Die feingewebliche Untersuchung bestätigte die autoptischen Befunde. Außerdem ließ eine Färbung von Lungenpräparaten mit Sudanrot 7B sogenannte „Rauchermakrophagen“ erkennen, was darauf hindeutet, daß der Verstorbene ein starker Raucher gewesen war.
Zur forensisch-toxikologischen Untersuchungen gelangten Proben von Herzblutserum, Serum aus peripherem Blut, Urin und Mageninhalt, außerdem wurde die Substanz in den Kompressen analysiert. Man erhielt folgende Befunde:
Probentyp | untersuchte Substanz |
Konzentration in ng/ml |
Herzblutserum | Nikotin |
190 |
Cotinin |
1900 |
|
Serum aus periph. Blut | Nikotin |
310 |
Cotinin |
1600 |
|
Diphenhydramin |
~7600 |
|
Tetrazepam |
82 |
|
Urin | Nikotin |
1300 |
Cotinin |
3700 |
|
Diphenhydramin |
meßbar |
|
Tetrazepam |
meßbar |
|
Mageninhalt | Nikotin |
2400 |
Cotinin |
meßbar |
|
Diphenhydramin |
meßbar |
|
Tetrazepam |
meßbar |
|
Kompresseninhalt | Nikotin |
meßbar |
Die Nikotinkonzentration im Herzblutserum und besonders im Serum aus dem peripheren Blut lagen im toxischen Bereich. Nikotin fand sich auch im Urin und im Mageninhalt, vom Nikotinmetaboliten Cotinin wurden hohe Konzentrationen in Serum und Urin festgestellt. Außerdem fanden sich sehr hohe Mengen des häufig als Schlafmittel genutzten Antihistaminikums Diphenhydramin in den Körperflüssigkeiten, die Serumkonzentration von ~7600 ng/ml kann dabei toxisch und möglicherweise lebensgefährlich gewesen sein. Es fanden sich auch Spuren von Ethanol und dem Beruhigungsmittel Tetrazepam, jedoch in harmlosen Mengen.
Alle Untersuchungsergebnisse zusammenfassend wurde als Todesursache eine Mischintoxikation durch Nikotin und Diphenhydramin in Gegenwart geringer Mengen Tetrazepams festgestellt. Die Todesart wurde auf Grundlage der polizeilichen Ermittlungen als komplexer Suizid klassifiziert.
Der Verstorbene war wahrscheinlich starker Raucher, belegt durch die Lungenpräparate und die Konzentrationsverhältnisse von Nikotin und Cotinin. Offenbar hatte er aus Tabak einen Nikotinextrakt hergestellt und damit die Kompressen getränkt, um selbstgemachte Nikotinpflaster zu erhalten. Diese legte er dann an mehreren Stellen auf seinem Körper auf, fixierte sie zum Teil und nahm zusätzlich noch eine Überdosis Diphenhydramin ein. Sein Mageninhalt ließ noch den weiteren Schluß zu, daß er auch von der Nikotin/Tabak-Lösung getrunken hatte, die gesamte Nikotinmenge im Magen jedoch war zu gering, um toxisch zu sein. Daß er sich selbst mit Kabeln und Handschellen fixiert hatte, ließ initial die Vermutung einer autoerotischen Betätigung zu. Dies konnte jedoch nicht bestätigt werden, zumal Selbstfesselung auch schon im Zusammenhang mit Suiziden beobachtet wurde. Insgesamt kann man übrigens getrost davon ausgehen, daß es kein angenehmer Tod war.
Die sehr begrenzten Daten aus anderen publizierten Fällen von Tod durch Anwendung von Nikotinpflastern ließen keinen belastbaren Vergleich zu, die Autoren spekulieren daher, daß die Nikotinkonzentration im Serum so hoch war, daß sie toxisch wirkte. Die unterschiedlichen Konzentrationen in Herzblutserum und dem Serum aus peripherem Blut erklären sich möglicherweise durch die Applikationsstellen der Nikotinkompressen.
Diphenhydramin hat neben seinen anderen oben beschriebenen auch eine antiemetische Wirkung. Auch in anderen Suizidfällen, in denen Nikotin zum Einsatz kam, wurde zuätzlich Diphenhydramin eingenommen: wenn Nikotin oral eingenommen wird, hat es eine erhebliche Erbrechen auslösende Wirkung, die dann durch das antiemetische Diphenhydramin kompensiert wird. Es bleibt ungeklärt, ob dies vom Verstorbenen so beabsichtigt worden war, oder ob er das Diphenhydramin als zusätzliches Gift eingenommen hat, um den tödlichen Verlauf sicherzustellen.
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Referenzen:
[1] Lardi, C., Vogt, S., Pollak, S., & Thierauf, A. (2014). Complex suicide with homemade nicotine patches Forensic Science International, 236 DOI: 10.1016/j.forsciint.2013.12.017
[2] P.M. Kemp, G.S. Sneed, C.E. George, R.F. Distefano, Postmortem distribution of nicotine and cotinine from a case involving the simultaneous administration of multiple nicotine transdermal systems, J. Anal. Toxicol. 21 (1997) 310–313.
[3] P. Sanchez, J.L. Ducasse, M. Lapeyre-Mestre, O. Martinet, P. Rouge, M.F. Jorda, B. Cathala, Nicotine poisoning as a cause of cardiac arrest? J. Clin. Toxicol. 34 (1996) 475–476.
[4] B. Solarino, B. Rießelmann, C.T. Buschmann, M. Tsokos, Multidrug poisoning involving nicotine and tramadol, Forensic Sci. Int. 194 (2010) e17–e19.
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