Darüber, daß MetalhörerInnen glückliche Menschen und die meisten Klischees über diese Menschen falsch sind, hatten wir uns ja vor zwei Jahren schon einmal unterhalten. Die Frage aber, ob und was die bevorzugte Musik über einen Menschen und seine psychologischen Eigenschaften aussagen kann, interessiert mich weiterhin sehr und auch andere, die sogar darüber forschen. Kürzlich ist nun eine Studie erschienen, die sich einmal nicht mit den Hörern sondern den Erzeugern von Musik, also Musikern, befaßt und verschiedene Eigenschaften und Neigungen zwischen klassischen und Metal-Musikern verglich.
Die Studie basierte übrigens auf einer sehr umfangreichen und über 35.000 Probanden umfassenden Arbeit von A. North aus dem Jahr 2005 [1], die den Zusammenhang persönlichkeitspsychologischer Merkmale mit bestimmten Musikpräferenzen untersuchte, und zeigte, daß der allgemeine Eindruck, daß Menschen sich Musikstile aussuchen, die ihrer eigenen Persönlichkeit am besten entsprechen, tatsächlich belegbar ist: Die Ergebnisse von Norths Studie sind daher eine plausible Erklärung dafür, daß viele Leute ihren Musikgeschmack bisweilen recht entschieden verteidigen, weil er so tief mit ihrer Sicht auf die Welt und das Leben verbunden ist. Sie machen auch das unter Menschen mit gleicher musikalischer Vorliebe oft anzutreffende Zusammengehörigkeitsempfinden begreiflich, das erklärt, warum Menschen sich so häufig besonders über „ihre“ Musik verbunden fühlen. Es zeigte sich insbesondere, daß die beiden Genres Klassik und Metal Hörer mit ganz ähnlichen Persönlichkeiten anziehen, allerdings aus unterschiedlichen Altersgruppen: die jüngeren Mitglieder der Persönlichkeitsgruppe bevorzugten Metal, die älteren Klassik, doch beide Altersgruppen teilen das gleiche Grundmotiv, nämlich das Bedürfnis, etwas dramatisches und theatralisches zu hören und eine gemeinsame Liebe zum Grandiosen. Dem in der Bevölkerung verbreiteten – und, wie gesagt, unzutreffenden – Stereotyp vom Metalfan als suizidal depressiver Gefahr für sich selbst und die Gesellschaft stellte Norths Studie recht gegensätzliche Befunde gegenüber: demnach sind Metalhörer durchaus eher empfindsam und feinfühlig. Abgesehen vom Alter weisen sie fast identische Persönlichkeitsmerkmale wie die Klassikhörer auf, beide Gruppen sind hochkreative, offene und umgängliche Menschen. Viele Metalhörer mögen z.B. auch Wagners Musik, weil sie gewaltig, laut und mitreißend ist und sowohl Klassik als auch Metal zeichnen sich durch eine gewissen Sinn für Theatralik aus, der für ihre Hörer offenbar besonders anziehend ist.
Es gibt also zwischen den Hörern dieser Musikrichtung zweifellos große Gemeinsamkeiten, doch wie sieht es mit den Musikern aus diesen Richtungen aus? Das untersuchten nun A. Butkovic und D.R. Dopudj, denen Norths Studie gut bekannt war und die verschiedene Persönlichkeitsmerkmale sowie die Neigung zum Alkoholkonsum zwischen den Musikergruppen verglichen [2]. Sie rekrutierten dazu 249 Profi- und LaienmusikerInnen zwischen 16 und 45 Jahren, je zur Hälfte aus der Klassik und dem Metal, die alle regelmäßig, die Hälfte mindestens einmal pro Monat, vor Publikum spielten und ließen sie psychologische Fragebögen ausfüllen. Dabei kam heraus, daß sich die schon von North festgestellte Ähnlichkeit auch zwischen den Musikern belegen ließ: Bei keiner der fünf Eigenschaften Extraversion, Verträglichkeit, Stabilität, Gewissenhaftigkeit und Offenheit sowie beim Intellekt wurde ein signifikanter Unterschied festgestellt. Es stellte sich allerdings heraus, daß die Metalmusiker deutlich mehr Alkohol zu trinken scheinen (zumindest dieses Klischee scheint ein Körnchen Wahrheit zu enthalten). Ein interessanter Nebenbefund bestand darin, daß bei klassischen und Metal-Musiker deutlich höhere Intelligenz gemessen wurde als im Bevölkerungsdurchschnitt (Cohen’s d, = 1,19 (Klassik) und = 1.4 (Metal)) und beide zudem signifikant überdurchschnittliche Werte im Aspekt „Verträglichkeit“ aufwiesen.
Daß Vorliebe zu Metal und Klassik (im Gegensatz zu anderen Musikrichtungen) mit besseren verbalen und analytischen Fähigkeiten assoziiert ist, hatten 2003 schon Rentfrow und Gosling gezeigt [3] und zum aktuellen Intelligenzbefund von Butkovic und Dopudj paßt in meinen Augen auch das Beispiel der grandiosen Band Meshuggah, die dem Djent zuzuordnen sind (und dieses Subgenre quasi begründet haben), die ich seit ca. 1995 selbst sehr gerne höre und auch schon gelegentlich auf Konzerten gesehen habe. (Das Publikum zerfiel stets in zwei Gruppen: die eine größere Gruppe erging sich in körperlicher Schwerarbeit beim Bangen und Crowdsurfen im Moshpit, die andere, kleinere Gruppe, wahrscheinlich größtenteils selber Musiker, stand still und ungläubig bis neidisch auf die Bühne starrend (und in manchen Fällen sich demütig vornehmend, zurück zu Hause das eigene Instrument zu verbrennen) da und sah den Meistern bei der Arbeit zu, um sich zu überzeugen, daß es wirklich Menschen sind, die das da live spielten (man höre sich das Schlagzeug in diesem Stück an und wisse, was ich meine und sehe ein, daß Tomas Haake zweifellos ein menschenförmiges Alien vom Planten Polyrhythmos ist).)
Meshuggahs Musik, die D. Weinstein sicher eher als apokalyptisch-chaotisch denn als dionysisch-rebellisch bezeichnet hätte, ist wie höhere Algebra, die sich aus der Summe originell gebrochener Zahlen ergibt. Es gibt Songs, in denen der Schlagzeuger und Bandleader 4/4-Takte auf den Becken spielt und einfach so 15/16 oder 7/8 auf der Snare oder der Bassdrum (im Video unten kann man ihm zusehen). Wer sich von der untrennbaren Verwebung von Mathematik und Musik überzeugen lassen will, höre sich einfach mal diesen Song vom aktuellen Album Meshuggahs an, das neben Djent auch von jazzig-swingenden „Timing-Algorithmen“ [4] durchwirkt ist. Es kam letztes Jahr heraus und ist betitelt mit „The violent sleep of reason“ (dt. der „gewalttätige“ Schlaf der Vernunft), und seine Texte sind als Kommentar zu Terrorismus, Extremismus, religiösen Dogmen und den mit Gewalt einhergehenden Folgen davon, „fest zu schlafen und nicht richtig darauf zu reagieren, was passiert“ zu verstehen. Inspiriert wurde das Album durch das Werk „Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer“ (links) und Meshuggah sind hier wohl eindeutig die Eulen 🙂
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Referenzen:
[1] North, A. C., Desborough, L., and Skarstein, L. (2005). Musical preference, deviance, and attitudes towards celebrities. Personality and Individual Differences, 38, 1903-1914.
[2] Butkovic, A., & Dopudj, D. R. (2016). Personality traits and alcohol consumption of classical and heavy metal musicians. Psychology of Music, 0305735616659128.
[3] Rentfrow, P. J., & Gosling, S. D. (2003). The do re mi’s of everyday life: The structure and personality correlates of music preferences. Journal of Personality and Social Psychology, 84, 1236-1256.
[4] Friberg, A., & Sundströöm, A. (2002). Swing ratios and ensemble timing in jazz performance: Evidence for a common rhythmic pattern. Music Perception: An Interdisciplinary Journal, 19(3), 333-349.
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