17 Tage später bekomme ich schließlich eine E-mail mit Anhang, in der mir mitgeteilt wird, daß mein Bericht fertig sei. Ich öffne das angehängte, deutschsprachige und mit angenehmem Layout daherkommende pdf-Dokument, es hat 26 Seiten und ist betitelt mit “Ihr Gesundheitsbericht”. Als erstes kommt eine “Einführung in den Bericht”, wo man mir u.a. mitteilt:
Sie sind jetzt Teil einer Gruppe von Menschen auf der ganzen Welt, die bereits die Kenntnis ihrer eigenen DNA-Struktur nutzen. Verwenden Sie diesen Bericht richtig, und Sie können Ihre Chancen auf ein längeres und gesünderes Leben erhöhen.
Das ist natürlich sachlich nicht ganz richtig, denn daß meine DNA eine Doppelhelixstruktur hat, wußte ich auch schon vor dem Bericht. Gemeint ist sicher die “Kenntnis eines Teils Ihrer DNA-Sequenz”. Gut, weiter im Text zum Haftungsausschluß. Hier gibt es einen extrem wichtigen Absatz, der eigentlich nicht in diesen sondern in den auf der nächsten Seite folgenden Abschnitt “Wie Sie diesen Bericht lesen sollten” gehört:
“Der Zweck dieses molekulargenetischen Tests ist es, festzustellen ob Sie oder die Person, die getestet wurde, Mutation(en) besitzen, die Sie für spezifische Krankheiten oder Leiden, die durch diesen Test abgedeckt sind, prädisponiert sind. Es ist wichtig zu verstehen, dass Sie aufgrund der Komplexität des DNA-basierten Tests und der wichtigen Konsequenzen der Testergebnisse Ihren Arzt oder einen genetischen Berater konsultieren sollten. Dieser Bericht dient Ihnen zu Informations- und Bildungszwecken und ersetzt nicht den Besuch eines Arztes oder den Rat oder die Leistungen eines solchen. Sie sollten Ihr Gesundheitsverhalten nicht nur auf der Grundlage der Informationen in diesem Bericht ändern. Besprechen Sie Ihre genetischen Informationen mit einem Arzt oder anderem Gesundheitsdienstleister, bevor Sie handeln. Bei den häufigsten Krankheiten sind die Gene die wir kennen nur für einen Teil des Risikos verantwortlich. Es kann unbekannte Gene, Umweltfaktoren oder Lebensstile geben, die viel wichtigere Prädiktoren sind. Wenn Ihre Daten zeigen, dass Sie kein erhöhtes genetisches Risiko für eine bestimmte Krankheit oder Leiden haben, sollten Sie nicht das Gefühl haben, dass Sie davor geschützt sind. Das Gegenteil ist ebenso der Fall: wenn Ihre Daten zeigen, dass Sie ein erhöhtes genetisches Risiko für eine bestimmte Krankheit oder Leiden haben, bedeutet das nicht, dass Sie diese auf jeden Fall entwickeln werden. In jedem Fall sollten Sie einen Arzt oder anderen Gesundheitsdienstleister konsultieren, wenn Sie Fragen zu diesem Bericht haben.” (blau markiert von CC)
So ein Bericht ist also weder Schicksalsschlag noch Freibrief für irgendwas und es ist aufrichtig und korrekt vom Dienstleister, das genau so auch mitzuteilen. Dieser Bericht gibt lediglich Auskunft über die ab Geburt vorhandenen Ausgangspositionen, nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Im Abschnitt “Wie berechnen wir die Risiken?” folgt eine ebenso wichtige Information:
„IHR RISIKO“ ist die Wahrscheinlichkeit, eine bestimmte Krankheit zu einem bestimmten Zeitpunkt Ihres Lebens zu entwickeln. Hier wurden die untersuchten genetischen Marker und das durchschnittliche Lebenszeitrisiko für Ihr Geschlecht berücksichtigt. Sie können sich selbst mit dem DURCHSCHNITTLICHEN RISIKO der Bevölkerung vergleichen, das im zweiten Kreis angegeben ist. Alle Risiken werden basierend auf Daten gesammelt von Menschen mit kaukasischer Abstammung berechnet. Es ist wichtig zu verstehen dass Umwelteinflüsse wie Rauchen, Ernährung, Stress und körperliche Aktivität eine große Rolle bei der Entstehung dieser Krankheiten spielen. Wenn nun Ihr Risiko niedrig ist heißt das nicht, dass Sie die Krankheit nicht haben können; ebenso muss es bei einem hohen Risiko nicht sein, dass Sie eine Krankheit entwickeln werden. (blau markiert von CC)
Mit anderen Worten, das Risiko, das man dort angegeben findet, bedeutet nicht die Wahrscheinlichkeit, daß man selbst persönlich diese Krankheit bekommt, sondern gibt das Risikio an für eine hypothetische durchschnittliche Person gleichen Alters und Geschlechts mit eben dieser genetischen Disposition im Vergleich zum Bevölkerungsmittel. Persönliche Lebensumstände und sonstige auf die Gesundheit Einfluss nehmende Variablen werden aber nicht (!) erfasst. Zwei Beispiele: selbst wenn bei mir aufgrund einer günstigen Mutation ein deutlich verringertes Lungenkrebsrisiko prädisponiert wäre, wäre mein tatsächliches Risiko, Lungenkrebs zu bekommen, als Kettenraucher dennoch viel, viel höher als im Bevölkerungsmittel. Und auch wenn mein Adipositas-Risiko genetisch um 70% höher läge als beim Bevölkerungsdurchschnitt, würde ich als auf meine Ernährung achtender Marathonläufer höchstwahrscheinlich nicht krankhaft dick werden.
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