Es war die hartnäckige, sich zahlreichen Antibiotikatherapien verweigernde und mit quälenden Symptomen einhergehende C.difficile-Infektion eines Freundes und dessen vergebliches Bemühen um eine Stuhltransplantationstherapie, die Mark Smith den Anstoß gab, OpenBiome zu gründen. Scherzhaft nennen sich die Betreiber auch „das braune Kreuz“ 🙂
Die Transplantation von Stuhl und vor allem der darin enthaltenen Mikroorganismen, die in ihrer Gesamtheit als Mikrobiom bezeichnet werden, hat sehr großes Potential u.a. bei der Behandlung antibiotikaresistenter C.difficile-Infektionen. Allerdings wird sie nur von wenigen Ärzten durchgeführt, u.a., weil geeignete und unbedenkliche Stuhlspenden nicht systematisch verfügbar sind. Oder besser: waren, denn genau diesem Mißstand soll OpenBiome abhelfen. Diese Plattform funktioniert dabei in etwa wie eine Blutspendebank, nur eben mit Stuhlproben: es werden Spender rekrutiert, Proben gesammelt, aufbereitet und zur Behandlung Kranker zur Verfügung gestellt.
Spender zu werden ist dabei keineswegs „einfach“. Bevor überhaupt eine Probe genommen und untersucht wird, muß ein potentieller Stuhlspender einen klinischen Fragebogen mit über 100 Fragen ausfüllen, worin Angaben zu allen möglichen Erkrankungen, darunter Angststörungen und Herzleiden, zu machen sind. Auch die abgegebenen Spenderproben werden sehr streng untersucht und auf Unbedenklichkeit geprüft. Wenn man einmal Spender geworden ist, kann man täglich spenden und abgegebene Proben werden innerhalb einer Stunde verarbeitet, eingefroren und gelagert. Mit einer Probe von 200 g können so vier Patienten behandelt werden (s. Bild) und OpenBiome versorgt inzwischen über 200 Krankenhäusern in 38 US-Staaten mit therapeutischen Stuhltransplantaten. Hier ein kleines (englischsprachiges) aber feines Video zum Hintergrund der Stuhltransplantationen:
Übrigens will OpenBiome mit seinen Proben auch die Forschung unterstützen, um zum Beispiel zu untersuchen, ob sich Stuhltransplantate auch zur Behandlung anderer Krankheiten eignen.
Klingt alles ziemlich gut, oder? Aber was ist mit der Identität der Spender? Wie wird sie geschützt und wieviel verrät man über sich durch seinen “Darmabdruck”? Viel, so wie es aussieht: Ich habe anderswo ja schon einmal erwähnt, daß
„die Zusammensetzung eines abgrenzbaren Mikrobioms […] ersten Erkenntnissen zufolge so komplex und spezifisch [ist], daß sie wie ein Fingerabdurck funktionieren kann, z.B. um eine Leiche, an der noch Reste von Erde kleben mit einem Tatort, von dem sie entfernt wurde, in Zusammenhang zu bringen.“
Unlängst stellte sich nun sogar heraus, daß es möglich sein könnte, einen anonymen Spender anhand seines Mikrobioms zu identifizieren und zusätzlich noch Details zu dessen Gesundheitszustand, Ernährung und sogar Ethnizität zu erfassen [1].
Es sind zwar bisher noch keine Individuen anhand ihrer Mikrobiome erkannt worden und es dürfte derzeit auch sehr aufwendig und schwierig sein, doch es scheint angebracht, dieses mögliche Daten- und Identitätsschutzproblem zu beachten, wenn entsprechende Projekte bearbeitet werden, denn das Management von Mikrobiomik-Daten ist momentan noch ziemlich wild und ungeregelt. Man muß sich eben wirklich darüber im Klaren sein, daß Mikrobiome ziemlich einzigartig sind.
Ein ähnliches Problem gab es schon vor zwei Jahren, als es Wissenschaftlern gelang, die Namen von fünf eigentlich anonymen Teilnehmern am 1000-Genome-Projekt herauszufinden, indem sie deren DNA mit einer genealogischen Datenbank, die auch Einträge zu Namen, Wohnort und Alter enthält, kreuzreferenzierten [2].
Andere Forscher haben öffentlich verfügbare Daten des Humanen Mikrobiomprojekts (HMP) benutzt, um Kombinationen an Markern aus den Mikrobiomen verschiedener Proben (Haut, Vagina, Mund, Darm) zu finden, die einzigartig für einen Menschen und zugleich über einen Zeitraum hinweg stabil sind. Gerade bei den Stuhlproben gelang es in 86% aller Versuche, zwei zu verschiedenen Zeitpunkten abgegebene Proben derselben Person einander zuzuordnen.
Ein weiteres Problem besteht in Spuren menschlicher (also nicht bakterieller) DNA, die natürlich auch in den Stuhlproben eines Spenders vorhanden sind und sich trotz erheblicher Bemühungen der HMP-Betreiber nicht restlos entfernen lassen. Ausgerechnet die in der forensischen Genetik verwendeten STR-Bereiche konnten so in Stuhlproben gefunden werden, wobei nicht klar ist, ob diese auch ausreichend für eine Identifikation wären.
Die Wahrscheinlichkeit, aufgrund seines Mikrobioms identifiziert zu werden, ist trotz allem ganz sicher sehr gering. Dennoch sollten Mikrobiomik-Forscher für einschlägige Bedenken und das grundsätzliche Problem sensibilisiert werden und Maßnahmen zum Schutz der Daten und Probanden ergreifen, um etwaigen panischen Überreaktionen vorzubeugen, damit diese so wichtige Forschung nicht verlangsamt oder erschwert wird und Datenbanken wie HMP öffentlich zugänglich bleiben können.
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Referenzen:
[1] Franzosa, E. A., Huang, K., Meadow, J. F., Gevers, D., Lemon, K. P., Bohannan, B. J., & Huttenhower, C. (2015). Identifying personal microbiomes using metagenomic codes. Proceedings of the National Academy of Sciences, 201423854.
[2] Gymrek, M., McGuire, A. L., Golan, D., Halperin, E., & Erlich, Y. (2013). Identifying personal genomes by surname inference. Science, 339(6117), 321-324.
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