Furchen sind kleine Kanäle im Knochen, die durch wiederholte Kieferbewegungen des Tiers entstehen, indem die aufgesetzten Zähne über den Knochen geschleift werden. Hier fanden sich extreme Einfurchungen an den Enden der Schäfte der langen Knochen. Riefen, schließlich, bilden sich, wenn die Zähne eines Karnivoren vom Knochen abrutschen und dabei über den Schaft gleiten. Sie erscheinen oft als Gruppe paralleler Kratzer, senkrecht zur Längsachse des Knochenschafts. Im vorliegenden Fall wurden Riefen am rechten Oberarmknochen festgestellt.
Zusätzlich zu den sterblichen Überresten wurden auch Proben des aufgefundenen Hundekots in die Untersuchung mit einbezogen. Neben der morphologischen Inaugenscheinnahme wurden die Fäzes geröntgt und nach Rehydrierung durch dreitägige Tränkung mit 0,5% iger Trinatriumphosphat-Lösung auch histologisch untersucht. Sogar eine genetische Analyse wurde versucht, mißlang aber. Die Röntgenanalyse zeigte schließlich, daß die Fäzes kleine Knochenfragmente enthielten, was ein weiterer Beleg dafür war, daß der Hund der Toten Teile von deren Knochen gefressen hatte. Mikroskopisch waren in den rehydrierten Fäzes auch Fragmente von Kleidungsstücken, Zellulose, Schaumstoff (aus der Matratze) und reichlich Hundehaare erkennbar. Diese Befunde konnten histologisch bestätigt werden.__
Die Aktivität von Aasfressern an menschlichen Leichen resultiert häufig in Modifikationen und Reduzierung (durch Fraß) der Weichgewebe, Entstellung des Leichnams mit Abtrennung von Gliedmaßen, sowie der Modifikation und Verteilung von Knochen. Außerdem können karnivore Aasfresser auch mit dem Leichenliegeort und anderen Beweisstücken interagieren und damit die forensische und rechtsmedizinische Begutachtung erschweren.
Die forensische Begutachtung und Rekonstruktion unter Einbeziehung der Auswirkungen von Leichenfraß und hinsichtlich der Eigenschaften/Fähigkeiten möglicherweise beteiligter Tiere, hat daher die Zerstörung und Verteilung von Körper(teile)n, die Veränderung von Anzeichen für die mögliche Todesursache und mögliche post-mortale Artefakte zu bewerten und erleichtert so ggf. die Identifikation Verstorbener.
Im vorliegenden Fall fügten sich die forensisch-anthropologischen Befunde sehr gut in das Gesamtbild ein. Die gesamte Evidenz ist zwanglos mit dem folgenden Szenario vereinbar: die alte und offenbar gebrechliche und kognitiv eingeschränkte Dame brach sich bei einem Sturz den Oberschenkel, konnte nicht mehr ohne Hilfe aufstehen und verstarb schließlich auf dem Boden liegend. Zum Zeitpunkt des Todes war der Raum sehr warm und ungelüftet, so daß eine Mumifizierung der Leiche erfolgte. Der Hund der Verstorbenen hat dann damit begonnen, die Leiche anzufressen und einige Knochenfragmente im Haus zu verteilen bzw. mit den Fäzes auszuscheiden. Nach einigen Tagen oder Wochen starb auch der Hund. Die fehlenden Knochen und Leichenteile können von den Hausbesetzern ohne deren Wissen/Bemerken und zusammen mit dem Hundekadaver entfernt worden sein, als sie das Haus säuberten.
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Referenzen
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