In einem Gutachten würde man jetzt drei Hypothesen miteinander vergleichen, die einander ausschließen und jeweils die Befunde erklären müssen:
H1: Das Blut stammt von der Statue, also von Jesus*.
H2: Das Blut stammt von der biologischen Mutter der Tochter.
H3: Das Blut stammt von einer unbekannten weiblichen, mit der Mutter, Tochter und Jesus unverwandten Person.
*Randbedingung für H1: Jesus hat eine Primerbindestellenmutation auf seinem Y-Chromosom*2, das daraufhin nicht PCR-amplifiziert wird und besitzt außerdem zufällig alle erforderlichen mütterlichen Erbmerkmale, die eine Frau haben müßte, die mit dem Familienvater eben diese Tochter des Hauses gezeugt hat.
*2: es könnte natürlich auch sein, daß der Y-chromosomale Status von Jesus vom lieben Gott absichtlich verschleiert wurde, denn wenn Jesus ein Y-Chromosom hatte, dann muß er es von seinem Vater erhalten haben und das wiederum würde bedeuten, daß Gott tatsächlich das biologische Geschlecht „männlich“ hatte, obwohl ihm derart profanes von den Damen, Herren und sonstigen Erscheinungsformen Theologen ja immer abgesprochen wird.
Für die Berechnung der Wahrscheinlichkeit der Hypothese H3 wird ermittelt, wie häufig das zu Tochter und Vater passende mütterliche Erzeugerinnenprofil in der Bevölkerung ist, was angesichts des hohen W-Werts offenbar sehr selten ist. Für H1 gilt, wenn zufälliges Zustandekommen der Kombination angenommen wird, dasselbe, es müßte aber zusätzlich noch die Wahrscheinlichkeit der Primerbindestellenmutation einbezogen werden, wodurch H1 noch unwahrscheinlicher wird, als sie es durch die notwendige Voraussetzung der unbegründeten Annahme der Existenz jenes hypothetischen, haploiden Handwerkers ohnehin schon ist. Fraglich ist natürlich auch, ob Allelfrequenzen für antike Aramäer-Populationen bekannt sind, um die Wahrscheinlichkeit für H1 korrekt zu berechnen.
Mit diesen wenig emutigenden Ergebnissen und der Vermutung, es könne eine Verwechslung der Probe von der Statue gegeben haben, kehrte Rangel-Villalobos zur Familie zurück und erläuterte seine Befunde. Die Mutter war zufällig wieder einmal abwesend, aber der Familienvater beteuerte, daß der Blutfleck ganz bestimmt vom Altartuch stamme, wohin er in der ersten Woche, nachdem das „blutender Christus-Wunder“ begonnen hätte, gefallen sei.
Leider, so Rangel-Villalobos, sei die Statue geschützt in eine Glasvitrine eingeschlossen gewesen, so daß er keine Proben direkt von der Statue habe nehmen können, weshalb er der Familie die Gunst des Zweifels (doch eine Verwechslung?) gewähren wolle, er betone aber, daß sich moderne, forensische DNA-analytische Verfahren grundsätzlich eignen und dazu eingesetzt werden sollten, solche und andere „Wunder“ auf ihre Authentizität zu untersuchen, um der Gesellschaft die Gelegenheit zu geben, zu prüfen, ob man wirklich daran glauben sollte, oder nicht.
Ich hätte da eine weniger hasenfüßige Schlußfolgerung gewagt: Myth busted!
P.S.: Hier noch eine epische Sprechgesangschlacht zum Thema 😉
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Referenzen
[1] Héctor, R. V. (2011). New approaches for forensic genetics: Breaking down “False Miracles”. Forensic Science International: Genetics, 5(5), 557-558.
[2] Palmirotta, R., Verginelli, F., Cama, A., Mariani-Costantini, R., Frati, L., & Battista, P. (1998). Origin and gender determination of dried blood on a statue of the Virgin Mary. Journal of forensic sciences, 43, 431-434.
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