Nicht gerade das weihnachtlichste Thema, schon klar, aber gerade hochaktuell und nicht nur angesichts meiner Philippika für die Forschung über Schußwaffen relevant: in den USA, einem Land, in dem
alle zwei Jahre […] mehr Amerikaner durch Schußwaffen, als insgesamt in 20 Jahren Vietnamkrieg
sterben, wo seit Jahren eine nicht abreißende Serie von Massakern und Amokläufen, einen wirklich erschütternden Blutzoll fordert, mehr als irgendwo sonst auf der Welt, so daß die AMA inzwischen von einer „Krise der öffentlichen Gesundheit“ spricht und wo trotzdem
inzwischen seit zwei Jahrzehnten und zuletzt anläßlich einer Initiative im Dezember 2015 nach dem Attentat in San Bernardino öffentlich geförderte Forschung, z.B. durch das CDC, zu Schußwaffen und deren Einsatz in Gewaltdelikten vom Kongreß blockiert wird,
wird ja immer noch gerne von solchen völlig gewissenlosen, comicbösewichtmäßigen Lobbys wie der NRA verbreitet, daß mehr Waffen die Lösung seien und Attentate verhindern.
Daß das nicht so ist, zeigten nun P. Levine und R. McKnight in einer Studie in Science [1]. Es gab schon lange die Vermutung, daß die Anzahl von akzidentellen Toden durch Schußwaffen, also durch unbeabsichtigtes Abfeuern, mit der Anzahl der in Umlauf befindlichen Feuerwaffen korreliert. In ihrer Studie untersuchten sie die Zunahme von Waffenverkäufen, gemessen an der steigenden Zahl von Hintergrundüberprüfungen nach dem Amoklauf von 2012 an der Sandy Hook Schule, der zu einem zufälligen Zeitpunkt geschah und bei dem 20 Kinder getötet wurden und deren Auswirkung auf die Anzahl akzidenteller Todesfälle durch Feuerwaffen. Hier das Ergebnis:
Man sieht auch, daß der Anteil der zusätzlichen Todesfälle überproportional häufig Kinder betrifft.Die Statistik, die ihrer Berechnung zugrunde liegt, ist relativ aufwendig und kompliziert und Details dazu würden hier zu weit führen, wer interessiert ist, mag gerne in den Originaldaten nachlesen [1], hier nur soviel:
Interessant und bezeichnend finde ich daher folgenden letzten Satz der Studie (in meiner Übersetzung)
Unsere Ergebnisse stützen die Empfehlungen des Amerikanischen Colleges für Präventive Medizin, die Entwürfe für Gesetze zur sicheren Lagerung von Waffen und über die Beratung umfassen, die Ärzte ihren Patienten zu Verhaltensweisen zukommen lassen sollen, die das Risiko eines unabsichtlichen Abfeuerns einer Schußwaffe vemindern sollen.
Ist das nicht bizarr? Wäre das meine Studie gewesen, ich hätte daraus die dringende Empfehlung daraus abgeleitet, einfach mal keine (zusätzlichen) Waffen zu kaufen und angesichts bereits bekannter Daten zur Gefahr, die durch die schiere Existenz von Schußwaffen im Haushalt ausgeht [2,3], bereits vorhandene Waffen am besten wegzuschmeißen. Man könnte sogar darüber nachdenken, nach dem nächsten unweigerlich bevorstehenden Amoklauf ein temporäres, einige Monate andauerndes Waffenverkaufsverbot zu verhängen, das würde schließlich und offenbar Menschen-/Kinderleben retten. Aber in den USA würde man damit wahrscheinlich als vollkommen verrückt gelten. Was vollkommen verrückt ist.
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