In gesunden Zellen und Geweben scheinen sich diese Faktoren gegenseitig, sowie die Expression überlappender Gruppen von Genen zu steuern und zu kontrollieren. Wie genau diese Regulations- und Kontrollsignalnetze konstituiert sind, wird noch erforscht, aber Erkenntnisse aus der Entwicklungsgenetik weisen darauf hin, daß kontextabhänige Signale von benachbarten Zellen die Expression der Transkriptionsfaktoren in denjenigen Embryonalzellen aktivieren, die die EMT durchlaufen sollen.

Ganz analog verhält es sich offenbar bei Krebszellen und den Wechselwirkungen mit direkt benachbartem, tumorassoziiertem Gewebe (sog. heterotype Interaktion), das, wie wir in einer vorigen Folge gesehen haben, ja eine wichtige Rolle bei der Krebsentwicklung spielt. Die Wechselwirkung mit diesen Nachbarzellen ruft in den Tumorzellen das entsprechende Erscheinungsbild hervor, das durch die o.g. Transkriptionsfaktoren choreographiert wird: in der Tat finden sich an den invasiven äußeren Rändern von Tumoren häufig Zellen, die die EMT durchlaufen haben, was darauf schließen läßt, daß sie anderen Stimuli ausgesetzt sind, z.B. durch das benachbarte Gewebe, als die Zellen im Zentrum des Tumors.

Man kennt bereits viele Details sowohl über die heterotypen Beiträge tumorumgebender Stromazellen zu  Invasion und Metastasierung als auch über die Plastizität des Signalaustausches zwischen Tumor- und Stromazellen z.B. zur Auslösung der EMT, beim invasivem Wachstum. Ich kann hier jedoch nicht näher darauf eingehen, da beides recht komplex ist und eine Vertiefung somit den Rahmen sprengen und zudem höhere zellbiologische Kenntnisse voraussetzen würde. Wir begnügen uns daher damit, festzuhalten, daß die derzeit verfügbare Evidenz andeutet, daß die EMT-induzierenden Transkriptionsfaktoren die meisten Schritte der IMC, mit Ausnahme des letzten, der Kolonisierung, steuern. Dies gilt vor allem für Karzinomzellen, da die Aktivität EMT-induzierender Transkriptionsfaktoren zwar auch bei nicht-epithelialen Tumoren wie einigen Sarkomen und neuroektodermalen Tumoren beschrieben wurde, ihre Rolle bei der Programmierung maligner Eigenschaften in diesen Tumoren jedoch erst sehr unvollständig verstanden ist. Sehr wahrscheinlich weisen aber unterschiedliche Arten von Tumoren auch unterschiedliche Formen der Invasion auf.

Wenn die erste Phase der Metastasierung, die Streuung von Tumorzellen im Körper zu entfernten Organen, abgeschlossen ist, beginnt die zweite Phase: die Anpassung dieser Zellen an ihre neue Umgebung, die erforderlich für einen erfolgreiche Kolonisierung, also den Übergang von Micrometastasen zu klinisch relevanten metastatischen Tumoren, ist. Diese beiden Phasen sind unabhängig voneinander, wie man von den Befunden zahlreicher Patienten weiß, in denen man unzählige Micrometastasen gefunden hatte, die nicht zu metastatischen Tumoren herangewachsen waren. Bei einigen Krebsarten könnte das daran liegen, daß der Primärtumor selbst eine Reifung der Micrometastasen verhindert, indem er Botenstoffe ausscheidet, die überall im Körper verteilt werden, die z.B. die Angiogenese betreffen [2] und die Micrometastasen in einem ruhenden Zustand halten [3].

Bei anderen Arten, z.B. Brustkrebs oder Melanomen, können metastatische Tumoren auftauchen, Jahrzehnte nachdem der Primärtumor entfernt oder mit Medikamenten abgetötet wurde: diese Tumoren gehen aus ruhenden Micrometastasen hervor, die nach jahrelangem “Herumprobieren” nach der Versuch-und-Irrtum-Methode endlich ein Mittel gefunden haben, die Kolonisierung zu bewerkstelligen [4-6].

Solchen inaktiven Micrometastasen fehlen offenbar die anderen Kennzeichen von Krebs und damit Fähigkeiten von Krebszellen, die wir in dieser Serie schon kennengelernt haben, z.B. die Fähigkeit zur Gefäßneubildung.  So wird diesen Tumorzellen “mit Migrationshintergrund” also durch verschiedene Umstände, z.B. Mangel an Nährstoffen, wachstumshemmende Signale aus der Umgebung / der extrazellulären Matrix oder tumorunterdrückende Aktivität des Immunsystems ein Ruhezustand aufgezwungen. Dieser ist aber offenbar reversibel und die ruhenden Micrometastasen können durch Veränderungen in ihrer Umgebung wieder “aufgeweckt” werden.

Wir können davon ausgehen, daß die meisten Micrometastasen, die gerade erst an ihrem neuen Besiedlungsort angekommen sind, zunächst sehr schlecht an diese neue Umgebung angepasst sind. Daher muß jede Zelle einer Micrometastase, abhängig sowohl vom Typus des Primärtumors, aus dem sie stammt, als auch vom neuen Ort, an dem sie “an Land gegangen” ist, ein Programm zur Kolonisierung entwickeln, sich also so anpassen, daß sie mit ihren Eigenschaften (z.B. den bereits im Primärtumor erworbenen Mutationen) an genau diesem Ort mit seinem physiologischen und biochemischen Besonderheiten überleben und irgendwann sich unkontrolliert teilen und wachsen kann. Angesichts der Vielzahl unterschiedlicher Kombinationen gibt es vermutlich hunderte verschiedener Wege oder Programme zur Kolonisierung. Wahrscheinlich ist auch, daß bestimmte Organe oder Gewebe bessere Bedingungen zur Besiedlung durch Krebszellen bieten, als andere (s. den o.g. Tropismus).

flattr this!

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Kommentare (19)

  1. #1 Porzellan
    26/08/2014

    https://www.youtube.com/watch?v=B4GUkzTnFG0

    https://www.youtube.com/watch?v=SASVxLmCjx8

    https://www.youtube.com/watch?v=XfO_MpDm5kc

    auffipasst, es gibt hier einen blinden Fleck in der medizinischen Forschung. ANGEBLICH heilt das Teufelszeug Cannabis Krebs, die entarteten Zellen tun wieder das, was sie tun sollen, sie begehen Selbstmord.

  2. #2 noch'n Flo
    Schoggiland
    26/08/2014

    auffipasst, es gibt hier einen realitätsblinden Kiffer im Kommentarteil. ANGEBLICH hat er etwas tolles über Krebs und Cannabis zu erzählen, tut am Ende aber wieder nur das, was alle Trolle gerne tun, er verlinkt Videos von der YouTube-University.

  3. #3 Ursula
    26/08/2014

    @ noch’n Flo
    Für das Betrachten von solchen YouTube Filmchen brauchst nicht viel an eigenständiger Denkleistung.
    Eine Frage an dich als Arzt, ist was dran, dass Cannabis sinnvoll, ergänzend zu Krebstherapien eingesetzt werden kann?

  4. #4 Ursula
    26/08/2014

    @ Cornelius
    Wieder super geschriebener Artikel! Danke dafür. Ich als leider naturwissenschaftliche sehr schlecht gebildetes Schaf, brauch immer sehr lange für die meisten deiner Artikel, macht aber nichts, ich betrachte es als persönliche Herausforderung,-)

  5. #5 rolak
    26/08/2014

    Lungenkrebs .. sehr spät .. im Hirn

    Kann ich anekdotisch bestätigen – leider ist mir aktuell solch ein Fall bekannt.

    einen blinden Fleck in der medizinischen Forschung

    Nee, Porzellan, der blinde Fleck liegt eher bei Dir, guckst Du (der link geht zum zweiten Artikel der Kleinserie, weil der einen Verweis zum ersten hat, was andersherum leider nicht der Fall ist).

    realitätsblinden Kiffer

    Wer dergleichen unmotiviert postuliert, darf sich nicht wundern, wenn er demnächst beim Reden über Alkoholisches als ‘realitätsblinder Säufer’ tituliert wird.

  6. #6 inge schuster
    Wien
    26/08/2014

    @CC

    Gratulation zu der sehr schön aufgebauten Serie!

    Vielleicht wäre in der letzten Folge eine Diskussion der CSC (cancer stem cells) angebracht, mit all den daraus resultierenden (Möglichkeiten und) Problemen therapeutischer Strategien.

  7. #7 Cornelius Courts
    26/08/2014

    @Ursula: ” brauch immer sehr lange für die meisten deiner Artikel, macht aber nichts, ich betrachte es als persönliche Herausforderung,-)”

    dann vielen Dank, daß Du Dich dennoch durchwühlst. Das sehe ich als Kompliment 🙂

  8. #8 Cornelius Courts
    26/08/2014

    @inge schuster: “Gratulation zu der sehr schön aufgebauten Serie!” Dankeschön 🙂

    “Vielleicht wäre in der letzten Folge eine Diskussion der CSC (cancer stem cells) angebracht”

    ja genau, die Stammzellen werde ich natürlich ansprechen.

  9. #9 IO
    14/01/2015

    Als betroffen würde ich gerne wissen, ob Metastasierung im obigen Sinn bei Lymphomen vorkommt, also nicht nur in Bezug auf die üblichen Verdächtigen (Leber, Milz, Knochenmark) sondern in der Art anderer Tumoren.
    In irgendeiner Information habe ich aufgeschnappt, dass Metastasen bei Lymphomen anders funktionieren (ich kann das ja falsch verstanden haben. Im Moment stürzen sehr viele Infos gleichzeitig auf mich ein).
    Wenn ja, wie?

  10. #10 FLORES
    09/06/2015

    ch wß mmr nch ncht d rchtgn Wrt m mn Dnkbrkt z Rck Smpsn nd sn wndrbr Cnnbsl, ds mn Krnkht ghlt. m M 2014 ch Mlnm Krbs dgnstzrt wrd, s bntrchtgt Mn Ht, Drm nd gn… gng ch zr Bhndlng br hn rflg, mn Fml grtn d Rck Hnfl fr mn ldn, f dn rstn, d ch ncht wllt, ds l z kfn, d ch htt Zwfl drbr mn Krbs hln, br nch dr Lktr drbr nd Frschngn nln tn, ch f d d rlg, nd n dr Tt s wr n wndrbr, ds Cnnbsl rflgrch mn Krbs ghlt!!! nch dr Mntn.
    Jtzt bn ch gsnd nd gsnd… Rck Smpsn rrchn S ntr
    rcksmpsnmdclsrvcs@gml.cm

  11. #11 Cornelius Courts
    09/06/2015

    @FLORES: Wenn Sie haben Belege für Ihre Behauptung und nicht nur einfach benutzen google translator, dann Sie können kommen wieder.

  12. #12 IO
    09/06/2015

    FLORES,
    es ist unverantwortlich, anderen Menschen mit falschen oder unzureichenden “Informationen” zu kommen.

    Der aktuelle Stand bezüglich C. dürfte hier hinreichend beschrieben sein (ggf. können/sollten die hier vertretenen Krebsforscher und Ärzte Stellung nehmen).

    https://scienceblog.cancerresearchuk.org/2012/07/25/cannabis-cannabinoids-and-cancer-the-evidence-so-far/

    (aktualisiert bis 20.04.2015)

    Die Zusammenfassung

    “At the moment, there simply isn’t enough evidence to prove that cannabinoids – whether natural or synthetic – works to treat cancer in patients, although research is ongoing.”

    Weiteres hier
    https://www.sciencebasedmedicine.org/medical-marijuana-as-the-new-herbalism-part-2-cannabis-does-not-cure-cancer/

  13. #13 IO
    09/06/2015

    Schlimmer noch:
    Dieser Simpson auf den FLORES Bezug nimmt, ist ein grandioser Quacksalber, der anderen Menschen den tödlichen Unsinn einbläut, Chemotherapie sei tödlicher als der Krebs selbst.
    Schade, dass man solche Spinner nicht gerichtlich drankriegen kann.

    Ich bin gerade in der letzten Phase der Chemo, die mich gerettet hat. Bereits nach drei Monaten war ein faustgroßer Teil des Tumors verschwunden, der Rest dürfte jetzt zertöppert sein. Mir ging es dank der Therapie innerhalb von wenigen Wochen bereits besser als in Jahren zuvor und das alles ohne Nebenwirkungen.

    Da sind dann solche Quacksalber und Cranks schwer zu ertragen.
    (Ich weiß, meine Erfahrung ist auch nur anekdotisch – aber die Evidenz kommt ja schließlich reichlich und fortlaufend aus wissenschaftlichen Untersuchungen).

  14. #14 IO
    09/06/2015

    Hier noch ein Artikel

    https://grow.de/88.0.html?&tx_ttnews%5Btt_news%5D=207&cHash=006be44266a88122c9a700633aabbd7f

    der zwar nicht ausschließt, dass Cannabinoide einmal irgendeinen (erst noch nachzuweisenden) Nutzen haben könnten, aber richtigerweise darauf hinweist, “es ist notwendig und wünschenswert, dass weitere klinische Studien durchgeführt werden.”

    Wichtig ist hier aber vor allem der Schlusssatz:

    “Der Ratschlag von Rick Simpson, zu Gunsten einer Verwendung von Haschischöl auf eine normale, häufig zu einer Heilung führenden Krebsbehandlung zu verzichten, ist allerdings unverantwortlich.”

  15. #15 rolak
    09/06/2015

    Der aktuelle Stand bezüglich C

    Zu der teils grotesk übertriebenen Lobhudelung gibts auch einen schicken Dreiteiler bei orac.

    Dabei gibt es doch diverse funktionierende Anwendungen und reichlich Forschung, unverschämt, mit solcherlei Überhöhung ein schlechtes Licht auf das Ganze zu werfen…

  16. #16 noch'n Flo
    Schoggiland
    10/06/2015

    @ IO:

    Tut mir ehrlich leid zu erfahren, dass Du an einem Lymphom erkrankt bist. Darf ich (indiskreterweise) nachfragen, ob es sich um ein Hogkin- oder ein Non-Hogkin-Lymphom handelt?

    Aber schön zu hören, dass es Dir durch die Chemo schon besser geht. Wenn ich Dir mit einem ärztlichen Rat zur Seite stehen kann, lass mich das bitte wissen.

    Und bittebittebitte lass um Zarks Willen die Finger von der Misteltherapie. Die wird Tumorpatienten leider heutzutage immer häufiger aufgeschatzt, sogar von “seriösen” Ärzten. Obwohl schon vor fast 40 Jahren bewiesen wurde, dass sie nicht nur unwirksam ist, sondern auch noch das Tumorwachstum beschleunigt. Ein gutes Beispiel für die Wirksamkeit von Lobby-Arbeit. 🙁

  17. #17 IO
    10/06/2015

    Moin, noch’n Flo

    Danke vielmals!

    NHL. Details kann ich Dir gerne privat nennen, und ich höre natürlich gerne, was Du zu sagen hast. (Hast Du noch meine e-Mail? Sonst lasse ich die Dir über den Blogbetreiber zukommen.)
    Bei mir läuft es im Prinzip according to the book.

    Und keine Sorge:
    Quacksalberei, Pseudomedizin, kommt bei mir nicht über die Lippen (oder anderweitig in den Körper).
    Habe da zwei Mal schon Bekannten ziemlich deutlich sagen müssen, dass sie mir ihren gefährlichen Unsinn zwar zunächst gut gemeint aber erfolglos andienen: Einmal war es Biopathie nach Reich, ein anderes Mal Homöopathie gegen evtl. und bei mir eh nicht eingetretene Nebenwirkungen der Chemo.

    Gruezi

  18. #18 noch'n Flo
    Schoggiland
    11/06/2015

    @ IO:

    Hast Du noch meine e-Mail?

    Muss ich mal gucken -habe dem Postfach von der 2012-Party schon ewig keinen Besuch mehr abgestattet…

    Aber schön zu hören, dass es bei Dir “nach Plan” läuft. Ich finde es immer wieder faszinierend, was sich in den letzten Jahren in der Onkologie getan hat. Ich hatte vor 3 Jahren eine Hodgkin-Patientin, auf deren Überleben ich noch vor 10 Jahren keinen Cent gewettet hätte. Mittlerweile ist sie komplett geheilt, alle Verlaufskontrollen negativ.

    Soviel an alle Deppen, die Chemotherapie im speziellen und Schulmedizin im allgemeinen kleinreden wollen!

  19. #19 Dietmar
    15/06/2015

    @IO: Ich wünsche Dir von Herzen alles Gute! Die Krebs-Fälle in meiner Familie haben leider keinen guten Verlauf genommen und gerade ist eine junge Freundin an Leukämie erkrankt. Es ist, wie Du sagst: so ein unverantwortlicher Schwachsinn von diesen Quacksalbern ist unerträglich. Die machen vor keinem Schicksal halt.