Heute fiel mir, eher aus Zufall, auf, daß ich genau heute seit fünf Jahren in der Forensik bin: am 1. Oktober 2008 fing ich an der Bonner Rechtsmedizin in der Forensischen Genetik an.
Die letzten fünf Jahre sind in meinem subjektiven Empfinden unglaublich schnell vergangen und es ist auch in meinem Leben enorm viel (gutes und schlechtes) passiert. In der Rückschau wirkt die Entscheidung, nach abgeschlossenem Promotionsstudium, während dessen man sich ja intensiv in sein Thema versenkt und für sein Projekt zu einem einsamen Experten wird, noch mal komplett neu und von Null anzufangen, leicht irrwitzig auf mich und ich bin im Nachhinein nicht ganz sicher, wie wohldurchdacht meine Entscheidung damals war. Aber, und das kann ich nach fünf Jahren nun sagen, ich habe nichts zu bereuen. Ich weiß noch, daß ich die Nase voll von der Uni hatte, von den ewigen Anträgen, Bettelbriefen, insuffizienten Verwaltungsfritzen, der unzulänglichen Ausstattung, den langen Wegen und Wartezeiten und tendierte dazu, in die Industrie zu wechseln, wo die Infrastruktur besser, die Gelder leichter verfügbar aber eben die Freiheiten eingeschränkt sein würden.
Ich hatte auch schon ein paar Bewerbungen an Firmen geschrieben, als ich durch Zufall die Ausschreibung der Bonner Stelle fand und dort, nur halb ernst gemeint, es war ja wieder eine Uni, auch eine Bewerbung hinschickte, zumal ich ein zumindest diffuses Interesse für forensische Wissenschaften hatte. Ich wurde eingeladen und erhielt ca. 24 Std. nach dem Bewerbungsgespräch bereits das Angebot, die Stelle sofort anzutreten und hatte wenig Zeit, mich zu entscheiden. Ich beschloss, es zu versuchen und behielt mir vor, es auch wieder sein zu lassen, sollte es mir doch nicht gefallen. Wie sich herausstellte, gefiel es mir gut und ich fühlte mich angenehm davon herausgefordert, mich in ein für mich völlig neues Gebiet einzuarbeiten. Ich habe zudem das Glück, an einem sehr forschungszugewandten Institut zu arbeiten, so daß ich neben der Routine der Abstammungsbegutachtung, der Identitäts- und spurenkundlichen Gutachten auch ausreichend Zeit für die Wissenschaft und seit 2 Jahren auch für die Ausbildung von NachwuchswissenschaftlerInnen, insbesondere meinen beiden tollen Doktorandinnen habe. Das ist mir sehr wichtig und ohne diese Möglichkeit wäre ich wohl nicht hier geblieben. Über meine wissenschaftlichen Projekte habe ich ja hier schon einiges berichtet und auch die Vielseitigkeit der forensischen Wissenschaften habe ich versucht, abzubilden.
„Die Forensik“, also die Gesamtheit der forensischen Wissenschaften, zu denen ja auch Disziplinen wie Materialwissenschaft, Ballistik, forensische Psychologie und Anthropologie, Schriftkunde etc. gehören, ist ein sehr weites und facettenreiches Feld und man kann vielleicht gerade mal seinen eigenen Bereich ungefähr überblicken. Dennoch kommt es, gerade bei Kriminalfällen, vielfach zu transdisziplinärer Zusammenarbeit, wo unterschiedliche Expertisen zur Erreichung eines gemeinsamen Ziels integriert werden müssen, was ich sehr befriedigend und spannend finde. Für mich ist aber auch die Anwendungsbezogenheit vieler forensisch-wissenschaftlicher Ansätze sehr attraktiv. In meiner Zeit in der Krebsforschung habe ich bestimmte komplizierte molekuarpathologische Mechanismen bei primären ZNS-Lymphomen aufgedeckt, doch bis derlei Erkenntnisse einem echten Patienten zugute kommen können, vergeht gewöhnlich viel Zeit. Hier in der Forensik kann man sofort ausprobieren, woran man arbeitet, kann seine Ideen auf Tauglichkeit testen (und ggf. wieder verwerfen), einfach mehr „herumbasteln“ und es gibt wenig Scheuklappen, solange es funktioniert und sich validieren lässt. Beides hat seinen Charme und für den Auftakt der Krebsserie schrieb ich ja
Meine Zeit in der Krebsforschung war, gemessen an der intellektuellen Herausforderung und ohne die Disziplinen der forensischen Wissenschaft schmälern zu wollen, sicher die bisher spannendste in meinem Wissenschaftlerdasein.
Dennoch fühle ich mich auch in der forensischen Genetik sehr wohl. Ich habe einfach mein Steckenpferd, die miRNA, und meine Lieblingsmethode, die quantitative PCR, aus der Krebsforschungszeit hierhin mitgenommen und beides nicht nur für spurenkundliche Forschung sondern auch für das medizinisch relevante Phänomen des Plötzlichen Kindstods einsetzen können und so habe ich hier ein kleines Bisschen das Beste aus beiden Welten 🙂
Kommentare (8)