Seht hier! Den Alptraum der Atheisten
— Ray Comfort (Banana-Man)
Evolution ist ein Fakt. Die Evolutionstheorie (ET) ist von zentraler Bedeutung für die moderne Biologie, die ihr zugrundeliegende „gefährliche“ Idee ist eine der größten und wichtigsten Ideen aller Zeiten und deshalb feiern wir nächste Woche auch wieder den Geburtstag ihres Begründers und Erdenkers, Charles Darwin.
Meine eigene Positionierung zur ET und ihrer bedauernswerten und an Idiotie der Leugnung der Gravitationstheorie gleichkommenden Gegenhypothese, dem Kreationismus, habe ich schon zu Gründerzeiten dieses Blogs vorgenommen und daran hat sich nichts geändert. Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, daß ich die Opposition gegen die ET in ihrer multidisziplinären, wirklich fundamentalen Belegtheit, wie wir sie allen traurigen Ernstes auch heute noch antreffen, mindestens ebenso grotesk und albern finde, wie ein geozentrisches Weltbild oder die Annahme einer flachen Erde im Jahr 2018.
Umso problematischer und ärgerlicher, wenn solche Opposition von Leuten kommt, die – auf zwar sehr verschiedene Weisen – einen Einfluß auf viele Menschen haben. Leuten wie dem Junior-Minister für die Entwicklung menschlicher Ressourcen und höhere Bildung in Indien, Satyapal Singh, und dem deutschen Sprechgesangerzeuger Felix Blume, bekannt unter dem ‚Künstler‘namen „Kollegah“, der mit seinen akustischen Hervorbringungen offenbar Hunderttausende Hörer erreicht. Im folgenden Beitrag lege ich dar, was die Herren über die ET gesagt haben und warum das falsch ist:
Herr Singh, der im Kabinett von Herrn Modi (ja, der Muhmist-Modi) offenbar recht gut aufgehoben ist, und sich, Chemiker, der er ist, als „Mann der Wissenschaft“ bezeichnet, kritisierte am 20.01. in Aurangabad im Rahmen einer Konferenz über alte Hindi-Texte die ET und bezeichnete sie als „wissenschaftlich falsch“. Er äußerte dazu die folgenden (von mir übersetzte) Sentenzen:
Singh: „Niemand, einschließlich unserer Ahnen, hat in schriftlicher oder mündlicher Überlieferung gesagt, daß er gesehen hat, wie sich ein Affe in einen Menschen verwandelt.“
Ja, ganz recht. Auf diesem Niveau „argumentiert“ hier allen Ernstes ein Minister für höhere Bildung in Indien. Dieses “Argument” hat gleich vier Schwächen:
- Herr Singh impliziert hier, daß er alle Aufzeichnungen und Überlieferungen aller Menschen und Völker aller Zeiten kennt, und daß in keiner davon die Verwandlung eines Affen in einen Menschen beschrieben wird, was ich für recht sportlich und durchaus belegpflichtig halte.
- Aber angenommen, es gäbe wirklich keine derartigen Überlieferungen und es hätte sich wirklich ein Affe in einen Menschen verwandelt, hätte es doch sein können, daß niemand dabei war, um es zu bezeugen. Das würde insbesondere dann Sinn ergeben, wenn der eben auf diese Weise entstandene Mensch ohnehin der erste seiner Art gewesen wäre und von ihm alle anderen Menschen abstammen.
- Nochmal: angenommen, es hätte sich wirklich ein Affe in einen Menschen verwandelt und es wäre nicht der erste Mensch gewesen, der so entstanden wäre, so hätte das ja auch passiert sein können, bevor die Schrift entwickelt wurde und eventuelle Zeugen (,die es aus welchen Gründen auch immer gegeben hätte,) konnten vielleicht nichts davon erzählen oder ihnen wurde nicht geglaubt.
- Man benötigt zur Widerlegung dieses “Arguments” natürlich keine der o.g. Annahmen, denn die ET besagt weder, daß der Mensch entstanden ist, indem sich ein Affe in einen Menschen verwandelt hat, noch, wie ebenfalls dauernd falsch behauptet wird, daß der Mensch vom Affen abstammt. In Wirklichkeit haben die rezenten, also heute lebenden Affen und der als „homo sapiens“ bezeichnete haararme Affe einfach nur gemeinsame Vorfahren. Dies läßt sich nicht nur genetisch, sondern auch durch Übergangsfossilien nachweisen.
Singh: “Ich habe eine Liste mit ungefähr 10 bis 15 großen Wissenschaftlern der Welt, die sagen, daß es keine Evidenz gibt, die beweist, daß die Evolutionstheorie korrekt ist.”
Dies ist ein Autoritätsargument aus dem Lehrbuch, also ein klassischer Fehlschluß. Dennoch, diese Liste (einschl. einer Liste mit Begründungen, warum diese 10-15 Personen darauf zu den großen Wissenschaftlern der Welt zu zählen sein sollen, sollte jene Liste wirklich existieren) würde ich zu gerne mal sehen 🙂 Ich halte Herrn Singh für armselig genug, um selbst für Fehlschlußargumente noch auf Falschbehauptungen angewiesen zu sein. Übrigens habe ich eine Liste mit über 1400 (echten) WissenschaftlerInnen namens „Steve“, die folgende (von mir übersetzte) Aussage unterschrieben haben:
“Evolution ist ein bedeutendes, sehr gut belegtes, vereinendes Prinzip der biologischen Wissenschaften und die wissenschaftliche Evidenz für die Idee, daß alle Lebewesen auf einen gemeinsamen Vorfahren zurückgehen, ist überwältigend. Obwohl es legitime Debatten über die Muster und Prozesse der Evolution gibt, gibt es keinen ernstzunehmenden Zweifel daran, daß Evolution stattfindet oder daran, daß natürliche Selektion einer ihrer Hauptmechanismen ist. Es ist wissenschaftlich unzulässig und pädagogisch unverantwortlich, kreationistische Pseudowissenschaft, worin auch „intelligent design“ inbegriffen ist, in die Lehrpläne unserer Schulen aufzunehmen.”
Singh: Albert Einstein habe bestätigt, daß die Evolutionstheorie unwissenschaftlich sei.
Kurze Antwort? Nö, hatter nicht. (Oder kann jemand ein entsprechendes, echtes Zitat von ihm vorlegen?) In der Tat wird gerade Einstein unglaublich oft falsch zitiert und vor die diversen Karren der Pseudowissenschaftler, Religiösen und sonstiger Ideologen gespannt. Oder seine echten Zitate werden aus dem Zusammenhang gerissen und falsch interpretiert. Falls Singh also etwa auf das leidige „Gott würfelt nicht“ anspielen wollte, so ist zu erwidern, daß Einstein sich damit auf die Quantenmechanik bezog. Er lehnte den Kreationismus ab und hielt speziell dessen biblische Interpretation für primitive Mythen. Was Einstein wirklich dachte, ist seinem Brief an E. Gutkind zu entnehmen.
Natürlich gilt davon abgesehen auch hier, daß Singhs Aussage ein Autoritätsargument und damit nichtig ist, denn selbst wenn Einstein dergleichen gesagt hätte, würde das nicht im mindesten eine Widerlegung der ET bedeuten und höchstens Zweifel an Einsteins Zurechnungsfähigkeit säen.
Insgesamt also ein beschämender Auftritt eines Bildungsministers und natürlich regte sich unter richtigen indischen Wissenschaftlern sofort heftiger Widerspruch in Form einer Online-Petition, die innerhalb kurzer Zeit mehr als 3000 Unterschriften von Wissenschaftlern sammelte, die gegen Singhs Äußerungen protestierten und ihn aufforderten, sie zurückzunehmen. Schon am 23.01. äußerte daraufhin der Senior-Minister und Chef von Singh, daß er diesen gebeten habe, künftig von solchen Äußerungen abzusehen und daß man die Wissenschaft nicht “verwässern” (dilute) solle. Immerhin.
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Derartigen Widerspruch erfuhr Herr Blume in dem Interview, das er 2014 gab und das immer noch online verfügbar ist, leider nicht. Herr Blume, der in seinen rhythmisiert vorgetragenen und holprig gereimten Texten dem Vernehmen nach wohl im Wesentlichen Informationen über seinen angeblichen und natürlich ostentativ mit den gesetzlichen Regelungen kollidierenden Handel mit Betäubungsmitteln sowie die eigene Zufriedenheit angesichts der damit erwirtschafteten Rendite und den in der Folge erworbenen oberflächlichen Statussymbolen, über Besitz und anscheinend bedenkenlos impulsiven Einsatz von Feuerwaffen gegen mißliebige Personen, über Häufigkeit und misogyne Modalitäten der Kopulation mit irritierenderweise seinem Schaffen zugeneigten Frauen, sowie über die offenbar aus Ranküne und zur Zurschaustellung der sich selbst eingeräumten Überlegenheit vorgeblich an den jeweiligen Erzeugerinnen seiner Konkurrenten vollzogenen Beiwohnungen zur Mitteilung bringt, hat vor einigen Jahren in jenem Interview seine bedauerliche Auffassung zur ET kenntlich gemacht.
Einige seiner Äußerungen habe ich (zum Teil paraphrasiert und bereinigt um Sprechartefakte) transkribiert, um im Detail auf sie eingehen zu können. Eine Feststellung des Herrn Blume vom Ende des Interviews möchte ich hier gleich vorwegnehmen, da sie uns eine Vorstellung über seinen Kenntnisstand, von dem aus er argumentiert, vermittelt:
FB: Diese Evolutionsgeschichte hat für mich immer schon relativ wenig Sinn gemacht, ich habe mich dann aber auch eingehend damit beschäftigt, ich habe von Kreationistenbüchern bis zu totalen Evolutionsverfechtern, bis zu den Originalschriften von Darwin alles gelesen und habe dann versucht, mir mein eigenes Bild davon zu machen.
Er hat sich also eingehend mit der ET beschäftigt, hat „alles“ dazu gelesen, sozusagen beide Seiten, und sich dann sein eigenes Bild gemacht. Na dann, ich habe nicht mal ansatzweise alles zur ET gelesen (einiges dessen, was ich gelesen habe, steht unten in der Leseempfehlung) und auch kein einziges Buch eines Kreationisten (ich habe genug Debatten mit diesen Typen gesehen) und bin daher sehr gespannt, was ich vom selbsternannten Experten noch lernen kann:
FB: Ob das überhaupt so ist, daß wir vom Affen abstammen, wage ich stark zu bezweifeln, denn alle Übergangsmischgeschöpfe, Skelette, gibt’s gar nicht.
Wie bereits oben ausgeführt folgt aus der ET nicht, daß wir vom Affen abstammen (wahrscheinlich würden sich alle rezenten Affen auch in Grund und Boden schämen, wenn sie wirklich an der Zeugung dieses Wonneproppens beteiligt gewesen wären (auch wenn gewisse Ähnlichkeiten sicher nicht von der Hand zu weisen sind)).
Hinzukommt, daß die Behauptung, es gebe keine Übergangsfossilien, einfach nur dummer, ignoranter und grob falscher Schwachsinn ist. Es gibt unzählige von Übergangsfossilien für die verschiedensten Übergänge. Hier eine Liste. Es gibt „Fischopoden“, „Froschamander“, laufende Wale etc.pp.
FB: Wenn Du es bis zum Urknall zurückverfolgst, dann wäre ja quasi aus einer Explosion eine intelligente Spezies entstanden, nur durch Zufall. Und das Zufallsprinzip ist nunmal nicht, was das Universum regiert, sondern die physikalischen Gesetze und aus Chaos entsteht niemals Ordnung. In der Wüste ensteht auch nicht durch Wind ein schönes Sandschloß.
Wow, so viel Schwachsinn auf einmal. Also, erstens war der Urknall keine Explosion (damit was explodieren kann, muß ja erstmal was da sein). Zweitens befaßt sich die ET nicht mit der Entstehung von Leben. Drittens beruht die Evolution nicht auf Zufall, sondern auf Mutation und Selektion. Viertens spielt das „Zufallsprinzip“ eine erhebliche Rolle in der Quantenphysik (und damit im Universum), die selbstverständlich auch physikalischen Gesetzen gehorcht, den angedeuteten Widerspruch gibt es also nicht. Fünftens ist die Verschränkung von Variation und Selektion exakt der Mechanismus, der aus Unordnung (Chaos) Ordnung, aus Einfachheit Komplexität generieren kann und man kann sich das anhand einfacher Computerprogramme selbst ansehen. Sechstens ist die Sandburg-Variante vom Schrottplatz-Tornado einfach nur eine Variante eines Fehlschlusses, die höchstens illustriert, daß ihr Verwender die ET nicht verstanden hat.
FB: Klimatische Veränderungen bewirken z.B. daß Behaarung mehr ausgeprägt wird, deswegen hatten in der Eiszeit, als Schnee lag, die Mammuts Haare. Dann wurde es wieder wärmer und die Haare sind abgefallen, sie waren nicht mehr notwendig: die Adaption an klimatische Bedingungen, das ist Fakt.
Immerhin akzeptiert er hier einige Aspekte der Evolution als Fakt. Er hat zwar ein etwas kindliches, teleologisches Verständnis davon, so als würde sich Behaarung einfach entwickeln / verschwinden, weil es kälter / wieder wärmer wird, anstatt zu verstehen, daß Individuen mit zufällig dichterer / lichterer Behaarung bei kälter / wärmer werdenden Temperaturen Selektionsvorteile und daher größeren Reproduktionserfolg haben, so daß sich diese Merkmale in der Population verbreiten. Aber wenigstens behauptet er nicht, der liebe Gott würde, wenn er mal wieder ‚ne Eiszeit schickt, den Mammuts netterweise auch gleich mehr Fell ankleben.
FB: Aber wie soll ein Fisch zu ‘nem Leguan werden? Indem er immer aus dem Wasser springt, immer ‘ne Sekunde länger atmen kann und irgendwann selber sein Atmungssystem völlig verändert, so daß er zu einer anderen Spezies wird, wie soll das passieren?
Seufz. Jedenfalls nicht so, wie es uns Herrn Blume hier in seiner lächerlichen Micky-Maus-Vorstellung der Evolution darstellt. Für eine ausführliche Antwort verweise ich auf die Leseempfehlungen unten. Die Kurzversion ist: die zufällig durch Mutation bedingte Möglichkeit, kurz an Land überleben, bzw. sich dort bewegen zu können, hat plausiblerweise einen erheblichen Selektionsvorteil für ein ansonsten aquatisch lebendes Individuum etwa bei der Nahrungssuche bedeutet. Ein solches Individuum hatte daher bessere Überlebenschancen, besseren Reproduktionserfolg und da die Veränderung erblich war, konnten auch dessen Nachkommen davon profitieren, so daß sich die Mutation in der Population verbreitet hat. Wie sowas wahrscheinlich ausgesehen hat, kann man an lebenden Fossilien prima in Augenschein nehmen.
FB: Du kannst 1 Million Fische ans Land legen, die werden sich nicht verwandeln, die werden einfach nur sterben.
S’richtig. Und offenbar kann ein Sprechgesangsmops auch 1 Million Bücher lesen, er wird die ET nicht verstehen, sondern einfach nur dummes Zeug daherreden. Auf den berechtigten Einwurf des Interviewers nämlich, der auf die enorme Bedeutung evolutiver Zeiträume abstellt: „Ich glaube, das hat damit zu tun, daß wir hier von längeren Zeiträumen reden.“ antwortete Blume dann so:
FB: Das ist immer so die Ausrede: das ist über Jahrmillionen passiert. Macht trotzdem genausowenig Sinn. […]
Das ergibt durchaus Sinn, jedenfalls für Leute, die sich ihren Kopf nicht mit einem Nasenhaarschneider rasieren. Genau genommen ist die unvorstellbar lange Zeit, in der sich Evolution bereits abgespielt hat (also seit es Leben gibt) und sich die verschiedenen Arten auf der Welt verbreitet haben, die Voraussetzung für den heute zu beobachtenden (und im Übrigen selbstverständlich auch nur vorübergehenden) Zustand.
FB: Selbst wenn der Fisch seine Lunge ein bißchen vergrößert oder der eine Fisch überlebt ein bißchen länger an Land: der stirbt ja trotzdem, der geht ja nicht ins Wasser zurück.
Doch doch, genau das tut er und warum sollte er es auch nicht tun? Anders ausgedrückt: die Gene, die ein solch suizidales Verhalten prädisponieren, würden sehr schnell aus der Population verschwinden. Nennt man Evolution, aber das, äh, führt hier wahrscheinlich zu weit…
FB: Wenn das jetzt ins Erbgut übergehen würde, dieses verlängerte Atmen, dann gibt er das ja nicht weiter an seine Nachfolgegeneration, d.h. selbst wenn der jetzt ein bißchen länger an Land atmen kann, stirbt er trotzdem und der nächste Fisch… sein Sohn meinetwegen… oder, der hat ja keinen Sohn mehr, der zeugt ja keine Nachkommen, die irgendwie das übernehmen, was er vortrainiert hat.
Herrjeh. „Vortrainiert“ ?! Jetzt auch noch Lamarckismus… ob er denkt, daß seine Nachkommen auch ganz viel Bizeps haben werden, wenn er nur ausreichend wenig Salat verspeist?
Ich denke, um das hier zu beenden, es wäre im Sinne aller Genpoolinsassen, wenn sich Herr Blume der Pepetuierung qua Zeugung seines offenbar mit schweren kognitiven Defiziten assoziierten Erbguts entschlüge und ich wäre allen Frauen dankbar, die eventuell in die zweifelhafte Verlegenheit geraten könnten, wenn sie sein entsprechendes Ersuchen, wenn schon nicht geschmackshalber dann doch wenigstens im Sinne eines populationsgenetischen Verantwortungsgefühls, abschlägig zu bescheiden die Güte hätten 🙂
„Nichts in der Biologie ergibt Sinn außer im Licht der Evolution“
— Theodosius Dobzhansky
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- Dawkins “Die Schöpfungslüge: Warum Darwin recht hat “
- Coyne “Why Evolution is true”
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