Ich bin zurück aus Krakau, wo vom 31.8.-6.9. der 26. Weltkongress der ISFG stattfand. Wie ich Krakau (die Stadt) fand, habe ich ja schon erzählt, jetzt fehlt noch ein Bericht von der eigentlichen Tagung, die die weltweit wichtigste und größte Fachkonferenz für das Feld der forensischen Genetik darstellt:
Zuallererst möchte ich betonen, wie gut ich den Austragungssort, das Audimax der Jagellionischen Universität
und die Organisation der Tagung fand. Alles war modern und funktional, alles lief reibungslos (selbst das kostenlose WiFi), für alles war gesorgt (es gab sogar einen „Computer-Spot“ mit 8 frei zugänglichen PCs) und der große Hörsaal hat in mir ein bißchen heimische Gefühle erweckt (wer die Kölner Philharmonie von innen kennt, weiß, was ich meine).
Auch das Conference Dinner, das weit draußen „auf dem Land“ stattfand, hat mir sehr gut gefallen. Es gab Spanferkel, ein wirklich sensationelles und eigens für uns veranstaltetes Feuerwerk und zum Abschluß – wie immer – Tanz und Musik.
Anläßlich des ihm von der ISFG verliehenen Preises hielt Peter Gill die Eröffnungsrede der Tagung zum Thema „Origins of modern forensic genetics – the first 30 years“.
Peter Gill, der auch schonmal als „godfather of forensics“ bezeichnet wird, ist für die forensische Genetik sicher ebenso bedeutend wie Alec Jeffreys, den ich ja vor zwei Jahren in Melbourne getroffen habe und es war beeindruckend, zuzuhören, wie er die letzten 30 Jahre Entstehung und Entwicklung unseres Fachs rekapitulierte und dabei zu sehen, daß er wirklich von Anfang an und bei allen wichtigen Meilensteinen und Errungenschaften beteiligt war. Selbst Peter Gill sieht inzwischen übrigens den CSI-Effekt mit Sorge und zu den Herausforderungen für die nächsten 30 Jahre gehört seiner Meinung auch „more reserach to understand the dangers of ‚contamination‘, the relevance of evidence – the CSI effect“.
Sein Hauptinteresse im Moment liegt aber bei der Entwicklung und Förderung von Methoden und Programmen zur Untersuchung komplexer Mischspuren gerade bei Spuren mit sehr geringem DNA-Gehalt (sog. „low template“-DNA, LT-DNA). Am Tag vor der Eröffnung hatte ich zu diesem Thema einen ganztägigen Workshop unter seiner Leitung, bei welcher Gelegenheit er den ganzen Komplex noch einmal ganz ausführlich darstellte.
Die möglichst konservative (d.i. den Angeklagten im Zweifel eher weniger als mehr belastende) aber dabei objektive und möglichst alle verfügbare Information nutzende Analyse solcher DNA-Profile, die zugleich fehlende bzw. kontaminante Signale und Artefakte miteinbezieht, ist eines der schwierigsten Probleme der forensisch-genetischen Routine und wir sind noch weit entfernt von einem allgemeinen Konsens oder gar einem Goldstandard, wie damit umzugehen ist. Angesichts der immer häufiger an Tatorten gesammelten und uns vorgelegten Minimalspuren mit LT-DNA einerseits und den hohen Anforderungen an forensische Untersuchungen und insbesondere die forensische DNA-Analytik andererseits wird es aber immer wichtiger, hier eine gute und konsensfähige Lösung zu finden.
Daher war es nicht verwunderlich, daß nicht wenige Vorträge und Poster sich mit diesem und verwandten biostatistischen Themen befassten und unter anderem verschiedene Softwares vorstellten, mit denen sich die überaus komplexen Berechnungen zur Modellierung von Drop-Out- und Drop-In-Wahrscheinlichkeiten, Stutter-Artefakten, Populationssubstrukturen, Haupt- und Nebenkomponenten, Verursacheranzahl etc. bewältigen lassen.
Die anderen großen Themengebiete der Tagung deckten in über 50 Vorträgen und 450 Postern (!) die gesamte Bandbreite der forensischen Genetik ab und umfassten u.a. Populationsgenetik, die geschlechtschromosomalen Marker und mtDNA, NGS natürlich, Körperflüssigkeitenidentifikation (wir erforschen ja in diesem Zusammenhang den Einsatz von micro-RNA), Abstammungsuntersuchung, relevante Themen aus der Rechtsmedizin und forensischen Biologie, ethische Fragen in der forensischen Genetik, Neue Technologien, DNA-basierte Vorhersagen über verschiedene äußerlich sichtbare Merkmale (über FDP habe ich ja schon berichtet) u.a.m.
Zu letzterem habe ich ein interessantes und zugleich amüsantes Poster gesehen, bei dem es um DNA-Merkmale ging, die die Vorhersage von männlicher Glatzenbildung ermöglichen sollen. Es hieß „Praktische Evaluierung der SNP-basierten Vorhersage des männlichen Haarausfalls an einer Stichprobe verurteilter Straftäter“.
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