Weitere zwei Monate seit dem letzten Bericht aus Kiel und derer vier, seit ich Nordmann wurde, sind ins Land gezogen, wieder einmal Zeit also, ein bißchen von hier zu erzählen. (Soundtrack zum Artikel)
Zuerst zu den schönen und erbaulichen Dingen: im Institut läuft es weiterhin gut, mein Team wurde noch um eine Masterstudentin verstärkt, die auf unserem micro-RNA-Projekt mitarbeitet, bald bekommen wir noch eine zusätzliche Kraft und eine neue Maschine, mit der wir u.a. hochauflösende Schmelzkurvenanalysen werden durchführen können (damit geht dann so etwas hier). Ich habe viele Ideen für neue Forschungsansätze und versuche, dafür auch wieder eine Förderung zu erhalten, außerdem gibt es spannende Routinefälle, übrigens nicht nur zu Straftaten, ich habe im Moment auch einen sehr interessanten Abstammungsfall, über den ich vielleicht eines Tages hier berichten kann. Sehr angenehm ist auch, daß Bob und seine Baukumpels von direkt vor meinem Fenster abgezogen wurden und nun woanders lärmen dürfen.
Weniger schön ist und bleibt allerdings das Wetter hier. Bin echt gespannt, ob der von allen Kielern, mit denen ich gesprochen habe, einhellig gelobte Sommer halten wird, was man mir dazu versprochen hat. Aber wenigstens lernt man so etwas über die schillernde meteorologische Vielfalt von Regen in all seinen Erscheinungsformen. Wahrscheinlich kennt jeder Kieler ebensoviele Worte für Regen wie ein Inuit für Schnee: es gibt Niesel-, Piesel- und Fisselregen, Güsse, Schauer, Dauer-, Platz-, Sprüh- und schwere Landregen, Sturzbäche, Schnee-, Eis- und junge-Hunde-Regen und all diese Formen gibt es auch als Mischphänomene und Horizontalvarianten, angetrieben von Wind und Sturmböen aus jeder Richtung, vorzugsweise aber von vorne, während man radfährt und Brille trägt. Auch zum Irrglauben mancher, das Leben sei nur schwarz und weiß, kann man sich hier eines besseren beleben lassen, denn inzwischen kenne ich vom Studium des Himmels über Kiel mehr Schattierungen von Grau als Frau James (btw: ich schreibe auch besser als die – ok, keine Kunst ;-), was einen beruhigenden optischen Kontrast zu den manchmal doch kapriziösen Wechseln zwischen den einzelnen Regensorten darstellt. Daraufhin spielt sich hier sehr viel drinnen ab, was für einen ehemaligen Bürger Kölns, wo man, außer an Heiligabend so ziemlich immer und überall draußen ist, doch eine erhebliche Umstellung bedeutet.
Letztes Wochenende war hier “Kieler Umschlag“, so eine Art Volksfest, das sich von einem mittelalterlichen Freimarkt ableitet, und dazu noch verkaufsoffener Sonntag. In Köln wäre es zu so einer Gelegenheit schwarz vor Menschen gewesen, hier war es so:
und nicht mal der Pommes King hatte zur besten Mittagessenzeit auch nur einen fütterungsbedürftigen Untertanen
Viva Tristesse (ich höre übrigens aus irgendwelchen Gründen sehr viel Funeral Doom, seit ich in Kiel wohne, Soundtrack oben). Und ist diese in unserem Innenhof installierte nicht die traurigste Oster-Dekoration aller Zeiten?
Aber manchmal gibt es auch hier auch einen Sonnen/-Hoffnungsschimmer und dann ist es besonders schön.
Und Möven! Überall sind hier photogene Möven,
deren Rufe mich morgens wecken und die mich immer daran erinnern, wie nahe das Meer ist 🙂 Nein, im Ernst, man kann es hier schon aushalten. Ich kenne schon ein paar nette KielerInnen, ich habe Möglichkeiten, Sport zu treiben gefunden, es gibt ein paar feine Stätten für heißgetränkorientierte Einkehr und, nicht zu verachten, es gibt hier oben verglichen mit dem Rheinland, nur ganz wenig Katholizismus, unter 40% Protestanten und die Mehrheit (!) ist so frei von Konfessionen wie es die Luft hier zum Atmen ist.
Ach ja, ich habe noch eine schlimme Nachricht: Paquito ist sehr krank. Bei einem steilen Anstieg krachte es und Paquito verlor seine Kette und verstauchte sich böse sein Schaltwerk (natürlich weit entfernt von meiner Wohnung und während eines behaglichen Eisregenschauers). Aus. Ende. Keinen Meter konnte er mehr fahren und seine (und damit meine) Mobilität war dahin.
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