Seine Wahl haben wir gerade einmal 18% der amerikanischen Bevölkerung zu verundanken (weitere 18% haben Clinton gewählt, der Rest ist nicht wählen gegangen). Dabei scheint es so, daß ein nennenswerter Anteil dieser 18 % nicht Trump gewählt hat, um ihn als Präsidenten zu sehen oder weil sie seine Ziele unterstützen, sondern bloß, damit es Clinton nicht wird. Viele sind zudem „single-issue-voter“, also Wähler, die nur aus einem einzigen, bestimmten Interesse (z.B. daß sie auch ja ihre 100 Knarren behalten dürfen) Trump gewählt und dabei alle etwaigen Bedenken ignoriert haben, andere wiederum sind Protestwähler („to shake things up“, siehe auch Jesse Ventura) und natürlich haben ihn alle Rassisten und „white supremacy“-Vertreter (wie der KKK) des ganzen Landes gewählt. Dennoch war das Wahlergebnis denkbar knapp (Clinton hatte sogar mehr Stimmen, aber eben weniger Wahlmänner als Trump) und ich stelle mir ernstlich die Frage, ob das Wirken der regressiven Linken hier das Zünglein an der Waage, der letzte Tropfen ins Faß war.
Abschließend sicherheitshalber noch folgende Klarstellung: ich will den Widerstand gegen (übertriebene) politische Korrektheit nicht als Deckmantel für die Peiorisierung und Verhöhnung legitimer Ansinnen wie der Gleichstellung von Frauen und dem Kampf gegen Rassismus verstanden wissen! Wenn politische Korrektheit aber zu Schwarz-Weiß-Denken und der Stigmatisierung abweichender Meinungen führt, geht sie fehl. Richtig ist sie in meinen Augen, wenn sie uns unserer Fähigkeit bewußt werden läßt, „bessere“ Worte zu finden und dabei trotzdem die Wahrheit zu sagen: wenn man das, was man sagen will, mit besseren Worten sagen kann, dann sollte man das auch tun.
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*: heute würde man diese Leute/Bewegung eher als “woke Linke” und “critical social justice”-Aktivismus bezeichnen. Der Begriff “regressive Linke” hat zusammen mit seinem Begründer M. Nawaz an Bedeutung verloren und “woke” hat sich durchgesetzt. Im Text oben kann man daher gedanklich ohne Bedeutungsverlust überall “regressive Linke” und “ReLi” durch “woke Linke” ersetzen (08.11.2024)
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Nachtrag am 08.11.2024: ich hätte es 2016, als „es“ zum ersten Mal passiert ist, absolut nicht für möglich gehalten, daß die Welt acht Jahre später sich ungläubig die Augen reibend noch einmal vor derselben Situation stehen würde. Doch „es“ ist passiert: die US-Amerikaner haben diesen
„erschütternd ignoranten, narzisstischen Bajazzo, diesen rassistischen homophoben, frauenverachtenden Chauvi [und] pathologischen Lügner, [der] spektakulär, ja obszön ungeeignet für dieses Amt“
ist, tatsächlich noch einmal zu ihrem Präsidenten gewählt, einen verurteilten Straftäter, gegen den als ersten Präsidenten der Geschichte zwei Amtsenthebungsverfahren angestrengt wurden und der sich – ebenfalls als erster in der Geschichte – nicht zu einer friedlichen Machtübergabe bekannte. Das kommt vielen, jetzt, da man vier Jahre seiner Amtsführung erlebt hatte und er in den letzten 8 Jahren noch immer bizarrer, unanständiger und erratischer geworden ist, völlig unbegreiflich vor. „Wie können Sie nur?!“
Ich hingegen erachte das, was ich vor acht Jahren schon in diesem Artikel hier als Mitgrund ausgemacht habe, auch dieses Mal wieder und sogar in stärkerem Ausmaß als Erklärung für den Wahlausgang: der Widerwille, die Reaktanz gegen die woke-linke, identitätspolitische Ideologie und ihren Aktivismus. Ich habe das auch in einem anderen Artikel diskutiert und bin überzeugt, daß
daß diese für ein politisches Amt – und erst recht das mächtigste der Welt – maximal ungeeignete menschliche Groteske gewählt wurde, auch (und in vermutlich nennenswertem Maße) an einer Gegenreaktion gegen die […] in den USA […] grassierende und als übergriffig, bevormundend und in ihren Verfemungsreflexen als extrem anmaßend empfundene woke Ideologie [lag], die von der Wählerschaft vor allem mit den Demokraten in Verbindung gebracht wurde, während sie gleichzeitig wahrnahm, wie deutlich sich Trump ostentativ und konträr dazu davon abgrenzte.
Neu hinzugekommen zu den Abstoßung erzeugenden Woke-Auswüchsen sind noch der z.T. komplett ausgeartete Trans-Aktivismus (mit Hormongaben und verstümmelnden OPs bereits für Kinder und Minderjährige, aber auch mit biologischen Männern im Frauensport) und der ungezügelte und völlig unverhohlene Antisemitismus in dieser Bewegung, der sich nach dem Massaker der Hamas an Israelis nach dem 7.10.23 offenbarte.
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