Wikipedia beschreibt den Science-Slam als einen wissenschaftlichen Kurzvortrag,
„bei dem Wissenschaftler ihre Forschungsthemen innerhalb einer vorgegebenen Zeit vor Publikum präsentieren. Im Vordergrund steht die populärwissenschaftliche Vermittlung wissenschaftlicher Inhalte, die Bewertung erfolgt durch das Publikum. Bewertet wird neben dem wissenschaftlichen Inhalt auch die Verständlichkeit und der Unterhaltungswert des Vortrags.“ (Hervorhebungen von mir)
Gleich vorweg: ich finde das Konzept „Science-Slam“ toll. Die Idee, daß Wissenschaftler kurzweilig aber auch lehrreich über ihre eigene Forschung berichten, auf eine Weise, die zwar auch Spaß macht und unterhält, aber vor allem eine „Take-Home-Message“ und Stoff für spätere Unterhaltungen und Diskussionen bietet und im Idealfall Lust auf Wissenschaft macht, ist sehr gut und ermöglicht eine zeitgemäße und auch jüngeres Publikum wie Schüler ansprechende Wissenschaftskommunikation. Ich bin überzeugt, daß Wissenschaftler eine Bringschuld haben und es zu ihren Aufgaben gehören sollte, ihre Forschungsergebnisse gut und verständlich zu kommunizieren. Der Science-Slam ist dafür ein schönes Forum und gleichzeitig eine Möglichkeit für junge Wissenschaftler, ihre Vortragsfähigkeiten zu verbessern. Ich selbst habe inzwischen schon an einer ganzen Reihe solcher Veranstaltungen, die von verschiedenen Ausrichtern/Organisatoren angeboten wurden, sowohl aktiv als auch passiv teilgenommen und ein paar Mal auch gewonnen.
Leider beobachte ich aber inzwischen einen Trend, der eine Abweichung vom ursprünglichen Gedanken und Zweck des Science Slam, wie er noch in der oben zitierten Definition zu finden ist, darstellt und meiner Meinung nach dem Format auf lange Sicht schaden wird: es gewinnen überdurchschnittlich häufig jene Slams/Slammer, die am wenigsten wissenschaftlich sind und am meisten mit Klamauk, Gags und Platitüden (z.B. den leidigen Männer-Frauen-Witzen) aufwarten. Häufig sprechen diese Slammer nicht einmal mehr über ihr eigenes Forschungsthema, sondern über irgendwelche mehr oder weniger „wissenschaftlichen“ oder mit Wissenschaft assoziierbaren Zusammenhänge, die sich zwar besonders gut für eine komödiantische Darstellung eignen, aber sonst nicht oder nur äußerst peripher mit dem Slammer und seinem Forschungsthema zu tun haben.
Das kann natürlich sehr lustig sein und ich habe mich bei solchen Vorträgen, die man eher dem Genre der Science Comedy zuordnen könnte, oft köstlich amüsiert (und selten etwas gelernt), aber es verfehlt nicht nur den Sinn und Rahmen eines Science-Slams (bei einem Poetry Slam, von dem der Science-Slam abstammt, würde man auch nicht andererleuts Lyrik nur mit lustiger Stimme vorlesen), sondern ist auch unfair gegenüber Wissenschaftlern, die sich am ursprünglichen Science-Slam-Gedanken ausrichten und unter Inkaufnahme einer geringeren Gagdichte und weniger Lachern mehr und besser erklären und wirklich über ihre eigene Arbeit sprechen.
Aus dieser Entwicklung können sich zwei negative Folgen ergeben: 1. da bei Science-Slams der Wettbewerbsgedanke für viele eine wichtige Rolle spielt, könnten immer mehr Teilnehmer in Versuchung geraten, ihre Slams zu „verflachen“ und mit mehr Witzen und Klamauk anzureichern, um ihre Gewinnchance zu erhöhen, was den eigentlichen Wert des Science-Slams zerstören würde und 2. könnten potentielle Slammer von vorneherein von der Teilnahme abgeschreckt oder ihnen eine Teilnahme von ihren “Profs” untersagt werden, weil ihnen oder jenen das Umfeld als zu „unseriös“ erscheint (ich kenne allein gleich mehrere Wissenschaftler, die aus diesem Grund keine Lust auf Science-Slams haben).
Das Publikum, das die Klamauk-Slammer gewinnen läßt, taugt hier als Korrektiv und Maßstab leider nur bedingt, da es zwar keine Pflicht gibt, den Slam, der am besten der Vorgabe genügt, daß Wissenschaft und die eigene (!) Forschung im Vordergrund zu stehen haben, zu honorieren, dafür aber häufig den Impuls, denjenigen Slam zu präferieren, bei dem es am meisten zu Lachen gab.
Deshalb plädiere ich für eine Art Review oder Qualitätskontrolle der Präsentationen (FSK-Gedanke), bevor ein Slammer damit auf die Bühne gelassen wird. Anfangen könnte man mit deutlich kommunizierten Teilnahmebedingungen, die vorsehen sollten, daß ein Science-Slam zwingend das eigene Forschungsthema behandeln muß und nicht als Comedy-Auftritt konzipiert sein sollte. Man könnte zusätzlich die potentiellen Slammer einen Selbsteinschätzungsfragebogen ausfüllen lassen, mit Fragen wie:
- Nenne und beschreibe bitte kurz Dein Forschungsthema
- Welche Botschaft soll das Publikum mit nach Hause nehmen und was kann man aus Deinem Slam lernen?
- Was schätzt Du: zu wieviel Prozent besteht Dein Slam aus Fakten, zu wieviel Prozent aus Gags und Klamauk?
Slam-Organisatoren sollten die Antworten ernst nehmen und sich vorbehalten, Vorträge, die der Idee des Science-Slams klar zuwiderlaufen, nicht zuzulassen. Für die (fast) reinen Spaß-Vorträge kann man ja gerne neue Veranstaltungsformate erschaffen: “Science-Comedy-Slam” zum Beispiel, oder auch das noch relativ junge Format des Bullshit-Slams wäre für manchen sicher gut geeignet.
Ich weiß, daß das vielleicht etwas steif und bevormundend wirkt, aber letztlich müssen sich Organisatoren die Frage stellen, ob der Science-Slam (auch) einen Bildungsauftrag haben soll (wovon ich persönlich fest überzeugt bin) oder nur rein der Unterhaltung dienen darf und ob es in ihrem Sinne ist, daß dieses tolle Format durch zuviel Comedy und Boulevard und zu wenig eigene Forschung diskreditiert und, um eine Analogie, die auch die Rolle der Quote mit einbezieht, zu wagen, von “Quarks & Co.” zu “Galileo” wird.
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Nachtrag am 15.07.2015: gestern Abend gab es einen Beitrag im Deutschlandfunk, der sich mit dem Erfolg des aber auch der Kritik am Science Slam befasst. André und ich kommen auch drin vor 🙂 (Hier zum Nachhören)
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