Ende Februar findet jedes Jahr der Spurenworkshop der Spurenkommission der DGRM statt.
Der historische und aktuelle Hauptzweck der Spurenworkshops ist dabei immer, die Ergebnisse der beiden jährlichen GEDNAP-Ringversuche für forensisch-molekularbiologische Labore vorzustellen und zu diskutieren. Inzwischen ist die Veranstaltung, die tatsächlich einmal als ganz kleiner Workshop ihren Anfang nahm, aber zu einer großen internationalen Tagung mit Hunderten Teilnehmern und zahlreichen Industrieausstellern geworden, auf der auch immer etliche wissenschaftliche Vorträge präsentiert werden.
Letztes Jahr waren wir in Giessen, wo ich die letzten Ergebnisse unseres inzwischen abgeschlossenen DFG-Projekts zur miRNA-basierten Identifikation forensisch relevanter Organgewebe vorstellte [1].
Dieses Jahr ging es nach Basel, wo ich sogar ein bißchen Zeit hatte, Tourist zu spielen, bevor der Workshop begann. Wieder gab es zu Beginn einen Gastvortrag, der, wie in Gießen, wieder von einem Juristen gehalten wurde, auch wieder zum Thema forensische DNA-Phänotypisierung (FDP), und der das Thema aus Sicht des schweizerischen Rechts betrachtete. Auch in der Schweiz ist FDP noch nicht erlaubt, doch auch hier kam der Sprecher zum Schluß, daß FDP grundsätzlich mit der schweizerischen Bundesverfassung kompatibel wäre. Auch in der Schweiz hatte es zuvor einen aufsehenerregenden Fall gegeben, infolgedessen der Politiker A. Vitali eine Motion an den Bundesrat vorgelegt hatte:
Der Bundesrat wird beauftragt, die gesetzlichen Grundlagen zu schaffen, damit der Strafverfolgungsbehörde erlaubt wird, Täter von schwerwiegend gewalttätigen Straftaten wie beispielsweise Mord oder Vergewaltigung durch die Auswertung der codierenden DNA-Abschnitte und somit der persönlichen Eigenschaften gezielter zu verfolgen.
Darüber hinaus war allerdings nicht mehr die Rede von FDP, stattdessen gab es diesmal zwei thematische Schwerpunkte: (wieder mal) NGS und sein Einsatz für forensische Zwecke und Softwarelösungen zur Auswertung von DNA-Rohdaten, wozu es insgesamt zehn Vorträge gab.
Besonders interessant fand ich einen Vortrag über den Einsatz von NGS zur Unterscheidung eineiiger Zwillinge in einem US-amerikanischen Kriminal- und in einem deutschen Vaterschaftsfall. Vor vier Jahren wurde diese Methode bereits vorgestellt und nun kam sie endlich zum Einsatz. In den USA scheiterte sie (noch), obwohl sie wissenschaftlich solide ist und sehr plausible, biostatistisch valide Ergebnisse erbrachte, an den Daubert Standards bei der Anhörung zur Zulässigkeit der Methode vor Gericht: sie ist einfach noch zu neu und es gibt zu wenig Erfahrung mit ihr, es fehlen zudem Standards und mehr begutachtete Publikationen. Der (höchstwahrscheinliche) Täter wurde aber trotzdem verurteilt. In Deutschland gelang die Unterscheidung zweier möglicher Väter eines Kindes, die eineiige Zwillinge sind, mittels der Methode und das Urteil, das erste überhaupt, das mit Hilfe von NGS-Beweis gefällt wurde, ist inzwischen rechtskräftig. Das ist sehr interessant und wichtig, den NGS wird auch in der Forensik immer wichtiger und Präzedenzfälle sind da sehr hilfreich.
Aber auch einer meiner eigenen Forschungsschwerpunkte wurde berührt in einem schönen Vortrag zur Identifikation von Körperflüssigkeiten (BFI) mittels NGS-basiertem micro-RNA-Nachweis. Die Gruppe hat das gesamte miRNom in den fünf besonders wichtigen Körperflüssigkeiten Blut, Speichel, Sperma, Vaginalsekret und Menstrualblut sowie Haut in einem vergleichsweise großen Datenset (n=119) sequenziert, die Daten statistisch ausgewertet und aus einem reduzierten Satz von nur 9 Kandidaten-miRNAs ein Vorhersagemodell entwickelt, mittels dessen man anhand der miRNA-Expression in forensischen Proben unbekannter Zusammensetzung die darin enthaltenen Komponenten bestimmen kann. Sie setzten dafür eine diskriminante Analyse der partiellen kleinste Quadrate (PLS) ein (diskriminant heißt hier eine Diskriminanz mittels der Eigenschaften des PLS Algorithmus zu berechnen; sie kann so auf den Fall von Datensätzen mit wenig Beobachtungen und vielen erklärenden Variablen angewandt werden. Man erhält auf diese Art und Weise so viele Modelle, wie die abhängige Variable an Modalitäten aufweist. Eine Beobachtung wird der Klasse zugewiesen, deren Wert der Modellgleichung maximal ist).
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