Da benutze ich einmal einen alternativen Browser, der nicht mit gleich mehreren Anti-Werbe-Plugins gerüstet ist, um diesen Link in meinem Blog anzusehen und sogleich wird mir am rechten Bildrand diese überaus merkwürdige Werbung angeboten:
Bei diesem Bild stellten sich mir natürlich gleich eine ganze Reihe von Fragen: Ist „Daten“ als Verb oder Substantiv gemeint? Immerhin ist das hier ein Scienceblog und vielleicht will man mich ja tatsächlich mit attraktiven Daten ködern, so wie Körpertemperatur, Wärmeleitfähigkeit, Dichte, miRNA-Konzentration im Blut oder so. Naja, vermutlich ist es doch eher der potthäßliche Anglizismus „daten“, der in etwa „eine Verabredung haben“ oder „sich treffen mit“ bedeuten soll. Warum dann aber im Infinitiv? Wo bleiben die doch in der nervigen Aggro-Werbung ansonsten gepflegten Imperative? Oder die Suggestiv-Fragen („Willst Du nicht auch endlich mal….?“)?
Dann wird mir in einem amöboiden gelben Klecks ein Trick in „“ angepriesen, den es zu lernen gelte, wenn ich wunderhübsche Frauen dazu bewegen wolle, mich zu wollen. Ich fragte mich: warum dieser gelbe Fleck? Warum die „“? Ist ein „Trick“ etwas anderes als ein Trick? Was ist, wenn man durchschnittliche oder nur normalhübsche Frauen bevorzugt? Was, wenn man Männer bevorzugt? Und warum wird „heiss“ hier offenbar synonym mit „wunderhübsch“ verwendet? Und wofür sollen einen denn die „wunderhübschen“ Frauen überhaupt wollen? Bestimmt wieder Sex, oder? Warum schreiben sie das dann nicht? Am Ende denkt einer, die wollen einen heiraten oder schlimmeres.
Und dann kniet da im Photo nebenan diese Dame in einem unordentlichen Kleiderschrank mit einer Play-Taste auf dem Dekolletee. Was soll mir dadurch mitgeteilt werden? Daß man sich so „wunderhübsche“ bzw. „heiße“ Frauen vorzustellen habe? Daß diese Dame mir das „Trick“-Lernen zum Wollen-Bewegen empfiehlt? Daß in den Augen der Anbieter „wunderhübsche“ Frauen ruhig mal ihre Plünnen aufräumen könnten?
Ich war ratlos, klickte aber mit der mir eigenen wissenschaftlichen Neugier natürlich sofort auf „Schau das Video“, wovon ich mir der Rätsel Lösung versprach. Immerhin wurde mir diese Werbung ja auf meinem eigenen Scienceblog präsentiert. Da mußte sie doch maßgeschneidert auf meine Bedürfnisse sein, oder?
Dann kam ein Video, das so losging:
Von Therapeuten „gestohlene“ Techniken? Frauenköpfe neu „verkabeln“? Da war ich bereits bedient, denn hier wird auf nur einer einzigen Seite so viel falsches, dummes, menschenverachtendes und zynisches präsentiert, daß tatsächlich fast zu wünschen wäre, daß dieses „kontroverse“ Video möglichst schnell verboten wird. Immerhin ist der fiktive Videograph und Ich-Autor selbstkritisch genug, um zu ahnen, daß manche sein Handeln womöglich unethisch finden könnten. Dann ging es weiter:
Unser „Held“ brüstet sich also mit der Zweckentfremdung psychotherapeutischer Behandlungstechniken, um „jede Menge“ Frauen in die Koitalbereitschaft zu manipulieren. Fein. Er ist wohl auch zu bedauern, daß die zahlreichen Besuche bei den angeblich Bestohlenen nicht mit einer Besserung seines geistigen Zustands einhergegangen sind. Aber offenbar hat er solche Manipulation nötig, denn
Er ist also Realist genug, um zu ahnen, daß er „Models“ (andere Frauentypen scheinen für ihn ohnehin nicht in Frage zu kommen) allein durch angenehmes Äußeres, Charme, Freundlichkeit, Ehrlichkeit, Empathie oder was immer zwischen normalen Menschen ggf. zu einer Beischlafanbahnung führen mag, nie ins Bett bekommen wird und daß man, wenn man, wie er, „ein bisschen nerdig“ aussieht, wohl wird „tricksen“ müssen.
Ich habe an dieser Stelle abgebrochen und das Video nicht zuende gesehen. Dafür fehlten mir Zeit, Nerv und Brechtüten, aber ich vermute, daß das ganze auf irgendeine Spielart dieser abscheulichen und zynischen PUA-Masche hinausläuft, die Frauen als Automaten auffasst, an denen man – durch erlernbare Techniken – nur mit richtigem Timing die richtigen “Knöpfe drücken” muß, um sie zu “knacken” (i.e. zu sexuellen Handlungen zu manipulieren) und zu deren Skizzierung durch XKCD.com eigentlich nichts hinzuzufügen ist.
Eins fiel mir aber doch auf und erinnerte mich zugleich an ein üble Begegnung mit dem deutschen Fernsehen (ein Pleonasmus, ich weiß), die ich vor einer Weile hatte: die Gegenüberstellung der scheinbar antipodischen Archetypen „Model“ und „Nerd“. Gab es da nicht mal eine Sendung auf einem dieser grusigen Anschrei-Sender? Doch, nur mit „Beauty“ statt „Model“ und sie hieß: „Beauty & the Nerd“.
Die Sendung selber (zumindest in den 15 min, die ich nach zufälligem Dazugezapptsein den Konsum ertragen aber auch einfach nicht mehr wegschalten konnte) wird ihrem Titel natürlich mehr als gerecht: es werden sogenannte (und ich meine wirklich so genannte und gerufene) „Beautys“ – und damit sind klischeehaft auf „Ultraweibchen“ frisierte, angezogene, geschminkte und dressierte Madames gemeint – mit im gleichen stereotypen Zug unverkennbar, also mit schiefen Zähnen, fragezeichenartigen Körperhaltungen, unmöglichen Frisuren, wüsten Voll- oder Flusenbärten, grotesken Brillen und Pullundern als solche zurechtgemachten „Nerds“ in irgendsoein Gulag im Ausland gesperrt.
Allein am Titel ist schon alles falsch und schlecht: die Anspielung auf „Beauty & the Beast“ ist zum Brechen anmaßend und nerdfeindlich, die darin angedeutete Antithese von „Schönheit“ vs. „Nerd“ (stellvertretend für Wissen/Klugheit) ist borniert und irreführend (es gibt auch schöne Kluge und häßliche Dumme), die Reduktion der antizipierten Protagonisten auf gutes Aussehen (bzw. den Mangel daran) einerseits und einen mit ungesellig machendem Nischenfachwissen überfrachteten aber wenigstens irgendwann ’mal in einer weiterführenden Bildungsstätte verweilt habenden Kopf (bzw. den Mangel daran) andererseits, ist peinlich, dumm und menschenverachtend: Die “Beautys” haben natürlich samt und sonders vermeintliche Doofi-Berufe wie Saftschubse, Kosmetikerin, Kellnerin, Billigklamottenandrehse und „Starlet“ (sic!) und können außer gut aussehen und beim Dummsein Highheels tragen eigentlich nicht viel. Die Nerds sind selbstverständlich Mathematiker, Physiker, Programmierer oder Techniker, denen aus dürren, falben Leibern fadenartige Ärmchen wachsen. Sie wirken linkisch, verdruckst und vertrottelt und möglichst als hätten sie noch nie eine „echte“ Frau von nahe gesehen.
Je zwei dieser Klischeekreaturen müssen sich dann zu einem Team zusammenschließen und bei irgendwelchen dämlichen und erniedrigenden Spielchen gemeinsam Punkte sammeln, so daß die Teams mit den wenigsten Punkten nach und nach des Gulags verwiesen werden und dem letzten verbliebenen schließlich reichlich Zaster ausgehändigt werden kann. Die „Spiele“ dienen freilich dem ausschließlichen Zweck, die Unzulänglichkeiten der Archetypen vorzuführen, damit sich der Zuschauer/Voyeur wahlweise darüber beömmeln kann, wie hoffnungslos die strunzdumme Blondine selbst bei nur elementarste Physikkenntnisse erfordernden Aufgaben versagt und noch nicht mal fehlerfrei vom Skript ablesen kann oder darüber, wie der spargelige Mathematiker mit den Biberzähnen genau 0 Liegestütze fertigbringt, aber dafür lächerlich dabei aussieht, wenn die vollbusige Brünette – er auf allen Vieren – einen Ritt auf seinem knochigen Puckel unternimmt.
Zwischendurch werden die Nerds noch durch Umerziehungs- und Umstylingmaßnahmen gequält, die natürlich von einer überdrehten, quietschigen und jedes Klischee überbedienenden Quotentucke überwacht werden und im Rahmen derer die zuvor eigens künstlich und plakativ aggravierten Nerdmerkmale entfernt und durch popkulturell angepasste und derzeit von der dumpfen Masse als salonfähig betrachtete Details wie Gelfrisur, Kontaktlinsen und die momentan wohl üblichen Clownskostüme „moderner“ Jungmänner ersetzt werden. Wenn sie dann als „neue Menschen“ wieder in Erscheinung treten, bricht der große (geskriptete) Jubel aus, denn sobald ein Mensch besser (angepasst) aussieht, ist er ja auch ein besserer Mensch. Das ist schließlich wissenschaftlich erwiesen.
Die Botschaft jedenfalls ist so eindeutig wie verheerend: Schöne Frauen sind immer blöd. Kluge Männer sind immer nerdig und schäbbig. Kluge Frauen sind hingegen selten und auch immer schäbbig, sogar dann, wenn sie vorher mal schön waren und es wäre besser, wenn es gar keine klugen Frauen gäbe, da sie ja die ganze schöne Zeit verschwenden, die ansonsten mit Aufstylen, Schminken, Lästern und Schuhekaufen zu verbringen wäre. Oder in kurz: die braucht nix zu lernen, die kann ja mal heiraten. Nerds wiederum hören auf, Nerds zu sein, wenn man sie mal kämmt, wäscht und auf Linie trimmt und die Trimmung auf Linie ist auch die einzige Chance, die sie haben, jemals eine „echte“ (= schöne und dumme) Frau abzubekommen, da echte Frauen auf keinen Fall an Gehirnen und Persönlichkeiten sondern nur an Muskeln und gegelten Haaren auf hohlen Birnen interessiert sind.
Soviel in Sachen Kulturpessimismus aus unserer häßlichen neuen Welt. Ich gebe zurück zur Wissenschaft.
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