Den Kritiker und/oder sein Umfeld glauben zu machen versuchen, sie sei mehr oder in Wirklichkeit etwas ganz anderes, ist ein leider immer häufiger versuchter Trick der Kritisierten, um durch die Kraft der dadurch ausgelösten Zurückzuckreflexe die eigentliche Kritik zu verhindern.
Als jemand, der selbst der Religionskritik nahe steht und sich zu ihrer unbedingten Notwendigkeit und Wichtigkeit rückhaltlos bekennt, möchte ich eine Feststellung aus einem früheren Text, der sich nur auf eine Religion bezog, wiederholen und dabei auf die drei großen Übel, die drei monotheistischen Weltreligionen ausweiten:
- Kritik am Islam ist kein Rassismus.
- Kritik am (religiösen) Judentum ist kein Antisemitismus.
- Kritik am Christentum ist kein Fanatismus.
Eines vorweg: mir ist bewußt, daß die Berechtigtheit von Religionskritik von bestimmten Subjekten (z.B. Rassisten oder Antisemiten) mißbraucht wird, um vorgeblich in ihrem Namen Angriffe gegen Menschen zu führen, die sich in der Schnittmenge der angeblich kritisierten Religion und einer Ethnie oder „Rasse“ befinden. In Wirklichkeit richten sich dann aber die Angriffe solcher Subjekte eben nicht gegen die Religion sondern gegen die ethnische Zugehörigkeit der Personen. Diese Form klandestinen Parasitismus’ verurteile ich und distanziere mich davon, wie auch von tatsächlichem Rassismus und Antisemitismus.
Religionskritik hingegen richtet sich grundsätzlich gegen die Religion mit ihrer Institutionalisierung, ihren versteinerten Dogmen, ihrer Anmaßung als moralische Instanz, ihrer Unvereinbarkeit mit vielen Menschenrechten, ihren arroganten Klerikern, ihrem Streben nach Macht, ihrem Hass auf Freiheit, ihrer Fortschritts- und Frauenfeindlichkeit und sie prangert die Schäden an, die sie angerichtet hat und noch anzurichten droht.
Deshalb sind die Vorwürfe des Rassismus, Antisemitismus oder auch nur der Ambiguitätsintoleranz gegen Kritik an Islam und jüdischer Religion auch widersinnig und sogar perfide, da kein notwendiger Zusammenhang besteht zwischen der Zugehörigkeit zum Islam bzw. der jüdischen Religion und einem Personenkreis mit „dunkler Haut“ oder „Migrationshintergrund“ (oder was immer manche unter „Rasse“ verstehen wollen) bzw. dem ethnischen Judentum. Und auch die Kritik an der christlichen Religion als der Mehrheitsreligion in Deutschland ist weder notwendig fanatisch noch extremistisch, egal wie sehr manche überzeugt davon sind, daß allein die Tatsache, daß überhaupt Kritik geübt wird, schon extrem sei. Hätte beispielsweise gerade das Christentum schon viel früher und breiter aufgestellte Kritik und Widerstand erfahren, hätte der lange darin gehegte und schließlich bis zur monströsen „Blüte“ des 3. Reichs aufgetriebene Antisemitismus vielleicht noch entschärft werden können.
Es stellt also, im Gegenteil, eine Anmaßung und Bevormundung und ironischerweise ggf. eine Form des Rassismus’ dar, und zwar durch jene, die solche Gleichsetzungen vornehmen, erstens einfach anzunehmen, daß z.B. alle Personen mit dunkler Haut/Migrationshintergrund islamisch und alle ethnischen Juden zugleich Angehörige der jüdischen Religion seien und zweitens diese Personen ungefragt in einen Schutz zu nehmen, den sie weder erbeten haben, noch der notwendig auf sie zutrifft, sich vielleicht sogar, man denke an arabischstämmige aber konfessionsfreie Islamkritiker, gegen ihre Interessen richtet.
Pat Condell* hat in seinem aktuellen Video den Mißbrauch des Begriffs „Rassismus“, ja seine Abschwächung zur Bedeutungslosigkeit durch sogenannte „Progressives“ (so nennt er sie, meint aber wohl eher die “regressive Linke“) so brillant und chirurgisch präzise herausgearbeitet, daß ich es hier gerne teilen möchte (leider nur auf Englisch, mit Deutschen Untertiteln hier verfügbar):
Es ist also gerade kein Rassismus/Antisemitismus/Extremismus, gegen Sonderrechte für Religiöse bzw. für gleiche und unverletzliche Menschenrechte auch der Kinder von Religiösen einzutreten und eine historisch oder sozial empfundene Schuld oder Wiedergutmachungspflicht gegenüber Opfern von Antisemitismus, Rassismus oder auch Fremdenfeindlichkeit darf uns weder davor zurückschrecken lassen, Religionen, denen jene Opfer vielleicht angehören könnten berechtigter Kritik auszusetzen, noch sollten wir die Opfer selbst a priori von Kritik an ihrem Verhalten (nicht ihrer Herkunft) ausnehmen, dem wir vor den Rechten und Freiheiten anderer (auch von Nicht-Opfern) eherne Grenzen ziehen müssen.
So zu verfahren, ermöglicht auch die für einen Rechtstaat so wichtige Konsistenz bei der Rechtsauslegung, indem so jeder Mensch unabhängig von Geschlecht, Alter, Herkunft, Konfession und sexueller Orientierung sicher sein könnte, vor den mit seinen Grundrechten konfligierenden Zugriffen irgendeiner Religion oder Weltanschauung, auch der eigenen, geschützt zu sein, sei es die körperliche Unversehrtheit (und zwar auch als Kind jüdischer Eltern), gleiche Rechte am Arbeitsplatz (und zwar auch als Angestellter einer christl. Kirche) oder die Kunstfreiheit (und zwar auch, wenn man eine Mohammed-Karikatur zeichnen möchte).
Den Entschluss, bei einer Kollision religiös begründeter Ansprüche mit anderen Grundrechten jene immer diesen nachzuordnen, müssen in meinen Augen deshalb auch und gerade Politiker und Juristen fassen, wenn sie angesichts eines neu erlassenen Gesetzes oder einer Auslegung bestehenden Rechts mit instrumentalisierten Vorwürfen von Rassismus oder Antisemitismus konfrontiert werden. Statt zurückzuzucken (bzw. –zurudern) sollten sie ruhig aber bestimmt erklären, warum dieses Gesetz oder jene Entscheidung sich gerade nicht gegen eine ethnische Herkunft richtet oder der Erzwingung einer “Leitkultur” dient, sondern notwendig und im Einklang mit den Prinzipien einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung mit gleichen Rechten für alle und Sonderrechten für niemanden, immer im Geiste des Ansinnens „Wehret den Anfängen“ sind.
Zum Weiterlesen:
- Zu den Auswirkungen und Auswüchsen der ultraorthodoxen Auslegung der jüdischen Religion: „Ich bin verboten“ von A. Markovits und ein Artikel in der SZ
- Sein Lebenswerk, die Kriminalgeschichte des Christentums, hat Karlheinz Deschner unlängst abgeschlossen
- Artikel des HPD zur Nichtidentität von Islamkritik und Rassismus, Aufsatz zur Unvereinbarkeit des Islam mit dem Grundgesetz und ein Bericht zu einem aktuellen Fall, in dem willentlich gegen ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes verstoßen wird, indem diesem religiöse Befindlichkeiten übergeordnet werden (plus Kommentar)
*Pat Condell Disclaimer (08/2020): inzwischen ist es leider nötig, sich von der aktuellen Version von Pat Condell zu distanzieren. Ich stehe zwar nach wie vor zu seinen humanistischen, religionskritischen (v.a. Islam und Christentum) Beiträgen von früher (aus der Zeit, aus der auch dieser Beitrag stammt), heute jedoch tritt er als eher rechter, reaktionärer Trump-Fanboy (!) auf. Damit hat er sich für mich völlig disqualifiziert. Ich habe u.a. den Link zu seinem Blog/Podcast aus meiner Blogroll getilgt. Schade, aber geht echt nicht mehr.
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