Ab diesem Zeitpunkt kehrten die Geier sporadisch noch über 15 Wochen zu den skelettierten Überresten zurück, trennten Skelettelemente ab und verteilten diese in der Umgebung. Es wurden nur wenige andere aasfressende Vögel bei der Leiche beobachtet, darunter ein Rotschwanzbussard, die jedoch keine Veränderungen vornahmen, so daß alle an den Skelettelementen feststellbaren Schäden den Rabengeiern zugeschrieben werden konnten.
Insgesamt waren Teile des Körpers auf einer Fläche von knapp 83,6 qm über eine Höhendifferenz von etwa 2 m verteilt. Der Abstand zwischen den am weitesten voneinander entfernten Teilen (l. Oberschenkelknochen und ein Teil des l. Ohrs) betrug 15,8 m.
Die Abbildung zeigt die Orte, an denen sich zu verschiedenen Daten (Legende oben rechts) einzelne Leichenteile befunden haben. Die unterschiedlichen Höheniveaus sind am Grad der Schattierung (Legende unten links) abzulesen (zur, angesichts der amerikanischen Neigung, immer noch mit ihren komischen Körperteilmaßen zu messen, vielleicht notwendigen Erinnerung: 1 Fuß entspricht ca. 30,5 cm). Auf den kleinen Karten rechts am Rand ist die Lage der FARF innerhalb der Freeman Ranch und darunter die ungefähre Startposition des Leichnams innerhalb der FARF zu sehen.
In einer etwas aufwendigeren Analyse wurden dann noch die Standarddistanz der Körperteile zu verschiedenen Zeiten sowie die richtungsmäßige Verteilung zu den Meßdaten bestimmt. Erstere ist ein Kreis, der das Ausmaß der Dispersion bzw. Konzentration von Merkmalen (hier: Leichenteile) um ein Zentrum herum mißt, letztere entspricht einer Standardabweichungsellipse und mißt den richtungsmäßigen Trend einer Gruppe von Merkmalen. Die resultierende Ellipse zeigt das Ausmaß der Elongation und die Orientierung bei der räumlichen Verteilung der untersuchten Merkmale an.
Die Abbildung zeigt Standarddistanz (Kreise) und richtungsmäßige Verteilung (Ellipsen) der Leichenteile am Tag der Auslegung (wo natürlich alles noch zusammenhängt und extrem konzentriert ist), am letzten Messtermin und einen Durchschnittswert über alle Daten, woran man das Außmaß der Verteilung sehr schön erkennen kann. Die Meßgenauigkeit schwankte bei den schlechtesten Messungen um maximal 15 cm.
Die hier getestete Messmethode für die Positionsfeststellung von Leichenteilen hat sich bewährt und empfiehlt sich demnach für zukünftige forensische Analysen der Verschleppung von Leichenteilen durch Aasfresser. Es sind aber noch Verfeinerungen denkbar, z.B. 3D-Modellierung, wodurch auch Beziehungen zwischen Verschleppungsmustern und Terraineigenschaften (wie Gefällen etc.) untersucht werden könnten.
Insgesamt kommen die Autoren zu dem Schluß, daß in Regionen, in denen Geier oder andere vogelartige Aasfresser vorkommen und Zugang zu Orten im Freien haben, die PMI-Abschätzung nach Leichenfunden an solchen Orten grob falsch liegen kann, wenn man die Aasfresseraktivität nicht mit einbezieht. Insbesondere bei skelettierten Leichen, die diesen Zustand durch Geiereinwirkung bereits nach 2 Tagen erreicht haben können, würde man gewöhnlich bis zu 6 Monate Liegezeit veranschlagen. Ob es Geierfrass gegeben hat, läßt sich dann anthropologisch an Verletzungsmustern an den Knochen nachvollziehen. Interessant ist auch die Beobachtung, daß in diesem Fall die Geieraktivität erst nach 37 Tagen einsetzte. In einer anderen Studie warteten die Geier z.B. nur 24 Stunden, bis sie einen Schweinekadaver angriffen.
Die Verwendung von GIScience Methoden und Technologie bei der Dokumentation der Muster der Verteilung von Leichenresten durch Aasfresser habe jedenfalls das Potential, so die Autoren, raumanalytisch basierte Erkenntnisse zu liefern, aus denen sich auch Vorhersagemodelle für die Auffindung fehlender Skelettelemente erstellen ließen.
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Referenz
[1] Spradley MK, Hamilton MD, & Giordano A (2012). Spatial patterning of vulture scavenged human remains. Forensic science international, 219 (1-3), 57-63 PMID: 22204892
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