Kohlenmonoxid (CO) ist ein farb- und geruchloses Gas, das bei unvollständigen Verbrennungen entsteht und für sauerstoffabhängige Lebewesen überaus giftig ist: erstens  bindet es viel stärker an den roten Blutfarbstoff (Hämoglobin) als Sauerstoff, verdrängt diesen von den Bindungsstellen und führt so zu einer Sauerstoffunterversorgung durch das Blut. Zweitens behindert es den Zellatmungsprozess in den Mitochondrien. Beides führt, wenn keine Gegenmaßnahmen ergriffen werden, unweigerlich zum Tod und CO gilt als Ursache für mehr als die Hälfte aller tödlichen Vergiftungen weltweit: jedes Jahr gibt es in Deutschland tausende CO-Vergiftungen und auch in der Rechtsmedizin (s. Bild) haben wir vergleichsweise häufig damit zu tun, meist, nachdem eine Person dem Gas akzidentell oder in suizidaler Absicht ausgesetzt war.

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Man erkennt die Vergiftung häufig schon von außen an den kirschroten Totenflecken. Sind sie rosa, ist das ein Zeichen für eine Vergiftung mit Kohlenmonoxid (Achtung: Mittelfinger ist rosa lackiert!). Dieses Detail kann ein entscheidender Hinweis sein, wenn die Totenflecken noch schwach sind. Haben sich bei einer Kohlenmonoxidvergiftung Totenflecken ausgebildet, sind sie hellrot, da die Bindung von CO an das Hämoglobin auch postmortal sehr stabil ist (rechts). Quelle

Ein Gegengift gegen CO war bisher nicht bekannt und die einzige Maßnahme, um Vergifteten zu helfen, wurde vor mehr als 50 Jahren entwickelt und besteht darin, sie mit hochdosiertem Sauerstoff zu behandeln, um das CO aus den Blutzellen zu verdrängen.

Bis jetzt, muß man sagen, denn eine Pitsburgher Forschergruppe hat kürzlich eine Substanz identifiziert, die als erstes echtes Antidot, also als Gegengift zur Behandlung einer CO-Vergiftung durchgehen kann und damit eine erhebliche Bedeutung für die Notfallmedizin erhalten könnte. Dabei handelt es sich um Neuroglobin, ein Protein, das typischerweise im Hirn aber auch in der Netzhaut gebildet wird und dort die Zellen schützt, indem es reaktiven Sauerstoff und Stickoxide bindet.

Als die Gruppe vor einiger Zeit begann, das Neuroglobin zu untersuchen, stellten sie fest, daß es – lästigerweise, wie sie anfangs fanden – fast immer gebunden an CO, das im Körper als Nebenprodukt beim Abbau von Hämoglobin entsteht, auftritt. Später erst fiel ihnen dann auf, daß dieses Phänomen, das die Untersuchung von Neuroglobin erschwerte, extrem interessant für die Entwicklung eines Antidots gegen CO-Vergiftung sein könnte und sie begannen mit Studien an Mäusen. Dafür konstruierten sie eine genetisch veränderte Variante von Neuroglobin, die CO 500 mal stärker bindet als Hämoglobin und in CO-gebundener Form durch die Niere ausgeschieden werden können. Mäuse, denen fünf Minuten nach einer Vergiftung mit einer tödlichen Menge CO das modifizierte Neuroglobin verabreicht wurde, überlebten zu 87%! Das Neuroglobin reißt das CO förmlich an sich und bindet es ganz fest, so daß zuvor durch CO blockiertes Hämoglobin wieder freigesetzt und damit zugänglich für Sauerstoff wird.

Zwar scheint Neuroglobin nicht gegen die immunsystemvermittelten Langzeitschäden [2] am Nerven- und Kreislaufsystem, die eine CO-Vergiftung anrichtet, zu helfen, im Gegensatz zur Sauerstoffbehandlung [3], doch trotzdem hat die Gruppe hier ein sehr eindrucksvolles Ergebnis erzielt und wenn sich der Effekt an zunächst Ratten, dann größeren Säugetieren und schließlich auch menschlichen Probanden replizieren läßt, entsprechende Studien sind bereits in Planung, dann stünde eine wirklich sehr vielversprechende, schnell wirkende Therapie für CO-Vergiftungen zur Verfügung, die viele Menschenleben retten könnte.

 

gas-safety-stickmenSo, und mit dieser wirklich frohen Botschaft verabschiede ich mich für dieses Jahr vom aktiven Blogdienst, wünsche Euch/Ihnen  allen (nochmal) frohe, glückliche Feiertage ohne CO-erzeugende Baumbrände und einen gute, friedliche Ouvertüre zum neuen Jahr.

Bis bald 🙂

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Referenzen:

[1] Azarov, I., Wang, L., Rose, J. J., Xu, Q., Huang, X. N., Belanger, A., … & McTiernan, C. F. (2016). Five-coordinate H64Q neuroglobin as a ligand-trap antidote for carbon monoxide poisoning. Science Translational Medicine, 8(368), 368ra173-368ra173.

[2] Thom, S. R., Bhopale, V. M., Fisher, D., Zhang, J., & Gimotty, P. (2004). Delayed neuropathology after carbon monoxide poisoning is immune-mediated. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America, 101(37), 13660-13665.

[3] Thom, S. R., Bhopale, V. M., & Fisher, D. (2006). Hyperbaric oxygen reduces delayed immune-mediated neuropathology in experimental carbon monoxide toxicity. Toxicology and applied pharmacology, 213(2), 152-159.

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Kommentare (16)

  1. #1 Hobbes
    22/12/2016

    Na das ist doch mal eine interessante Meldung. Wäre ja schön wenn sich daraus ein Medikament entwickeln würde. Gerade für Feuerwehren und andere die mit Bränden zu tun haben ein schönes Weihnachtsgeschenk.

  2. #2 Alisier
    22/12/2016

    Sehr interessant. Da hatte ich noch nichts von gehört.
    Danke dafür und frohe nichtreligiöse Weihnachten 🙂

  3. #3 Sven
    23/12/2016

    Ich glaube das Winzer an so einem Medikament sehr interessiert sein dürften.

  4. #4 Cornelius Courts
    23/12/2016

    @Sven: wieso? Haben die öfters mit CO-Vergiftungen zu tun?

  5. #5 tomtoo
    23/12/2016

    @CC
    Anderen wünsch ich immer gerne eine arienfreie Weihnachtszeit. Aber das geht ja bei dir nicht so einfach. 😉
    Also eine schöne Weihnachtzeit !

  6. #6 gedankenknick
    23/12/2016

    Betreffend Winzer habe ich ja den Verdacht, dass jenewelche eher an CO2-Vergiftung (Abfallprodukt der alkoholischen Gärung) leiden im Weinkeller als an CO-Vergiftung. Ich denke, wenn ein Schwelbrand die Winzerfässer (heute meist auch Edelstahltanks) zerlegt, ruft der Winzer doch eher die Feuerwehr mit Atemschutzgeräten… 😉

    Andererseits denke ich, dass die wenigsten Winzer:
    a) das ganze noch im Keller betreiben (CO2 ist schwerer als Luft)
    b) keine passenden Be- und Entlüftungsvorrichtungen haben (Berufsgenossenschaft läßt grüßen)
    c) wenn a) und b) tatsächlich nicht zutreffen, kein passendes Warngerät installiert haben. (BG läßt grüßen)

    Den Wirkstoff kannte ich aber auch noch nicht. Ich vermute, eine sinnvolle Therapie wäre die Gabe parallel zu (hochdosiertem) O2 – Sauerstoff sollte sowieso an Bord der allermeisten Rettungsfahrzeuge in Form von 2l- bis 10l-Druckgasflaschen sein…

  7. #7 Raimund
    Bernkastel
    23/12/2016

    Zum Thema Winzer: Ein befreundeter Winzer (hier im Gebiet gibt es viele) verwendet tatsächlich tagtäglich so einen Sauerstoffkonzentrator… Rein prophylaktisch!

    Kann also bestätigen, dass das ein Thema für Winzer ist 🙂

  8. #8 Roland B.
    24/12/2016

    Ich denke schon, daß kleine Winzer (also von der Produktionsmenge her, nicht von der Gestalt) in vielen deutschen Regionen, vor allem in engen Flusstälern, durchaus noch echte Weinkeller betreiben.
    Trotzdem dürfte es meistens um CO2 gehen, das wird dann einfach mit CO in einen Topf geworfen (bildlich gesprochen).
    Wobei das CO2-Problem mehr für Hobbywinzer und Äbbelwoi-Heimproduzierer ein Risiko darstellen dürfte, die eben im Keller gären lassen und natürlich keine BG-geforderten Sicherheitsmaßnahmen treffen. Und heute nimmt wahrscheinlich kaum mehr einer eine Kerze oder einen Wellensittich mit runter in den Keller…
    Allerdings hat man auch schon sehr lange nichts mehr von Unfällen dieser Art gehört.

  9. #9 gedankenknick
    24/12/2016

    @Roland B.
    Aufgrund der Geringe der (bekannten) Unfallzahlen glaube ich schon, dass Hobbywinzer, die das in einem Umfang betreiben, der CO2-Unfälle ermöglicht, solch einfache Einrichtungen wie eine Kerze (immer noch) benutzen. Wird der Umfang größer, kostet ein CO2-Warngerät im Fachhandel so ab 250€ – diese Investition ist überschaubar. Müßte man mal eine Umfrage in Werder (Havel) beim “Baumblütenfest” machen… 😉

    Die Hobby-Winzer, mit denen ich es zu tun habe – ich handel auf Nachfrage auch mit Weinhefe und anderen Weinherstellungs-Verbrauchsprodukten – arbeiten in Größenordnungen, wo herzlich wenig Gefahr droht. Wenn man (nur) ein paar 10l-Weinballons in Nutzung hat, muss man sich schon sehr bemühen, um daraus ein Gefahrenpotential zu basteln. Meine eigenen Versuche in dieser Hinsicht liefen in einem Schuppen, der so undicht war, dass da sowieso immer Durchzug war. Aber man muss einfach das Verhältnis der Weingährgefäß-Volumen zum Gesamtraum-Volumen betrachten, um zu einer sinnvollen Gefahreneinschätzung zu kommen. Man darf da einen heutigen Hauskeller, meist isoliert & passiv belüftet & teilweise beheizt, nicht mit den Weinkellern der kleineren Winzerbetriebe(!) vor 100 Jahren verwechseln. Diese waren relativ dicht, relativ eng, relativ tief und mit Fässern fast komplett vollgestellt – um eine gleichmäßige Raumtemperatur über das ganze Jahr zu gewährleisten. Und daraus folgt: wenig Luftvolumen -> wenig CO2 macht viel Probleme. Heutzutage gilt da eher viel Luftvolumen auf die Wein(fass)menge -> wenig CO2 macht wenig(er) Probleme.

    Viel größer schätze ich das Gefahrenpotential bei Schankbetrieben ein, die 20l- und 50l-CO2-Druckgasflaschen für ihre Zapfanlagen betreiben, welche meist auch noch in engen separaten Räumen stehen. Wenn da mal ein Leck auftritt, wird das Problem viel schneller akut…

  10. #10 gedankenknick
    24/12/2016

    @Roland B. (Nachtrag)
    Interessanter Link: https://www.isitech.com/ressourcen/umfragen-archive/kohlendioxid-im-weinkeller.html

    Schnelles gockeln nach “CO2 Unfall” brachte zutage:
    Mainz 2015 -> CO2-Tanklast-LKW undicht
    München 2012 -> Industriepark
    Möchengladbach 2008 -> Feuerlöschanlage defekt
    Letzingen 2016 -> CO2-Unfall in einer Grundschule
    Riteln 2015 -> Defekte Schankanlage
    BG informiert über Probleme in Getränkelagern und Schankräumen: https://www.bgn.de/475/1840/1

    Wenn ich die Suche im “Winzer” ausweite, finde ich auf die Schnelle auch nur Links auf die Erklärung, warum man eine brennende Kerze mit in den Weinkeller nimmt…

    Aber ich glaube, ich habe die Diskussion ganz schön weit vom Ursprungsblogeintrag entfernt. Also zurück zum explosiven kleinen Bruder des CO2! 😉

  11. […] blooD’N’Acid: Ein Antidot gegen Kohlenmonoxid-Vergiftungen […]

  12. #12 noch'n Flo
    Schoggiland
    09/02/2017

    Schon wieder dieser Mutti-Bot. Irgendjemand sollte dem mal sagen, dass die Kanzlerin derzeit auf dem absteigenden Ast in Deutschland ist – wo bleibt die Werbung für Suff-Jugendfotos von Martin Schulz? 😉

  13. #13 RPGNo1
    09/02/2017

    Drüben bei FF ist der Bot noch aktiver. Dort hat er alle möglichen Artikel vollgespamt. Mir tut Florian Leid, dass er das alles säubern muss.

  14. #14 Ursula
    09/02/2017

    Ist mir nur unbegreiflich, dass der immer wieder durchkommt! Ist doch nicht das erste Mal. Wenn ich mir dagegen anschaue wie oft ein Filter bei seriösen Kommentaren anspringt?

  15. #15 noch'n Flo
    Schoggiland
    09/02/2017

    Hmmm, bei Ulrich ist noch alles sauber…

  16. #16 werner
    11/05/2017

    Interessanter Beitrag wie wäre es mit einem handlichen Sauerstoffkonzentrator?? 🙂

    Spaß beiseite. Wir sollten wohl alle wieder unseren kleinen Kanarienvogel mit in den Keller nehmen…