen, da ich darüber schon an anderer Stelle nachgedacht und den Versuch der Inanspruchnahme von Personenschutzrechten für Embryonen als unsinnig, unwissenschaftlich und ideologisch begründet verworfen habe.
Die Hauptbefürchtung der Mahner richtet sich aber auch auf das reproduktive Klonen, also die Herstellung von Menschenkopien. Dieses war allerdings weder Antrieb noch lag es im Interesse der Forscher aus Orgeon. Man weiß zudem noch gar nicht, ob das Verfahren auch mit der DNA aus Zellen von erwachsenen Menschen funktioniert und zahlreiche, stets vergebliche Versuche mit Affen haben bereits gezeigt, daß es bisher nicht möglich ist, einen Primatenembryo zu erzeugen, der sich auch tatsächlich und gesund in einer Gebärmutter einnistet. Vom Menschenkopieren sind wir also noch beträchtlich entfernt. Die neue Klontechnik birgt indes und vor allem ein enormes Potential für das therapeutische Klonen, also die Herstellung genetisch perfekt passender “Ersatzteile” für einen bereits lebenden Menschen und damit für die Behandlung schwerer und schwerster Erkrankungen und Verletzungen, von denen Millionen von Menschen betroffen sind. Dennoch wird befürchtet, daß, wenn diese Technik entfesselt würde, auch Eugenik, Menschenzucht und Designerbabies eben durch reproduktives Klonen Wirklichkeit werden könnten, daß sie also mißbräuchlich angewendet werden könnte.
Bevor ich mich mit dieser Vision befasse, muß ich einschieben, daß ich grundsätzlich den Einwand angesichts eines neu entdeckten oder entwickelten Verfahrens, daß man dieses auch für die “falschen Zwecke” verwenden könne und das Verfahren daher besser nie eingesetzt werden solle oder besser gleich nie erfunden worden wäre, für problematisch halte, da so gut wie jedes und erst recht jedes revolutionäre neue Verfahren das Potential irgendeines Mißbrauchs birgt und kategorische Verbote aus Angst vor möglichem Mißbrauch das Ende jeden Fortschritts bedeuten würden. Man muß also eine Abwägung von Wahrscheinlichkeit und Folgen eines solchen Mißbrauchs gegen den potentiellen Nutzen des Verfahrens zur Grundlage für Entscheidungen über Verbote und Einschränkungen machen. Eine solche Abwägung hat aber selbst bei der Erforschung der Nutzbarmachung der Kernspaltung, die immerhin das Potential hat, durch die Befeuerung eines globalen Nuklearkriegs das Ende der Zivilisation herbeizuführen, nicht zu einem Verbot ihrer Verwendung geführt. Welcher Maßstab könnte denn dann noch an die Technik des Klonens angelegt werden?!
Abgesehen von diesem allgemeinen Einwand gegen die Beschränkung von Forschung besteht jedoch mein Hauptproblem darin, daß jenes Argument, das gegen das Klonen – therapeutisch oder reproduktiv – verwendet wird, häufig religiös motiviert und damit in meinen Augen wertlos, weil nicht auf Belege, also in der Wirklichkeit begründet ist. Gerne wird da z.B. formuliert, der Mensch maße sich an, “Gott zu spielen” (die Ironie in dieser Idee geht vielen dabei nicht auf: gerade weil der jeweils angebetete Gott nie zuvor Querschnittslähmungen, Amputationen, Parkinson, ALS etc. geheilt hat, muß es der Mensch ja wohl selber richten und hat dank der Wissenschaft nun erstmalig die Chance dazu). Oder es wird auf irgendeine abenteuerliche Weise aus dem jeweils zur Hand befindlichen „heiligen“ Buch ein Verbot bestimmter Erkenntnisse oder Handlungen konstruiert. Was meines Erachtens aber, genau wie bei Verboten von Inzest (heute) und Homosexualität (früher), oft in Wirklichkeit dahinter steckt, sind durch idiosynkratisches Widernatürlichkeitsempfinden bedingte, persönliche emotionale Abneigungen, die natürlich durch die Verbrämung mit irgendwelchen religiösen Arabesken und Versatzstücken um keinen Deut überzeugender oder argumentwürdiger werden.
Das einzige, was in meinen Augen gegen irgendeine Form des Klonens vorgebracht werden könnte, wäre, wenn dadurch die Würde des Menschen oder grundlegende Menschenrechte verletzt oder in Frage gestellt würden. Zumindest beim therapeutischen Klonen kann davon aber, wenn man wissenschaftliche und rationale Kriterien bei der Beurteilung von Embryonen zugrunde legt, keine Rede sein. Im Gegenteil: die ganze Prozedur dient einzig und allein dem ultimaten Ziel, die Behandlung schwer(st)er Krankheiten zu ermöglichen und es ist nicht abwegig, ihre Erforschung und Anwendung daher sogar als ethisch geboten aufzufassen.
Aber selbst beim reproduktiven Klonen, mit dem ich aus verschiedenen Gründen eher nicht sympathisiere, tue ich mich mangels ideologischer Verblendung etwas schwer, so strikt dagegen zu sein, wie andere es sind, einfach, weil ich deren Argumente nicht recht überzeugend finde (und meine eigenen mir selbst etwas unscharf und indirekt erscheinen): Aus welchem Grund z.B. sollte es Eltern, die ein Kleinkind oder einen Säugling an einen Unfall oder eine Krankheit verloren haben, verboten sein, ein weiteres Kind zu bekommen, das erbgleich mit dem verstorbenen ist, wenn das ihr dringlicher Wunsch ist? Worin genau bestünde das ethische Problem, den Wunsch der Eltern zu erfüllen? (Ganz analog zur Argumentation zum Inzestverbot sollte man auch hier keinesfalls sein eigenes persönliches Empfinden oder das, was man selbst zufällig für “natürlich” hält, zur Grundlage seines Verbotsansinnens machen.) Welches Menschenrecht würde dadurch verletzt? Inwiefern würde, wie oft behauptet wird, ein Mensch dadurch auf eine Weise vom Zweck an sich selbst zum Mittel degradiert, die sich von derjenigen unterscheidet, die genauso der Zeugung eines “neuen” Kinds auf “natürlichem” Wege beizuordnen wäre?
Es kann jedenfalls nicht um eine etwa die Menschwürde bedingende genetische Einzigartigkeit eines jedes Menschen gehen, denn es gibt ja bereits haufenweise menschliche Klone: alle eineiigen Mehrlinge. Diese sind zwar genetisch identische Klone; dennoch würde wohl niemand Zugehörigen von Mehrlingsgeschwistergruppen ihre jeweilige Einzigartigkeit oder Menschenwürde absprechen oder sich außerstande sehen, sie als eigenständige Menschen wahrzunehmen. Warum wäre ein im Labor mit Absicht geklonter Mensch also anders zu bewerten, als ein in einer Gebärmutter durch Zufall geklonter Mensch? Denn die Auffassung, daß es ethisch geboten sei, nur durch Natur bzw. Zufall erzeugte Klone (= eineiige Mehrlinge) akzeptabel zu finden, halte ich für absurd und ein Paradebeispiel für den moralistischen Fehlschluss. Mit dem gleichen Argument wären jegliche „unnatürlichen“ Eingriffe in das menschliche Dasein abzulehnen, Empfängnisverhütung, Prothesen und künstliche Befruchtung nur als Beispiele. Hinzukommt, daß es schlicht falsch wäre, anzunehmen, daß die Persönlichkeit eines Menschen, sein Wesen, sein Charakter, das, was ihn also als Menschen aus-, erkennbar und von anderen unterscheidbar macht, durch seine Gene definiert und determiniert werde. Beeinflusst: ja, bestimmt: nein.
Ich bin sehr gespannt, wie sich die Debatte entwickeln wird und auch, ob ich selber noch zu einer eindeutigen Meinung zum reproduktiven Klonen gelangen werde. Je näher wir aber der Möglichkeit kommen, nicht nur lebensfähige menschliche Klone herzustellen, sondern auch bereits vor ihrer Geburt ihr genetisches Inventar zu optimieren, desto ernsthafter werden wir uns mit der Frage befassen müssen, ob es ein Menschenrecht auf zufällig also blind rekombinierte oder – im Gegenteil – absichtlich optimierte Gene gibt und ob die auch Defekte, Krankheiten und Nachteile umfassende und bedingende genetische Vielfalt der menschlichen Population, wie es sie derzeit noch gibt, erhaltenswert oder aber korrekturwürdig ist.
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Literatur:
Tachibana M, Amato P, Sparman M, Gutierrez NM, Tippner-Hedges R, Ma H, Kang E, Fulati A, Lee HS, Sritanaudomchai H, Masterson K, Larson J, Eaton D, Sadler-Fredd K, Battaglia D, Lee D, Wu D, Jensen J, Patton P, Gokhale S, Stouffer RL, Wolf D, Mitalipov S. Human Embryonic Stem Cells Derived by Somatic Cell Nuclear Transfer. Cell. 2013 May 15. pii: S0092-8674(13)00571-0.
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