Ende Februar findet jedes Jahr der Spurenworkshop der Spurenkommission der DGRM statt.
Der historische und aktuelle Hauptzweck der Spurenworkshops ist dabei immer, die Ergebnisse der beiden jährlichen GEDNAP-Ringversuche für forensische Labors vorzustellen und zu diskutieren. Inzwischen ist die Veranstaltung, die wirklich als ganz kleiner Workshop ihren Anfang nahm, aber zu einer großen internationalen Tagung mit Hunderten Teilnehmern und zahlreichen Industrieausstellern geworden, auf der inzwischen auch immer wissenschaftliche Vorträge präsentiert werden.
Letztes Jahr waren wir in Innsbruck, wo ich über die Möglichkeiten der gleichzeitigen Analyse von DNA und RNA aus Backspatter im Inneren von Waffen berichtete. Dieses Jahr ging es nach Berlin. Der Spurenworkshop fand auf dem Campus der Charité statt, ganz in der Nähe des Instituts für Rechtsmedizin und forensische Wissenschaften. Die Organisation und die Tagungsstätte waren gut, wenn auch, wie so oft, ziemlich beengt. Das Congress-Dinner im Alten Wasserwerk war toll: phantastisches Essen in einer sehr individuellen “stylischen Location” (/Neudeutsch). Späterhin trat sogar eine “altmodisch” besetzte und sehr fähige Jazz-Combo, mit Xylophon, Kontrabass und Klarinette auf, die im Wechsel Instrumental-Nummern spielten und eine Jazz-Sängerin begleiteten.
Aber auch das wissenschaftliche Programm hatte einiges zu bieten. Noch stärker als schon im Vorjahr war das Thema NGS in den Vorträgen vertreten. Insgesamt gab es fünf Präsentationen, in denen neue und speziell auf forensische Bedürfnisse zugeschnittene NGS-Methoden/-Produkte, die Anwendung von NGS zur Analyse von mtDNA und zur Darstellung von STR-Systemen vorgestellt wurden. Auf einen der Vorträge möchte ich näher eingehen, da ich ihn sehr eindrucksvoll fand: es ging um NGS in der forensischen Entomologie: eine wichtige Fragestellung der forensischen Entomologie besteht in der Analyse des Entwicklungsstadiums leichenbesiedelnder Insekten, um somit auf den Zeitpunkt der Eiablage schließen und letztlich eine Eingrenzung des Todeszeitpunkts vornehmen zu können.
Hierbei stellt das Puppenstadium typischer leichenbesiedelnder Fliegen wie L. sericate und C. vicina ein großes Problem dar, da das Puppenalter (zwischen 1 und 15 Tagen) von außen, also morphologisch, kaum einzuschätzen ist, wodurch sich eine erhebliche Ungenauigkeit der Altersschätzung ergeben kann. Die zentrale Idee der vortragenden Gruppe bestand nun darin, das Puppenalter durch differentiell regulierte Gene zu bestimmen, also nach Genen zu suchen, die an genau einem der 15 Tage des Puppenstadiums, hochreguliert sind. Dafür haben sie Puppen aller Stadien gesammelt, RNA daraus extrahiert, sie in cDNA umgeschrieben und der Firma GenXPro geschickt. Diese Firma bietet als Dienstleistung die Durchführung des sogenannten MACE-Verfahrens (das ich jetzt nicht näher erläutern werde) zur quantitativen Transkriptomanalyse an. Aus den MACE-Daten für die Puppenstadien ließen sich so tatsächlich 111 Gene ermitteln, die für eines der 15 Puppenstadien sehr spezifisch reguliert wurden. So konnte die Gruppe eine Datenbank für Genkandidaten zur Altersbestimmung von C. vicina-Puppen erstellen und arbeitet derzeit an einem routinetauglichen qPCR-Verfahren, das es in Zukunft ermöglichen soll, schnell, einfach und genau das Alter von C.vicina-Puppen zu bestimmen. Sehr cool!
Auch interessant und relevant für die normale Fallarbeit war eine Präsentation zur Möglichkeit, DNA-Profile aus den Griffspuren (Hautabriebe) an einer Leiche zu erstellen, nachdem (!) bereits die Fingerspuren daktyloskopisch sichtbar gemacht wurden.
Das ist dann bedeutsam, wenn ein Täter nach einem Tötungsdelikt die Leiche an einen anderen Ort bewegt und sie dafür angreift, um sie z.B. zu schleifen. Es zeigte sich, daß die Erfolgschance deutlich steigt, wenn statt Magnetpulver Rußpulver zur Sichtbarmachung eingesetzt wird. Möglicherweise interferiert das Magnetpulver mit den “magnetic beads” bei der DNA-Extraktion. Außerdem bringen Abriebtupfer aus Nylon eine deutlich bessere DNA-Ausbeute als solche aus Baumwolle, wie sie vielfach (noch) in der Spurensicherung verwendet werden.
Gut gefallen hat mir auch ein Vortrag zu einer bereits erhältlichen Publikation, in der eine Art “serologischer Hack” beschrieben wurde: die Gruppe hatte Schnelltests für D-Dimere der Firma Clearview auf ihre Fähigkeit getestet, Menstruationsblut nachzuweisen. Der Nachweis bestimmter Spurenarten in einer Tatortspur kann entscheidend für die Rekonstruktion eines Tathergangs sein. Wenn z.B. ein mögliches Sexualdelikt untersucht und im Rahmen dessen eine asservierte Blutspur analysiert wird, die von einer Verletzung durch ein Trauma (Behauptung des Opfers, vereinbar mit gewaltsam erzwungenem Verkehr) oder durch normale Monatsblutung (Behauptung des Tatverdächtigen, vereinbar mit einvernehmlichem Verkehr) herrühren kann, kann der Nachweis von Menstruationsblut sehr wichtig für die Wahrheitsfindung sein. Die D-Dimer-Tests sind eigentlich zur schnellen, ärztlichen Ausschlussdiagnose von Thrombembolien oder Lungenembolien konzipiert.
Sie weisen immunchromatographisch D-Dimere nach, Abbauprodukte der Fibrinolyse. D-Dimere kommen aber auch in Menstruationsblut vor: nachdem das Blut aus der Gebärmutterschleimhaut abgegangen ist, gerinnt es, wird dann aber recht schnell durch Fibrinolyse wieder verflüssigt. Die dabei entstehenden D-Dimere lassen sich mit den Schnelltests nachweisen. Diese Tests sind, wie die Gruppe gezeigt hat, dabei recht spezifisch (reagieren also nicht mit normalem Blut, Speichel, Sperma oder Vaginalsekret) und können auch bis 50-fach verdünntes und mehrere Tage getrocknetes Menstruationsblut noch nachweisen. Insgesamt hat die Gruppe eine forensische Validierung der (eigentlich für einen anderen Zweck gedachten) Schnelltests erarbeitet und damit eine schnelle, einfache Methode zum Nachweis von Menstruationsblut vorgestellt. Ich werde wohl auch eine Kiste davon bestellen 🙂
Wie in den Jahren zuvor hatte auch ich dieses Mal wieder Gelegenheit, unsere neuen Ergebnisse, wieder aus unserem Bereich “molekulare Ballistik”, der Community vorzustellen. Diesmal sprach ich über die “Visuelle und bildgebende Darstellung von Rückschleuderspuren und Wundkanal bei simultaner Analyse von DNA und RNA” (dazu werde ich später noch mehr berichten). Inzwischen gibt es übrigens ein auf unseren Ergebnissen zu Backspatter-DNA aus dem Waffeninneren basierendes Produkt zur Sicherung solcher Spuren, das bei der den Spurenworkshop begleitenden Industrieausstellung auch schon zu bestaunen war:
Uns freut es natürlich, daß durch solche Erfindungen unsere Forschungsergebnisse direkt und praxisnah zum Einsatz kommen können, was wieder einmal belegt, daß die forensische Genetik eine sehr anwendungsbezogene Disziplin ist.
Auch der 35. war also wieder ein interessanter Spurenworkshop, dem ich viele Neues und eine Anregungen für meine tägliche Arbeit und noch mehr Vorfreude auf NGS entnommen habe. So soll es sein und das nächste Mal müssen wir gar nicht in die Ferne schweifen, denn der 36. Spurenworkshop wird in Essen stattfinden.
Zum Abschluss der Tagung gab es dann übrigens noch eine Berliner-Spezialität (sagen die Berliner, die zwar das Patent haben, denen darin aber dennoch heftig von den Hamburgern widersprochen wird):
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