Und? Hat jemand unter den LeserInnen zum neuen Jahr einen ernährungs- oder gewichtsbezogenen guten Vorsatz gefasst (und schon wieder gebrochen)?
So schwierig es für manche zu sein scheint, ein bestimmtes Körpergewicht zu halten oder auch zu reduzieren, so scheinbar unendlich viele jeweils angeblich „diesmal wirklich echt wirksame“ Diätkonzepte gibt es und im Feld der Ernährungswissenschaft gibt es fast so viele Meinungen, wie es Meinungsinhaber gibt. Ich kenne ein altes und annähernd todsicheres aber leider unglamouröses und ohne dämliche Buzzwords wie „Detox“, „gluten-free“, „Carbs“ und hippe Modebestandteile wie „gepufftes Amaranth“ etc. auskommendes Abnehmkonzept: weniger essen, mehr Sport.
Aber ganz so einfach ist es vielleicht doch nicht, denn mir sind in letzter Zeit ein paar neue und, wie ich fand, interessante Erkenntnisse zum Essen und seinen Auswirkungen auf das Körpergewicht untergekommen und davon will ich hier kurz berichten:
Die reine Kontrolle des Verhältnisses von Kalorienzufuhr und –verbrauch ist womöglich nicht ausreichend für effizientes Abnehmen. Einer Studie aus Cell Metabolism zufolge spielt auch der Zeitpunkt, zu dem man isst, eine wichtige Rolle [1]. Für die Studie hatte man Mäusen hochkalorische Nahrung mit viel Zucker und Fett in beliebiger Menge aber nur für bestimmte Zeiträume angeboten. Diese Mäuse wurden nicht dick und entwickelten auch keine Stoffwechselkrankheiten. Dicke Mäuse, deren Zugang zu solcher Nahrung auf 8 Stunden am Tag begrenzt war, nahmen nicht nur nicht zu, sondern sogar ab und Stoffwechselkrankheiten gingen zurück, und selbst dann, wenn sie in den 8 Stunden genauso viele Kalorien aufnahmen, wie Kontrollmäuse, die den ganzen Tag Zugang zu Nahrung hatten.
Inzwischen weiß man, daß verschiedene Stoffwechselwege an die diurnalen Rhythmen des Körpers gekoppelt sind, die wiederum von sich abwechselnden Perioden von Nahrungsaufnahme und Fasten abhängen. Um den Einfluss des Fressrhythmus’ auf die Gesundheit zu untersuchen, wurden 392 Mäuse eingesetzt und Gruppen von ihnen einmal durchgängig und einmal für nur 9 Stunden pro Tag Nahrung mit viel Zucker und Fett angeboten. Beide Gruppen frassen etwa die gleiche Kalorienmenge, doch die Gruppe mit dem eingeschränkten Zugang nahm im Schnitt nur halb so viel an Gewicht zu, wie die Gruppe mit unbeschränktem Zugang. Dieser Effekt verringerte sich mit der Länge des Intervalls der Verfügbarkeit (getestet wurden 9, 12 und 15 Stunden): je kürzer pro Tag gefastet wurde, desto größer die durchschnittliche Gewichtszunahme.
Besonders interessant fand ich eine experimentelle Variation, die auch mein ganz persönliches Verhalten abbildet, nämlich den Nahrungshedonismus am Wochenende (während ich in der Woche recht asketisch lebe): den Mäusen, die in der Woche nur 9 Stunden Nahrungszugang hatten, wurde am Wochenende unbegrenzter Zugang gewährt. Erfreulicherweise (für mich) nahmen auch diese Mäuse nur halb so viel zu wie die, die durchgängig Zugang zur Nahrung hatten.
Es scheint also weniger wichtig zu sein, was und wieviel man isst, sondern wann und vor allem wann nicht, wenn man Übergewicht vermeiden will. Doch die Studie untersuchte auch, ob man durch eine “Rhythmisierung” der Nahrungsaufnahme auch bereits vorhandenes Übergewicht behandeln kann. Und in der Tat verloren übergewichtige Mäuse, die zwar eingeschränkten Nahrungszugang hatten aber in dieser Zeit genausoviel frassen, wie Kontrolltiere mit unbeschränkten Zugang, etwa 5% ihres Gewichts und behielten diesen Zustand auch langfristig bei.
Der eingeschränkte Nahrungszugang hatte auch noch andere günstige Wirkungen, wie Reduktion von Fettgewebe, kleinere Lipidtröpfchengröße, weniger Entzündungszeichen, geringere Fettanlagerungen in der Leber und gesenkte Mengen von Triglyceriden im Serum und bei den übergewichtigen Mäusen, deren Zugang zur Nahrung eingeschränkt wurde, sank auch das Risiko für Diabetes und Insulinresistenz.
Auch die Muskelphysiologie verbesserte sich durch den eingeschränkten Zugang, so daß die entsprechenden Mäuse im Vergleich bessere Ausdauer und Koordination aufwiesen.
Als nächstes soll untersucht werden, welche Rolle bekannte circadiane und metabolische Regulatoren bei der Normalisierung des Energiehaushalts eines Organismus unter der Einwirkung eingeschränkten Nahrungszugangs spielen.
Die Studie weist in meinen Augen auf ein enormes Potential hin, das die strenge Rhythmisierung der Nahrungsaufnahme auch bei der Behandlung und Vermeidung menschlichen Übergewichts und menschlicher Stoffwechselerkrankungen haben könnte und bestärkt mich in von manchen meiner Mitmenschen “exzentrisch” gefundenen Essgewohnheiten 🙂
Dabei kommt es durchaus vor, daß ich, leicht überfressen, nach „Rennie“ suchen muß. Dabei verfügt der Körper ja eigentlich über gute Mittel zur Regulation der Nahrungsaufnahme, indem durch komplexe neuronale und hormonelle Systeme das Hungergefühl recht genau gesteuert und an den Nahrungsbedarf angepasst wird. Wie kommt es dann, daß man immer wieder etwas zu sich nimmt bzw. weiterisst, den großen Nachtisch nach der üppigen Mahlzeit, die Tüte Chips nach dem Abendessen, auch wenn man schon satt oder zumindest gar nicht hungrig ist?
In einer Studie in Scientific Reports [2] wurde genau dieser Frage nachgegangen und gefunden, daß offenbar das Verhältnis von Fetten zu Kohlenhydraten in der Nahrung entscheidend beeinflusst, ob wir das Sättigungsgefühl des Körpers ignorieren und darüber hinwegessen (nennt man Hyperphagie): Besonders Kartoffelchips, die fast ausschließlich aus Fett und Kohlenhydraten bestehen, veranlassten Versuchsratten zu regelrechten hyperphagischen Orgien. Um herauszufinden, ob die Ratten einfach nur hochkalorische Nahrung bevorzugten, setzte man ihnen unterschiedliche Nahrung mit stetig ansteigendem Fettgehalt vor, worauf sich zeigte, daß Ratten einen Fettgehalt von bis zu 35% bevorzugten und Nahrung mit höherem Fettanteil weniger gern frassen, es kam also wirklich auf das Verhältnis von Fett zu Kohlenhydraten an.
Daraufhin wurde mittels manganverstärkter MRI das Geschehen im Hirn lebender Ratten beobachtet während diese frassen. Das Mangankontrastmittel sammelt sich auch bei ganz normalen Aktivitäten wie Fressen in aktiven Hirnregionen an und bleibt dort für eine ganze Weile, wo es dann mittels MRI detektiert werden kann. So kann man die Hirnaktivität eines bestimmten Verhaltens auch dann noch abbilden, nachdem die eigentlich Handlung schon vollzogen wurde.
So erkannte man signifikante Unterschiede in der Hirnaktivität, wenn normales Futter, Futter mit 35% Fett oder Kartoffelchips verfüttert wurden. Bei Tieren, die Kartoffelchips gefressen hatten, waren mit Sucht und Belohnung, aber auch mit Nahrungsaufnahme und Fortbewegung assoziiierte Hirnzentren hochgradig aktiviert, während Komponenten, die an der Steuerung des Sättigungsgefühls beteiligt sind, deaktiviert waren. Der Effekt für das Futter mit 35% Fett war nicht ganz so stark ausgeprägt aber noch merkbar, außerdem waren mit Schlaf assoziierte Areale deaktiviert.
Es muß also noch etwas anderes als das reine Fett-zu-Kohlehydrate-Verhältnis in den Chips sein, wodurch sie die Ratten (und den einen oder anderen Homo s.) in einen hedonistischen Fressrausch stürzen können. Homo s. kann wenigstens versuchen, sich durch Selbstbeherrschung davor zu bewahren.
Daß Kartoffelchips nicht gerade die Nahrung der Champions und Athleten ist, dürfte klar sein, doch ist die in diesen Kreisen derzeit hoch im Kurs stehende „low-carb, high-fat, adequate protein“-Diät wirklich so gut wie angenommen?
Um das herauszufinden, wurden für eine Studie in Metabolism [3] 20 männliche Extrem-Ausdauersportler (Ultramarathonisten, Ironman-Triathleten und ähnliche Wahnsinnige) zwischen 21 und 45 Jahren rekrutiert, von denen je 10 “high-carb”- bzw. “low-carb”-Nahrung aßen, die über mehrere Tage u.a. anstrengende, mehrstündige Gerätetrainings durchlaufen mussten.
Nachdem die/der maximale Sauerstoffaufnahme/-verbrauch (VO2 max) der Probanden gemessen worden war, erhielten sie ein genau kontrolliertes Abendessen und mußten sich am nächsten Morgen im Labor einfinden, wo ihnen insgesamt 3 Muskelbiopsien und 8 Blutproben abgenommen und 9 kalorimetrische Messungen durchgeführt wurden, bevor und nachdem sie high- bzw. low-carb-Shakes zu sich genommen, 90 Minuten ausgeruht und einen 3 Stunden-Lauf auf einem Laufband bei 65% ihrer VO2 max hinter sich gebracht hatten.
Die Messungen zeigten eine enorm hohe Fettoxidierung in denjenigen Sportlern, die eine low-carb high-fat Ernährung anwendeten und 2,3 mal so viel Fett verbrauchten, wie die high-carb ernährten Sportler. Interessanterweise war jedoch der Glycogenverbrauch in den Muskeln nach der dreistündigen Übung und auch die Wiederauffüllung zwei Stunden danach in beiden Gruppen vergleichbar, was darauf hinweist, daß sich der Körper an kohlenhydratarme Ernährung anpassen kann.
Wer also mehr Fett verbrennen will, ist in der Tat gut beraten, Kohlenhydrate zu reduzieren.
Eine andere Möglichkeit, Fett zu oxidieren, ist, es in den Ofen zu schieben. Heute ist Samstag, gleich gibt’s Pizza 🙂
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Referenzen:
[1] Chaix A, Zarrinpar A, Miu P, Panda S. Time-Restricted Feeding Is a Preventative and Therapeutic Intervention against Diverse Nutritional Challenges. Cell Metab. 2014 Dec 2;20(6):991-1005.
[2] Hoch T, Kreitz S, Gaffling S, Pischetsrieder M, Hess A. Fat/carbohydrate ratio but not energy density determines snack food intake and activates brain reward areas. Sci Rep. 2015 May 14;5:10041.
[3] Volek J, Freidenreich D, Saenz C et al. Metabolic characteristics of keto-adapted ultra-endurance runners. Metabolism. 2015;65(3):100-110. doi:10.1016/j.metabol.2015.10.028 .
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