Heute jährt sich wieder der Alle-malen-Mohammed-Tag, an dem man durch Portraits, Zeichnungen und Karikaturen von Mohammed für die Kunst- und Ausdrucksfreiheit und gegen religiöse, hier: islamisch motivierte Unterdrückungsversuche ein Zeichen setzen kann. Ich habe das schon getan und verschone die Leserschaft daher heute vor meinen unbeholfenen Zeichenversuchen.
Lieber möchte ich auf eine Entwicklung aufmerksam machen, die mir in letzter Zeit häufiger und an mehreren Stellen begegnet ist: es geht um die Erfindung und Verwendung des Begriffs „Islamophobie“ und die bei manchen panische Furcht, der Islamophobie bezichtigt zu werden, die „Islamophobiephobie“.
Mir scheint da eine erhebliche und wenig hilfreiche Begriffsverwirrung, -verschmelzung und –verwechselung zu bestehen, die sich u.a. in der Wikipedia-Defintion niedergeschlagen hat:
„Islamfeindlichkeit bezeichnet die Feindseligkeit gegenüber Muslimen sowie deren kategorische Abwertung und Benachteiligung. Daneben existieren die konkurrierenden Bezeichnungen und Konzepte Islamophobie und antimuslimischer Rassismus[…],“
Das Wort Islamfeindlichkeit bezeichnet natürlich nicht die Feindseligkeit gegenüber Moslems (das wäre Moslemfeindlichkeit) sondern gegenüber dem Islam. Eine Feindseligkeit oder ablehnende Haltung ist darüber hinaus natürlich auch keine Phobie, bei der es sich ja um eine psychiatrisch relevante, übertriebene und v.a. irrationale Furcht vor etwas handelt. Es dürfte also extrem wenige, wenn überhaupt echte Islamophobiker geben, die etwa Panik bekommen, wenn sie einen Halbmond oder eine Moschee oder dgl. sehen. Furcht vor einigen Ideen/Auswüchsen des oder möglichen Konsequenzen eines gesetzgebenden Islams zu verspüren, ist hingegen überhaupt nicht irrational und somit keine Phobie sondern, vor allem als Frau, glaubensfreier und/oder homosexueller Mensch, überaus nachvollziehbar (einige aktuelle herzerwärmende Beispiele finden sich hier, hier und hier). Was, schließlich, „antimuslimischer Rassismus“ sein soll, ist mir ebenfalls schleierhaft, da „Muslim“ einzig und allein die Zugehörigkeit zum Islam bezeichnet und völlig unverbunden mit einer ethnischen Herkunft ist.
Um also weiteren unzähligen Mißverständnissen und in Wogen geschlagenen Gemütern vorzubeugen, rege ich eine radikale Abschaffung des Wortes „Islamophobie“ durch Nichtmehrverwendung an und schlage die ausschließliche Verwendung folgender trennschärferer Begriffe, jeweils im richtigen Kontext, vor:
- Islamkritik: die (verbale/bildhafte) Kritik an der monotheistischen Religion „Islam“, ihrem Menschenbild, ihren Ideen, Praktiken, Forderungen und Auswirkungen auf die Menschheit; richtet sich gegen Ideen, ist mit dem Bekenntnis zu Religionsfreiheit vereinbar
- Islamfeindlichkeit: eine Ablehnung des Islams, die soweit geht, daß eine aktive (!) und vollständige Abschaffung, Verbot und/oder Zerstörung dieser Religion gewünscht, befürwortet oder gefordert wird; richtet sich gegen Ideen, ist mit dem Bekenntnis zu Religionsfreiheit nicht vereinbar
- Moslemfeindlichkeit (auch Antimoslemismus): die Ablehnung von Menschen, unabhängig von ihrer ethnischen Herkunft, wegen ihrer Zugehörigkeit zum Islam; richtet sich gegen Menschen
- Rassismus: die Ablehnung von Menschen unabhängig von ihrer Religion aber wegen ihrer Nichtzugehörigkeit zur ethnischen Gruppe der ablehnenden Person oder wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer von der ablehnenden Person idiosynkratisch abgelehnten bestimmten ethnischen Gruppe; richtet sich gegen Menschen
Natürlich kann ein Mensch mehrere dieser „Konzepte“ in verschiedensten Kombinationen vertreten und nicht selten verwischen sich dann in seinen Äußerungen (und Gedanken) die Grenzen zwischen diesen Konzepten und erscheinen sie eher als ein Kontinuum denn als die klar abgegrenzten Bereiche, die sie sind. Genau das ist übrigens der Grund, warum Menschen mit moslemfeindlichen oder rassistischen Gedankengut sich unter dem Deckmantel der Islamkritik in legitime Debatten einzuschleichen versuchen (Anm.: dies beschädigt keinesfalls die Gerechtfertigtheit der Islamkritik sondern nur die Glaubwürdigkeit jener Gestalten und ich bitte daher von den einschlägigen reflexhaften Repliken sowie plumpen Bestätigungen von Godwins Gesetz abzusehen.).
Ich persönlich halte von diesen vier Konzepten nur das erste, die Islamkritik, für richtig, nützlich und geboten und selbst dabei gilt es, zu differenzieren, da es „den“ Islam nicht gibt und Islamvarianten, wie z.B. Ahmadiyya und Sufismus, existieren, gegen die deutlich weniger, und nicht sehr viel, das über allgemeine Religionskritik hinausgeht, zu sagen ist. Kritik und Widerstand sind in meinen Augen jedoch immer und spätestens dann unbedingt angebracht, wenn aus religiösen Gründen die Freiheit und Grundrechte anderer Lebewesen eingeschränkt oder verletzt werden sollen. Leider gibt es einige Islamvarianten und deren Vertreter, die genau das nicht nur in zahlreichen „islamisch“ regierten Ländern durchgesetzt haben, sondern dies zur weltweiten Norm machen und auch Gesellschaften mit freiheitlich-demokratischer Grundordnung überzwängen wollen. Kritik gegen derartige Zugriffsversuche braucht daher nicht aus falscher Rücksicht auf zarte Islamistenseelchen gemäßigt zu sein und darf keinesfalls aus Angst vor der instrumentalisierten, theatralischen Extremheit der üblichen Reaktionen beleidigter Moslems reduziert oder gar vorenthalten werden.
Genau diese Leute sind es nämlich, die dann mit Begriffen wie Islamophobie operieren, um die Kritik an ihrer Religion, ihren Ideen, Forderungen und Verhaltensweisen fälschlich als irrational und gegen ihre Herkunft gerichtet darzustellen und in den Ruch von Rassismus und/oder Antimoslemismus zu bringen. Besonders abscheulich finde ich in diesem Zusammenhang auch den Verrat, den einige regressiv linke und islamophobiephobe Politiker und Medienfuzzis an unseren fundamentalen Werten begehen, indem sie darauf hereinfallen, wenn sie in vorauseilendem Gehorsam und aus einem fehlgeleiteten Wiedergutmachungsbestreben bei unangebrachter stellvertretender Schuldübernahme für historisches Unrecht wie etwa den Kolonialismus den Forderungen solcher Islamisten entgegenkommen bzw. -kriechen und ihnen Sonderrechte und uns Sonderverbote (s. Blasphemiegesetze) zuteilen wollen.
Eine Ideologie, die den Tod für bestimmte Menschen predigt, verdient keine Eingliederung in eine zivilisierte Gesellschaft und keinen, nicht einmal vorgetäuschten Respekt.
Und so zu tun, als wäre es anders, ist gerade kein Mittel gegen Rassismus und Antimoslemismus: die meisten Menschen, die unter den menschenfeindlichen Varianten des Islams leiden, sind selbst Moslems und vor allem weiblich. Und genau diese Menschen, die man nicht sieht und hört, verrät man und läßt man im Stich, wenn man die Schreihälse gewähren läßt und vor ihnen zurückweicht.
Wenn man wirklich Rassismus vermeiden und Moslems ernstnehmen und integrieren will, dann, so scheint mir, sollte man bei der besonders perfiden Variante des ‚Rassismus der niedrigen Erwartungen’ beginnen und Moslems nicht wie verzogene Kinder behandeln, an die niedrigere Erwartungen gestellt werden, als an alle anderen und denen man deshalb ihre Wut- und Tobsuchtsanfälle und sonstige, grotesk überzogenen Reaktionen eben milde und von oben herab lächelnd durchgehen lässt, weil sie „ja noch klein“ sind und „es nicht besser wissen“.
Und wenn Moslems wirklich ernst genommen werden wollen, dann gibt es keine bessere Möglichkeit, als sich als kritikfähig zu erweisen und zur Möglichkeit und Zulässigkeit der Kritik zu bekennen, wozu nicht nur gehört, auch gelegentlich Spott und Ironie zu ertragen, ohne auszurasten, sondern auch, den Mangel an Kritikfähigkeit bei anderen Moslems zu kritisieren und abzulehnen.
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Heute Abend liest übrigens Hamed Abdel-Samad in einer Buchhandlung in Köln aus seinem neuen Buch “Der islamische Faschismus”. Um eine islamkritische Haltung zu haben, muß man also keineswegs ein weißer, alter Europäer sein (um den üblichen Anwürfen gegen Leute wie Pat Condell* zuvorzukommen). Atheisten (=Menschen) wie Abdel-Samad, A. Hirsi Ali und Ali Rizvi belegen dies sehr deutlich und stellen sowohl die Islamophobie=Rassismus-Schreihälse als auch die Rechtsextremen vor ein erhebliches Problem was mir, neben ihren ausgezeichneten Argumenten, immer ganz besonderes Vergnügen bereitet.
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Nachtrag am 28.08.14:
Gerade wurde ein erschütterndes Beispiel für die grauenhaften Folgen angewandter Islamophobiephobie aus England bekannt:
“Es gab Bedenken, dieses ethnische Thema an die Öffentlichkeit zu bringen aus Sorge um den Zusammenhalt der Gemeinschaft”, so Alexis Jay, die die 2013 endlich vom Stadtrat in Auftrag gegebene unabhängige Untersuchung leitete. Es habe unter den an der Basis arbeitenden Sozialarbeitern “der verbreitete Eindruck” bestanden, dass “einige hochstehende Leute im Rat und in der Polizei die ethnische Dimension herunterspielen wollten”. Anders ausgedrückt: Dort ging die Angst um, dass die Beschuldigung der pakistanischen Minderheit in Rotherham als Rassismus-Bumerang zurückkommen und zu Spannungen mit den Einwanderern führen könnte. Ein fatales Denkmuster, das sich bereits in anderen Fällen in Großbritannien gezeigt hat. (Fett von mir, CC)
Und natürlich ist hier nicht die pakistanische Herkunft der Täter das Problem, sondern deren islamische Überzeugung, daß Frauen und ganz besonders “ungläubige” (= westliche) Frauen wertlos sind und wie Waren und Objekte behandelt werden können. Und das darf man nicht sagen, um den “Zusammenhalt der Gemeinschaft” nicht zu gefährden. Langsam verstehe ich Pat Condell, wenn er darüber wütet, wie gewissenlos im UK Menschenrechte auf dem Alter der “community cohesion” geopfert werden.
*Pat Condell Disclaimer (08/2020): inzwischen ist es leider nötig, sich von der aktuellen Version von Pat Condell zu distanzieren. Ich stehe zwar nach wie vor zu seinen humanistischen, religionskritischen (v.a. Islam und Christentum) Beiträgen von früher (aus der Zeit, aus der auch dieser Beitrag stammt), heute jedoch tritt er als eher rechter, reaktionärer Trump-Fanboy (!) auf. Damit hat er sich für mich völlig disqualifiziert. Ich habe u.a. den Link zu seinem Blog/Podcast aus meiner Blogroll getilgt. Schade, aber geht echt nicht mehr.
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