Im Geiste von „mens sana in campari soda corpore sano“ quäle ich mich aus schierer Vernunft regelmäßig (und zusätzlich zu dem Sport, den ich wirklich mag) in ein Fitnessstudio, um dort der leidigen und in meinem Beruf zu kurz kommenden Leibesertüchtigung halber stundenlang stumpfsinnig irgendwelche Pedale zu treten, Strippen, Hebel und Griffe zu ziehen, Eisenklötze oder mich selbst zu lupfen und auf dem Boden oder eingespannt in Flaschenzüge und Gerüste widernatürliche Verrenkungen zu vollführen. Während der Verrichtung dieser entwürdigenden Tätigkeiten habe ich dann immer reichlich Gelegenheit, diejenigen zu betrachten, welche in dieser Stätte der Selbstkasteiung scheinbar ihr halbes Leben gerne und freiwillig vebringen: ich nenne sie „Eisenfresser“. Schnaufend, schwitzend und demonstrativ ihre Anstrengung herausgrunzend, -ächzend und –stöhnend wuchten, reißen, stemmen und pressen sie alles was schwer und eisern ist. Nach vollbrachten Taten trichtern sie stets literweise aufgeschlämmtes Büffelsperma Eiweißpulver in die aufgepumpten Leiber, welche sie dann in den Umkleidebereichen erst hingebungsvoll salben, cremen und ölen und dann schließlich mit kritischen und/oder narzisstisch-wonnevollen Mienen vor dem Spiegel zucken, sich beulen und plustern lassen.
Doch dabei bleibt es nicht, kann es nicht bleiben, wenn man als Mensch eine bestimmte Muskelmasse erreichen will und so greifen viele dieser Gestalten ab einer bestimmten Stufe auf der Eisenfresserkarriereleiter zu Steroiden, genauer Anabolika, oder auch “Roids“, wie es im User-Jargon heißt. Daß das nicht allzu gesund ist, demonstrierte unlängst wieder eine Studie aus dem Department of Forensic Medicine, Sydney im Journal of Forensic Sciences, die die Untersuchung von 24 Fällen plötzlichen oder unnatürlichen Todes, welche zwischen 1996 und 2012 obduziert worden waren, beschreibt, bei denen im Rahmen der toxikologischen Analyse erhöhte Mengen anabol-androgener Steroide festgestellt worden waren. Gleich vorweg soll klargestellt werden, daß es sich dabei nicht um eine kontrollierte epidemiologische Studie zu den (Neben)wirkungen anaboler Steroide handelt, sondern um eine retrospektive Studie von Fällen, bei denen zunächst der unnatürliche Tod Grund für die Obduktion und während dieser gefundene Hinweise dann Anlass für die Ausweitung der toxikologischen Analyse auf die standardmäßig nicht miteinbezogenen anabol-androgenen Steroide (AAS) waren.
Zu den AAS gehören exogenes und synthetisches Testosteron und synthetische Testosteron-Derivate und neben den legitimen medizinischen Indikationen werden diese Substanzen sehr häufig mißbräuchlich und dann meist zur Leistungssteigerung im Sport, zum Muskel- und Kraftaufbau eingesetzt. Besonders bekannte Nebenwirkungen sind Schrumpfhoden und verminderte oder ganz versiegte Spermienbildung. Es mehren sich aber die Studien, die als Folgen von AAS-Mißbrauch Erkrankungen des Herzens (darunter Herzübergröße, Hypertrophie der linken Herzkammer und Erkrankungen des Herzmuskels) und der Leber belegen. Hinzu kommen die psychotropen Wirkungen von AAS, die mit erhöhter Aggressivität, Stimmungsschwankungen, Depressionen und Paranoia assoziiert sind [2-4]. Oft entstehen auch Abhängigkeiten, einer Studie zufolge bei ca. 30% der Anwender. Zudem gibt es mehrere Belege, daß AAS-Anwendung zu einem erhöhten Sterberisiko führt [3-5], was vor allem auf die psychologischen und physiologischen Folgen der Substanzeinnahme zurückgeführt wird. Besonders hervorzuheben sei noch der Befund, daß bei sehr vielen AAS-Mißbrauchern eine Neigung zum „multiplem Substanzgebrauch“ bestehe und sich der Substanzgebrauch in dieser Gruppe häufig weit über AAS hinaus erstrecke [6-8].
In der hier vorgestellten Studie [1] bestätigten sich diese Erkenntnisse größtenteils: untersucht wurden 24 Fälle, alle männlich und im Mittel 31,7 Jahre alt (SD 6,8). Ihr BMI war überdurchschnittlich hoch (29,6 mit SD 3,8), was jedoch nicht durch Adipositas sondern erhöhte Muskelmasse begründet war und 5 der Verstorbenen waren Bodybuilder, 5 waren Sicherheitsangestellte und 4 waren Fitnesstrainer. Die Todesursachen werden im folgenden aufgelistet
Toxikologie
Für die toxikologischen Analysen wurde bei der Obduktion Blut aus der Femoralvene oder der V. subclavia, sowie Urin aus der Blase entnommen und dann zuerst mittels Immunassays und dann durch Gaschromatographie oder HPLC untersucht. Der Urin wurde auf Abbauprodukte (Metabolite) von AAS untersucht und bei chromatographisch festgestellten Anomalien im Steroidprofil wurde das Verhältnis von Testosteron zu Epitestosteron gemessen, wobei ein Wert von > 4 auf eine Einnahme von AAS schließen läßt. Die Ergebnisse der toxikologischen Analyse folgen in der Tabelle
(Die Autoren merken noch an, daß sich das Spannungsfeld AAS-Einnahme und –Nachweis in ständigem Fluß befinde und daß, wie bei allen Sport-Dopingmitteln, sozusagen, ein Wettrüsten zwischen der Herstellung neuer Abkömmlinge der Substanz und dem Nachziehen der Nachweismöglichkeit für diese neuen Substanzen herrsche).
Bei 15 von 24 Verstorbenen konnte demnach die Einnahme von AAS direkt nachgewiesen werden, bei den restlichen fanden sich AAS-Metabolite, in einem Fall fand sich noch Tamoxifen, welches die Östrogenrezeptoren hemmt und deshalb von AAS-Einnehmern gerne verwendet wird, um die nach AAS-Überdosierung häufig auftretende Östrogenbildung zu kompensieren. In allen Fällen bis auf einen wurden auch psychoaktive Substanzen festgestellt und damit die Beobachtung des bei AAS-Einnehmern häufig beobachteten multiplen Substanzgebrauchs bestätigt. Fast die Hälfte der Verstorbenen hatte zusätzlich auch noch Benzodiazepine, also Beruhigungsmittel, eingenommen.
Obduktionsbefunde
87,5% der Verstorbenen hatten eine sehr muskulöse Statur und etwa bei der Hälfte der Fälle (s. folgende Tabelle) wurden die AAS-typischen Veränderungen (geschrumpfte, fibrotische Hoden etc.) festgestellt. 11 Fälle wiesen zudem pathologische Herzbefunde auf, welche auffällig und fast vollständig mit positiven Befunden für Psychostimulantien koinzidierten. Darüber hinaus wurden auch pathologische Veränderungen der Leber (ein Fall war positiv für Hepatitis-C) und Nieren beobachtet. In 16 Fällen wurde ein Lungenödem festgestellt, das bei 14 davon auf eine Medikamenten/Drogenüberdosis zurückzuführen war.
Insgesamt bildet das untersuchte Fallkollektiv die typischen AAS-Konsumenten (hinsichtlich Alter, Geschlecht und Beschäftigung) aber auch Folgen von AAS-Abusus recht gut ab. Sogar der in allen Fällen negative Befund für Cannabis deckt sich mit vorherigen Studien und bestätigt die Annahme, daß Wirkprofil und Aufnahmeroute auf die AAS-Klientel, die eher die Injektionsroute bevorzugt, keinen Reiz ausübt.
Keiner der Tode war allein auf natürliche Ursachen zurückzuführen und besonders bemerkenswert war die Häufigkeit von Erkrankungen an Herz und Herzgefäßen, die so auch schon in anderen Arbeiten beschrieben worden waren [2, 4, 9] und deren Ursache sowohl der AAS-Mißbrauch als auch die wie erwähnt fast deckungsgleiche Einnahme von Psychostimulantien sein kann. Es ist aber durchaus denkbar, daß die Kombination von AAS und Psychostimulantien das Risiko für Erkrankungen des Herzens und der Herzgefäße noch erhöht.
Schließlich ist noch zu erwähnen, daß bei über einem Viertel der Fälle der Tod gewaltsam (Suizide und Tötungsdelikte) war; auch das eine Bestätigung früherer Befunde [3,4]. Dazu passt die mit AAS-Mißbrauch assoziierte erhöhte Neigung zu Depressionen und Aggressivität und auch die konkomitante Einnahme illegaler Drogen, speziell Injektionsdrogen, kann hier eine Rolle spielen, da ein gewaltsamer Tod bei deren Anwendern signifikant gehäuft auftritt.
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Referenzen
[1] Darke, S., Torok, M., & Duflou, J. (2014). Sudden or Unnatural Deaths Involving Anabolic-androgenic Steroids Journal of Forensic Sciences DOI: 10.1111/1556-4029.12424
[2] Karch SB. Karch’s pathology of drug abuse, 4th edn. Boca Raton,FL: CRCPress,2009.
[3] Petersson A,Garle M,Granath F,Thiblin I.Morbidity and mortality in patients testing positively for the presence of anabolic androgenic steroids in connection with receiving medical care. A controlled retrospective cohort study. Drug Alcohol Depend 2006;8:215–20.
[4] Thiblin I, Lindquist O, Rajs J. Cause and manner of death amongst users of anabolic androgenic steroids. J Forensic Sci 2000;45:16–23.
[5] Di Paolo M, Agozzino M, Chiara T, Luciani AB, Bassi A, Molendini L,et al. Sudden anabolic steroid abuse-related death in athletes. Int J Cardiol 2007;114:114–7.
[6] Copeland J, Peters R, Dillon P. Anabolic-androgenic steroid use disorders among a sample of Australian competitive and recreational users. Drug Alcohol Depend 2000;60:91–6.
[7] Larance B, Degenhardt L, Copeland J, Dillon P. Injecting risk behaviour and related harm among men who use performance- and image-enhancing drugs. Drug Alcohol Rev 2008;27:679–86.
[8] Dodge T, Hoagland MF. The use of anabolic androgenic steroids and polypharmacy: a review of the literature. Drug Alcohol Depend 2011;114:100–9.
[9] Denham BE. Association between narcotic use and anabolic-androgenic steroid use among American adolescents. Subst Use Misuse 2009;44:2043–61.
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