Histologie und Toxikologie

 Die feingeweblichen Untersuchungen von Lunge und Leber bestätigten im Wesentlichen die Obduktionsbefunde und erbrachten auch hier deutliche Hinweise auf erhebliche Zerstörungen. In der Haut wurden kleine, schwarze Fremdkörper festgstellt, für schwere Hirnblutungen wurden keine Anzeichen gefunden.

Die toxikologische Analyse ergab Spuren von THC-Metaboliten (0,22 µg/ml im Blut und 12,6µg/ml im Urin) und Kokain (13 µg/ml im Blut). Außerdem wurde eine Alkoholkonzentration von 0,33 g/L im Blut ermittelt.

Forensisch-wissenschaftliche Untersuchung der Sprengsätze und -residuen

feuerwerk

aus [1]

Die sprengstoffkundliche Untersuchung des Sterbeorts konnte belegen, daß alle gesicherten Fragmente aus für die Herstellung der explodierten Feuerwerkskörper zugelassenen Materialen (Papier und Plastik) bestanden. Ein rundes Element mit etwa 70 mm Durchmesser (s. Abbildung, b) war offenbar die Basis einer sogenannten „Aerial Flash Bomb“, also einer Art hochgeschleuderten „Blitzbombe“, die von einer Art Mörser abgeschossen wird und einen lauten Knall erzeugen soll. Es wurden keine Hinweise auf hochexplosive Stoffe und Peroxide, dafür aber Spuren von Schwarzpulver und Perchlorat/Aluminimum-Gemische gefunden. Solche Gemische erzeugen bei Entzündung eine als Deflagration, bezeichnete Explosion mit einer Reaktionsgeschwindigkeit von ca. 1223 m/s (Explosionen mit höherer Geschwindigkeit (1500 – 9000 m/s) werden als Detonationen bezeichnet).

In der forensischen Literatur finden sich zahlreiche Berichte über Traumata und Todesfälle nach Feuerwerksunfällen mit Beschreibungen verschiedenster Verletzungen und Todesursachen.

Rechtsmedizinisch werden hier vier Kategorien von Sprengverletzungen unterschieden: primäre Sprengverletzungen entstehen durch den durch die Schockwelle der Explosion erzeugten Überdruck im Körper. Sie betreffen hauptsächlich gasgefüllte Strukturen wie die Lunge, den Gastrointestinaltrakt und das Innenohr – und eben nicht die Leber. Sekundäre Sprengverletzungen sind penetrierend oder lazerierend und entstehen durch umherfliegende Fragmente (primäre vom Sprengkörperselbst, z.B. Schrapnelle, oder sekundäre aus der Umgebung). Solche Verletzungen erlitten auch die beiden Angehörigen des Verstorbenen im vorliegenden Fall, die nur verletzt aber nicht getötet wurden. Tertiäre Sprengverletzungen ergeben sich als Folge durch den Aufprall des durch die Druckwelle fortgeschleuderten Körpers gegen feste Objekte und als quartäre Sprengverletzungen werden alle sonstigen Verletzungen infolge einer Explosion, z.B. Verbrennungen oder Vergiftungen durch Einatmen toxischer Gase, bezeichnet.

Im vorliegenden Fall lassen die Ergebnisse insgesamt den Schluß zu, daß die vermutlich unsachgemäß aufgestellten und angeordneten Feuerwerksprengladung in der Wohnung auf der Schwelle zum Balkon in unmittelbarer Nähe der verstorbenen Person explodierten. Die Menge des Explosivmaterials muß dabei erheblich gewesen sein und  mindestens 1,5 kg, vermutlich sogar bis zu 4 kg betragen haben, was 11 einzelnen Sprengladungen entspräche. Die Verletzungsmuster lassen den Schluß zu, daß die Ladung vermutlich näher an der rechten Körperseite explodiert ist und sich der Mann dabei wahrscheinlich in einer knieenden, leicht vorgebeugten Position befunden hat. Die festgestellten Mengen berauschender Substanzen waren zu gering, als daß sie einen wesentlichen Einfluss auf das Verhalten der Person gehabt haben können.  Das besondere an diesem Fall ist, daß der Tod nicht, wie in den meisten anderen berichteten Fällen tödlicher Feuerwerksunfälle, als Folge disruptiver Verletzungen oder traumatischen Multiorganversagens eintrat. Die äußerlichen Verletzungen in diesem Fall waren nicht tödlich, doch die Druckwelle der Explosion hatte so schwere innere Verletzungen der Lunge und untypischerweise auch der Leber verursacht, daß diese nicht zu überleben waren.

Man sieht daran, daß es keiner militärischen Sprengsätze bedarf, um lebensgefährliche Explosionen herbeizuführen und mag als zukunftssichernde Anregung entnehmen, daß das Abfackeln von Profi-Feuerwerk im eigenen Wohnzimmer wann immer möglich unterbleiben (und ggf., wenn von uneinsichtigen Berauschten, die diesen Artikel nicht gelesen haben, dennoch versucht, von beherzten Beiwohnenden unterbunden werden)  sollte.

Q.e.d.

_____

Referenz:

[1] Romolo, F. S., Aromatario, M., Bottoni, E., Cappelletti, S., Fiore, P. A., & Ciallella, C. (2014). Accidental death involving professional fireworks. Forensic science international, 234, e5-e9.

flattr this!

1 / 2

Kommentare (16)

  1. #1 Florian Walter
    Halle (Saale)
    22/01/2015

    Was soll man dazu noch sagen? Vielleicht ein klassischer Fall für einen Darwin-Award :-I

    Nein mal im Ernst. Leider lassen sich solche und “schwächere” Unfälle nicht vermeiden. Pyrotechnik ist Jedem (ab einem bestimmten Alter) in einer gewissen Zeit des Jahres frei zugänglich. Und der Schritt vom “Silvesterböller” zum echten Sprengsatz ist sehr fließend, wie jeder weiß. Allein die Mengen bzw. Mengenverhältnisse entscheiden dabei häufig über Spaß und Krankenhaus. Leider greifen die EU-Verordnungen an dieser Stelle viel zu schwach…

    Hier in der Nähe zu Tschechien und Polen gibt es die sogenannten “Bombas”. Leuchtend grün kündigt sich das Unheil an und nicht selten gehen dabei nicht nur Scheiben zu Bruch. Und die sind mehr oder minder frei in der “Grenzregion” zu erwerben. Meiner Meinung nach handelt es sich hier um echte Sprengsätze und die haben nichts mehr mit Feuerwerk oder Unterhaltung zu tun..Schlimm schlimm…

    lg
    F. W.

  2. #2 rolak
    22/01/2015

    einfach etwas bedenklich

    Es gäbe da einige ‘gerade noch mal gutgegangen’-Geschichten aus der Teeniezeit-Clique…

    Angemessen drastischer Artikel, da paßt Händel zum Ausgleich ganz gut, bleibt unergänzt.

  3. #3 JaJoHa
    23/01/2015

    Wie sind eigentlich die Knochenbrüche entstanden? Durch die Druckwelle?

  4. #4 Cornelius Courts
    23/01/2015

    @JaJoHa: “Durch die Druckwelle?”

    Genau. Die muß ihn an seiner rechten Körperhälfte aus allernächster Nähe wirklich voll erwischt haben.

  5. #5 Cornelius Courts
    23/01/2015

    @Florian: “um echte Sprengsätze und die haben nichts mehr mit Feuerwerk oder Unterhaltung zu tun..Schlimm schlimm…”

    Ja, wirklich krass. Bei dem Zeug müßte man mal die Reaktionsgeschwindigkeit messen und schauen, ob das schon in den Bereich Detonation geht. Dann hätte das wirklich nichts in den Händen von Zivilisten zu suchen!

  6. #6 noch'n Flo
    Schoggiland
    23/01/2015

    Hier in der Schweiz hat ja das Böllern zu Silvester eher weniger Tradition, als vielmehr das Feuerwerk zum 1. August, dem Schweizer Nationalfeiertag (also ähnlich wie in den USA). Hierbei liegt der Unterschied zu Deutschland im Wesentlichen darin, dass viele Leute ihr Feuerwerk bereits deutlich vor 24 Uhr abbrennen, was zur Folge hat, dass auch der Alkoholpegel bei vielen Hobby-Feuerwerkern beim Abbrennen deutlich niedriger ist. Und so dürfte es kaum verwundern, dass es dabei auch deutlich weniger schwere Verletzungen gibt, als zu Silvester in Deutschland.

    In den letzten Jahren hat jedoch – vor allem durch die stetig steigende Zahl deutscher Einwanderer – auch das Silvesterfeuerwerk in der Schweiz deutlich zugenommen. Ich habe zwar noch keine Statistik dazu gefunden, von in den Spitälern arbeitenden befreundeten Notärzten konnte ich jedoch schon öfters hören, dass zu Silvester deutlich mehr Verletzte infolge Feuerwerks in den Notfallambulatorien behandelt werden, als am 1. August, dass diese nicht selten auch deutlicher alkoholisiert seien. Und es handele sich auffallend oft um Deutsche.

    Nebenbei: bis 2013 konnte sogar jeder Über-18-Jährige in der Schweiz ganz legal Feuerwerk der Klasse IV erwerben (welches beispielsweise in Deutschland ausschliesslich professionellen Pyrotechnikern vorbehalten ist). Es musste lediglich eine genaue Einweisung in Gebrauch und Sicherheitsrichtlinien stattfinden, deren Durchführung dann von Käufer und Verkäufer jeweils mit ihren Unterschriften in einem Übergabeprotokoll, welches auch Name und Anschrift des Käufers enthielt, bestätigt wurde.

    2013 musste die Schweiz infolge der bilateralen Verträge eine EU-Verordnung übernehmen, aufgrund derer jetzt der Nachweis an einem speziellen Kurs sowie die Vorlage einer Abbrenngenehmigung der Gemeinde beim Erwerb von Klasse-IV-FW notwendig ist. Der Verkauf dieser grosskalibrigen Feuerwerkskörper ist seitdem deutlich zurückgegangen.

    Aber komischerweise hatte es in all den Jahren, in denen solches Profi-FW frei erhältlich war, erstaunlich wenig schwere Unfälle damit gegeben. Es kommt halt eben doch in erster Linie auf die Benutzer an, weniger auf das FW (sofern es sachgerecht hergestellt wurde).

  7. #7 Bullet
    23/01/2015

    Nun ja: Alkohol und gefährliche Gegenstände sind eine Kombination ähnlich der von Natrium und Wasser.
    Besoffene, die Spaß haben wollen, und sehr gefährliche Gegenstände sind eine Kombination ähnlich der von Landmine und Blinder.
    In der Tat:
    q.e.d

  8. #8 Andreas Wetzer
    Mittelholstein
    23/01/2015

    Hallo Cornelius, zunächst einmal vielen Dank für deinen Blog und noch einmal für den aktuellen Artikel. Ich bin begeistert von deiner lockeren fachlichen Art, diesen Fall fachlich sowohl aus der Sicht eines Forensikers wie auch Mediziner zu schreiben.Ich befasse mich seit Jahrzehnten mit den Auswirkungen von USBVs wie auch konventionellen Sprengmitteln auf Materialien und Körper. Das alles aus der Sicht eines fortgebildeten Laien und Praktiker. Zunächst war es die jugendliche Neugier(Unkraut Ex usw),dann die rein militärische Sicht, heute der berufliche Hintergrund. Dieses tun theoretischen Ansätze sind mir hierzu bekannt. Allerdings ist jeder Fall wie dieser, entschuldigt den Begriff angesichts des Todes faszinierend. Denn wir ķönnen noch so viel simulieren, die Praxis kehrt uns unglaubliche Vorgänge außerhalb der theoretischen Überlegung. Insbesondere eure ungeheuer akribische Arbeit kann für nicht hoch genug bewertet werden. Freue mich noch weiteres aus der Praxis zu hören. Weitere Anmerkungen zu deiner Arbeit und dem Thema sprengen den Rahmen hier. Ich habe mittlerweile einige Gigabyte Daten gesammelt und werde nicht müde Siege hier. Lieben Dank Andreas

  9. #9 noch'n Flo
    Schoggiland
    24/01/2015

    Ich finde ja, dieser Fall wäre auch etwas für die Serie “1000 Wege, ins Gras zu beissen” ( https://de.wikipedia.org/wiki/1000_Wege,_ins_Gras_zu_beissen ). Kennt die hier eigentlich jemand?

  10. #10 JaJoHa
    24/01/2015

    @noch’n Flo
    Dann gefallen dir sicher auch einige Sachen aus, die unter “How not to do it” laufen. Nicht immer tödlich, aber einige sehr “kreative” Zwischenfälle.

  11. #11 eh i
    27/01/2015

    kurz vor dem jahreswechsel gab es zwei zwischenfälle in Ö.
    der zweite fall ist unglaublich, die haben einen ganzen bauernhof in schutt und asche gelegt.

    Fußballer hielt Böller für bengalisches Feuer
    https://kurier.at/chronik/oesterreich/andreas-schicker-irrtum-fussballer-hielt-boeller-fuer-ein-bengalisches-feuer/98.870.363

    Stmk: Vater und Sohn bei Hausexplosion getötet
    https://www.krone.at/Oesterreich/Stmk_Vater_und_Sohn_bei_Hausexplosion_getoetet-Schwarzpulver-Unfall-Story-427804

  12. #12 Cornelius Courts
    27/01/2015

    @Flo: “Kennt die hier eigentlich jemand?”

    Bisher leider noch nicht. Und das als Forensiker. Das hat sich zu ändern!

  13. #13 noch'n Flo
    Schoggiland
    27/01/2015

    @ CC:

    Der Hirsch (“Du röhrst!” – a.k.a. “YouTube”) hat jede Menge Einzelvideos auf Lager, die kompletten Sendungen gibt es derzeit bei DMAX wochentags um 0:15 als Doppelfolge (ideal, wenn man mal nicht einschlafen kann).

    Meine Lieblingstodesart waren die zwei Deppen, die sich an Härte gegenseitig überbieten wollten, und deswegen rote Ameisen gesnieft haben (natürlich lebende).

    Und sehr schön Todesart #1000 – da stirbt jemand friedlich nach einem langen Leben ohne Dummheiten im Krankenhaus, während um ihn herum die ganzen Deppen aus den vorherigen Folgen in der Notaufnahme krepieren.

  14. #14 Cornelius Courts
    29/01/2015

    @Andreas Wetzer: danke für die interessante Rückmeldung 🙂

  15. #15 Dirk
    03/02/2016

    Hallo Cornelius,

    ein wirklich sehr interessanter Bericht. Ich bin selber Feuerwerks-Helfer und ich versuche anhand solcher Berichte anderen (vor allem Jugendlichen) die Gefahren illegal beschaffter (Profi) Feuerwerkskörper klar zu machen. Deinem Bericht nach muss es sich um eine 75mm Blitz-Bombe gehandelt werden, die bei Großfeuerwerken als Eröffnungs- oder Schluss Salut geschossen werden. Explodiert ein solcher Feuerwerkskörper am Boden, zerlegt es alles was im Umkreis von 5 bis 10 Metern steht. Oft wir hier die von Dir beschriebene Perchlorat Mischung eingesetzt, allerdings nicht in den von Dir angegebene Mengen. Ich würde mal auf 80-120 Gramm tippen, kann das aber gerne mal bei einem Hersteller genau nachfragen. Für 4 Kilo wäre schon eine 200mm bis 300mm Salut Bombe notwendig. Während man die 75 Variante bestimmt ohne Probleme im ost-europäischen Ausland relativ leicht “organisieren” kann, ist das bei den größeren Bomben nicht möglich, da sie nur sehr selten hergestellt werden. Der Grund dafür ist relativ einfach. bereits eine 75mm Bombe ist so laut, das auch mit größeren Kalibern kaum einen lauterer Knall erzeugt werden kann – von den Kosten und der Gefährdung beim Transport mal ganz abgesehen. Daher würde mich interessieren, ob der eingesetzte Feuerwerkskörper näher identifiziert wurde und wie Du auf die Menge vom 4 KG gekommen bist. Wie gesagt – , bei diesen Mengen reichen schon solche “kleine Menge” aus. Aus eigener Erfahrung kann ich Dir sagen, das selbst eine 75mm Bombe die nur eine Höhe von 20 Metern erreicht , Dich noch locker aus den “Angeln haut” und Dich ein paar Meter durch die Luft bewegt.

  16. #16 Cornelius Courts
    04/02/2016

    Hi Dirk
    und danke für den interessanten Kommentar. Schon krass, welche Zerstörungskraft diese Feuerwerkskörper entfalten können.
    Die Mengenangaben im Artikel stammen nicht von mir, sondern von den Autoren der Studie.