Die Bakterien treiben mich gerade ein wenig um. Letzte Woche erst habe ich über unheimliche Mikrobiome im „Darmabdruck“ berichtet, heute habe ich zwei kleine Geschichten, eine über nützliche Bakterien und eine darüber, wie man nicht so nützliche bekämpfen kann.
Die Zusammensetzung unseres intestinalen Mikrobioms, hat, wie inzwischen gut belegt ist [3,4] und auch letzte Woche am Beispiel der C. difficile Infektion angedeutet wurde, weitreichende Konsequenzen für unsere Gesundheit und beeinflusst u.a. das metabolische, neuronale und das Immunsystem und auch das Risiko für die Volkskrankheit Übergewicht wird von den Mikroorganismen in unserem Gastrointestinaltrakt mit beeinflusst.
Der Gruppe um Sean Davies ist es nun gelungen, eine bestimmte Darmbakterienart (Escherichia coli Nissle 1917 (EcN)) genetisch so zu modifizieren, daß es große Mengen des Hormons N-acylphosphatidylethanolamin (NAPE) produziert, dessen Metabolite appetitzügelnd wirken und das normalerweise im Darm selbst produziert wird.
Wozu? Das Problem ist, daß Menschen, die viel sehr fettreiche Nahrung zu sich nehmen und/oder bereits fettleibig sind, nicht ausreichend NAPE produzieren, wie es der zu sich genommenen Nahrung angemessen wäre, so daß das Sättigungssignal zu schwach ausfällt und regelmäßig zu viel Nahrung aufgenommen wird.
Davies und seine Gruppe haben nun normalen, gesunden Mäusen, die die genetisch veränderten EcN-Bakterien über das Trinkwasser verabreicht bekommen hatten, nur sehr fettreiche Nahrung gegeben. Nach 8 Wochen hatten die EcN-Mäuse nur 50% soviel Körperfett zugelegt, wie Gruppen von Kontrollmäusen die gar kein oder ein anderes, nicht NAPE-produzierendes Kontrollbakterium erhalten hatten. Außerdem beobachteten sie eine 6 Wochen nach der Behandlung andauernde verringerte Nahrungsaufnahme, die geringeres Körpergewicht der Testmäuse für bis zu 12 Wochen nach der Behandlung zur Folge hatte [1].
Die genetisch modifizierten EcN-Bakterien sollen jetzt für die Behandlung menschlicher Adipositas-Patienten optimiert werden und eine Markteinführung wird beabsichtigt. Patienten müßten dann nur alle 6 Wochen neue Bakterien zuführen und wären dauerhaft besser vor Gewichtszunahme geschützt.
Bakterien können natürlich aber auch nervig bis gefährlich sein und die Bekämpfung gefährlicher Bakterien wird aufgrund immer stärker verbreiteter Antibiotika-Resistenzen immer schwieriger. Das Problem ist inzwischen sogar so drängend, daß sich nun endlich höchste politische Ebenen damit befassen, da die Tödlichkeit resistenter Keime womöglich bald größer sein wird, als die von Krebs.
Es besteht also eine erhebliche Notwendigkeit, neue Antibiotika, gegen die noch keine Resistenzen verbreitet sind, zu finden und eine (natürlich) kanadische Gruppe aus Quebec um Nathalie Tufenkij hat ausprobiert, was passiert, wenn man den in Kanada allgegenwärtigen Ahornsirup auf ein paar gefährliche Bakterien kippt. Einiges, wie sich zeigte: die Gruppe hatte verschiedene Sorten Ahornsirup gekauft und eingefroren, um darin enthaltene phenolische Komponenten zu konzentrieren. Als sie die Extrakte auf Stämme von E. Coli, P. mirabilis und P. aeruginosa-Bakterien gaben, zeigte sich eine moderate antibiotische Wirkung [2]. Doch richtig spannend wurde es, als sie die Extrakte zusammen mit „echten“ Antibiotika verabreichten, denn diese wirkten auf einmal deutlich stärker als sonst: viel mehr Bakterien starben und die Ausbildung eines Biofilms, der Bakterien in Infektionskrankheiten vor dem Immunsystem schützt, war drastisch verringert.
Um zu verstehen, warum der Sirup solche Auswirkungen hatte, untersuchte die Gruppe die Genexpression der Bakterien und fand, daß diverse Gene, die eine Rolle in der Wirkstoffresistenz, Beweglichkeit, Adhäsionsfähigkeit, Biofilmausbildung und Virulenz der Bakterien spielen, offenbar durch den Sirup herabreguliert werden. Außerdem erhöhte er die Durchlässigkeit der bakteriellen Membranen, wodurch Antibiotika möglicherweise besser in die Bakterien eindringen können. Die Phenolkomponente Brenzcatechin im Sirup scheint zudem die Wirksamkeit der medikamentösen Antibiotika zu erhöhen.
Es bedarf natürlich noch einiges mehr an Forschung, darunter In-vivo-Tests und klinischer Studien, bevor es antibakteriellen Ahornsirup auf Rezept geben wird, aber vielleicht macht sich das klebrige Zeug dereinst als Antibiotika-Adjuvans mal genauso gut, wie schon jetzt auf Pancakes 🙂
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Referenzen:
[1] Chen, Z., Guo, L., Zhang, Y., Walzem, R. L., Pendergast, J. S., Printz, R. L., … & Davies, S. S. (2014). Incorporation of therapeutically modified bacteria into gut microbiota inhibits obesity. The Journal of clinical investigation, 124(8), 3391.
[2] Maisuria, V. B., Hosseinidoust, Z., & Tufenkji, N. (2015). Polyphenolic Extract from Maple Syrup Potentiates Antibiotic Susceptibility and Reduces Biofilm Formation of Pathogenic Bacteria. Applied and environmental microbiology, 81(11), 3782-3792.
[3] Blumberg, R., Powrie, F. Microbiota, disease, and back to health: a metastable journey. Sci Transl Med. 2012;4:137rv7.
[4] Backhed, F., Fraser, C.M., Ringel, Y. et al, Defining a healthy human gut microbiome: Current concepts, future directions, and clinical applications. Cell Host Microbe. 2012;12:611–622.
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